Noch haben alle Dorfbewohner eigene Brunnen. Jetzt stimmen sie über Anschluss an zentrale Versorgung ab

Neritz. Seit mehr als 60 Jahren wohnt Hermann Schümann in Neritz. Und schon immer stammt das Wasser, das aus dem Hahn fließt, aus dem hauseigenen Brunnen. So ist das bei den anderen rund 320 Einwohnern in dem kleinen Dorf zwischen Bargteheide und Bad Oldesloe auch. Neritz ist im Amt Bad Oldesloe-Land der letzte Ort, der nicht an eine zentrale Wasserversorgung angeschlossen ist.

Ob das so bleibt, ist Thema einer aktuellen Umfrage unter den Bewohnern. Bürgermeisterin Karen Lienau (Aktionsgemeinschaft Neritzer Wähler) ließ die Umfragebogen verteilen, in denen die Dorfbewohner unter anderem Angaben zur Zufriedenheit mit der Wasserqualität und zum Wunsch nach externer Versorgung machen konnten. „So etwas sollte gemeinsam entschieden werden und nicht über die Köpfe der Menschen hinweg“, sagt Karen Lienau, die in Neritz aufgewachsen ist und heute den landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Eltern führt. Auslöser der Umfrage waren Beschwerden einiger Dorfbewohner über die Wasserqualität.

Einige Bürger sind gegen den Wechsel, andere dafür

„Auch meine Frau hat sich immer geärgert, wenn die weißen Hemden von Wäsche zu Wäsche immer bräunlicher geworden sind“, sagt Hermann Schümann. Das liegt an dem relativ hohen Eisengehalt des Neritzer Wassers. Die Schümanns schafften sich deshalb vor zehn Jahren eine Wasseraufbereitungsanlage an, die für eine sogenannte Enteisenung sorgt. Die 8000 Euro teure Anlage steht neben dem Druckkessel im Keller. „Alles funktioniert einwandfrei. Nur der Luftfilter muss ab und zu gereinigt werden“, so Schümann, der die Investition nicht bereut. Deshalb sieht der 81-Jährige auch keine Notwendigkeit für eine Umstellung auf eine zentrale Wasserversorgung. „Ich werde mich zwar nicht dagegen stellen, wenn alle anderen dafür sind. Aber das Neritzer Wasser ist sehr gut. Warum soll man dann etwas ändern?“

Von der guten Trinkwasserqualität sind Ursula und Hans-Joachim Graumann ebenso überzeugt. Auch sie haben einen Brunnen im Garten und eine Aufbereitungsanlage im Keller. „Der Geschmack unseres Brunnenwassers ist super.“ Trotzdem ist das Ehepaar für den Anschluss ans öffentliche Wassernetz. Hans-Joachim Graumann: „Ich möchte einfach sicher sein können, dass das Wasser hygienisch rein und gut aufbereitet ist. Und zwar ohne dass ich mich selbst darum kümmern muss.“

Obwohl den Neritzern ihr Brunnenwasser bisher nie ausging, ist die Versorgungssicherheit für Graumann das ausschlaggebende Argument. „Wasser ist das wichtigste Gut“, so der Rentner. „Und wir werden nicht jünger. Ich möchte die Verantwortung für unser Wasser deshalb gern abgeben und keine Arbeit mehr damit haben.“ Dafür würde er auch höhere Kosten in Kauf nehmen, die durch eine zentrale Wasserversorgung entstehen könnten. Schließlich sei das Wasser auch jetzt nicht kostenlos.

So sieht das auch sein Nachbar Frank Kolinski. Der 49-Jährige wohnt erst seit zwei Jahren mit seiner Familie in Neritz. Im vergangenen Jahr ließ er sich ein Angebot zur Bohrung eines neuen Brunnens machen. 12.000 Euro würde das kosten. „Gutes Brunnenwasser ist also alles andere als umsonst.“ Zudem ziehen Pumpe und Wasseraufbereitungsanlage ständig Strom. „Solange genug Wasser da ist und die Geräte funktionieren, ist alles in Ordnung. Aber niemand kann uns sagen, wie lange das noch so sein wird.“ Kolinski wünscht sich gleichbleibende Wasserqualität und Verlässlichkeit – und deshalb auch einen Anschluss an das öffentliche Wassernetz.

Bis Juni sollen alle Fragebogen ausgewertet sein

Wie viel die Neritzer künftig bezahlen müssten, hängt von den Konditionen ab, die das Amt Bad Oldesloe-Land und die Gemeindevertreter mit den Wasseranbietern aushandeln. Bürgermeisterin Karen Lienau: „Eine Möglichkeit könnte sein, dass zum Gießen des Gartens oder zur Versorgung von Tieren nicht das öffentliche Wasser verwendet werden muss, sondern weiterhin das Brunnenwasser zum Einsatz kommen kann.“

Als Besitzerin von rund 260 Milchkühen und vielen Hektar Ackerland würde ihr diese Variante gut gefallen. Wenn die Fragebogen ausgewertet sind, werden die Gespräche mit den Wasseranbietern in Angriff genommen. „Spätestens im Juni wissen wir mehr“, sagt Lienau. Dann liegen den Gemeindevertretern die Ergebnisse der Umfrage und damit die Verhandlungsgrundlagen vor.