Die zwölf Jungen und Mädchen tauschen ihre Ideen im Europäischen Parlament mit Politikern und Gleichaltrigen aus

Reinbek. Aufregung macht sich breit unter zwölf Schülern der Sachsenwaldschule in Reinbek. Die Gymnasiasten aus der 12. Klasse haben etwas ganz Besonderes vor. Denn am Donnerstag geht es für sie auf Europareise – im übertragenen Sinne. Sie fahren nämlich zum ersten European Youth Event (EYE) ins französische Straßburg. Dort treffen sich von Freitag, 9. Mai, bis Sonntag, 11. Mai mehr als 5000 Jugendliche und junge Erwachsene aus allen EU-Ländern im Europäischen Parlament. 400 kommen aus Deutschland.

Ziel der Veranstaltung ist es, junge Europäer zwischen 16 und 30 Jahren einander näher zu bringen und für die europäische Idee zu werben. Das Motto der EYE 2014: Ideen für ein besseres Europa. Die Jugendlichen sollen sich dazu austauschen. Fünf Themenkreise bilden den Rahmen der Veranstaltung. Dazu gehören Jugendarbeitslosigkeit, digitale Revolution, Zukunft der Europäischen Union, Nachhaltigkeit und europäische Werte.

Teilnehmer sprechen mit Finanzminister Schäuble über die Eurokrise

„Die Schüler können an Workshops, Diskussions- und Fragerunden, Rollenspielen, Sportveranstaltungen und anderen Aktivitäten teilnehmen“, sagt Hans-Jürgen Otto, Europabeauftragter und Lehrer der Sachsenwaldschule. Henry Kern, 17, ergänzt: „Jeder von uns hat sich für mindestens vier Veranstaltungen eingetragen. Ich werde mich an einem Videodreh beteiligen und bei einer Diskussion zum Thema Welthunger dabei sein. „Hunger for energy versus world hunger“ (zu Deutsch: Hunger nach Energie gegen Welthunger) heiße diese Veranstaltung. „Wir diskutieren darüber, dass Getreide für die Herstellung von Kraftstoff verwendet wird, anstatt es zu Nahrungsmitteln zu verarbeiten.“

Seit einem halben Jahr bereiten sich die Sachsenwaldschüler auf dieses Ereignis vor. „In diesem Schuljahr haben sie sich fachübergreifend mit dem Thema Europa befasst“, sagt Hans-Jürgen Otto. Ihre Arbeit haben die zwölf Schüler auf Plakaten zu verschiedenen Aspekten wie etwa zur Europawahl in der Schule ausgestellt.

Während der Vorbereitungsphase war Jan-Eilert Brüsehoff, 18, als Vertreter seiner Schule zu Besuch im Bundeskanzleramt und in zwei Ministerien in Berlin. „Ich habe mit Politikern gesprochen und mir angesehen, wie der Politikbetrieb im Hintergrund abläuft. Vieles davon erfahre ich über die Medien gar nicht“, sagt der Schüler. Der Besuch sei schon mal ein Vorgeschmack auf das Programm in Straßburg gewesen.

„Die Sachsenwaldschule hat Europa bereits seit 15 Jahren zum Schwerpunkt“, so Hans-Jürgen Otto. Solange ist der Lehrer für Wirtschaftspolitik, Französisch und Erdkunde auch schon Europabeauftragter. Er organisiert und koordiniert solche Projekte, pflegt Kontakte zu Europaabgeordneten in Schleswig-Holstein und anderen Schaltstellen und begleitet seine Schüler von Anfang bis zum Ende eines Projekts.

Die gute Vernetzung zahlt sich aus. „Unsere Schule wurde beim Europäischen Parlament von einem Europaabgeordneten vorgeschlagen“, sagt Otto. Er sei dann auf die Schüler mit der Idee zugegangen und habe sie gefragt, ob sie mitmachen möchten. Zwölf Schüler haben sich am Ende gefunden und werden als einzige Schülergruppe aus Schleswig-Holstein nach Straßburg reisen. Etwas schade findet Hans-Jürgen Otto dies und hofft, dass künftig mehr Schulen auf solche Projekte aufmerksam werden. „Das Europäische Parlament unterstützt das Projekt auch finanziell. Alle Reise-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten werden bezahlt“, sagt Otto.

Jeder Schüler geht unabhängig von seiner Schülergruppe zu den Veranstaltungen. „Das ist auch so gewollt. Es soll ja eben ein interkultureller Austausch möglich sein. Deswegen achten die Veranstalter auf eine gute Mischung“, sagt Lehrer Otto. Nur zur Eröffnungsveranstaltung gehen die Sachsenwaldschüler mit ihren Lehrern Hans-Jürgen Otto und Herbert Babin gemeinsam. „Dort werden wir und weitere Teilnehmer mit Finanzminister Wolfgang Schäuble über die Eurokrise sprechen“, sagt Moritz Gailus.

Der 19-Jährige wird außerdem als einziger aus seiner Gruppe bei einem Konzert dabei sein, das der Kultursender Arte live ausstrahlt. „In einem Gewinnspiel musste ich in 140 Zeichen erklären, was ein guter Arbeitsplatz ist“, sagt Gailus. Viel habe er nicht schreiben können. Am wichtigsten seien ihm faire Löhne und Sicherheit erschienen. Zwei Dinge, die auch in Europa nicht selbstverständlich seien.

Nach dem Treffen im Europaparlament geht die Arbeit weiter

Stolz wirken die Gymnasiasten vor ihrem Europatrip. „Wenn wir wieder zurück sind, werden wir Berichte schreiben und unsere Ergebnisse auf Plakaten und im Internet präsentieren“, sagt die 18 Jahre alte Alicia Schulz. Stolz ist auch ihr Lehrer Hans-Jürgen Otto. Ihm ist Europa schon immer ein Herzensanliegen gewesen. „Ich glaube, dass der Europagedanke zur Entwicklung gemeinsamer Werte geführt hat. Leider drohen diese momentan zu zerfallen“, bedauert Otto.

Die Wahlbeteiligung habe abgenommen, die Menschen hätten den Blick für kritische Entwicklungen verloren. Durch diese Gleichgültigkeit seien die Rechtspopulisten in Europa stärker geworden. „Deswegen sollten wir junge Menschen intensiver an das Thema Europa binden. Sie sind schließlich die Zukunft dieser Gemeinschaft.“

Schulleiterin Helga Scheller-Schiewek gibt ihren Schülern vor der Fahrt noch ein paar letzte Worte mit auf den Weg: „Ich glaube, ihr werdet viele tolle Dinge sehen und erleben, die wir euch hier nicht bieten können. Nehmt so viel wie möglich für euch davon mit.“