Dass sich die 196 Meter hohen Räder wie geplant dieses Jahr drehen, glaubt niemand mehr. Entscheidung am 27. Mai?

Bargteheide. Hat der Bargteheider Bürgerwindpark noch eine Chance? Fast zwei Jahre dauert das Verfahren nun schon. Aber statt Klarheit gibt es immer wieder Entwicklungen, die das Projekt zu kippen drohen. Mittlerweile hat sich sogar die EU eingeschaltet (wir berichteten).

Dass sich die Windräder am Glindfelder Weg wie geplant in diesem Jahr drehen, daran glaubt selbst im Rathaus keiner mehr. Die Kritiker hoffen derweil, dass die drei 196 Meter hohen Vestas-Räder vom Typ 112 überhaupt nicht aufgestellt werden. Der Ausgang des Verfahrens ist offen. Woran liegt es? Eine Bestandsaufnahme der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn.

Die Sache mit dem Denkmalschutz und der Baugenehmigung

Zwei Denkmalschutz-Gutachten liegen vor, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Es geht um die Sichtachse zwischen Windpark und Jersbeker Barockgarten. Der ehemalige stellvertretende Landeskonservator Helmut Behrens ist sich sicher: Der Windpark würde zu einer extremen Verfremdung der geschützten Jersbeker Kulturdenkmale führen und dürfe nicht genehmigt werden. Die Initiative Gegenwind Bargteheide hatte Behrens als Sachverständigen eingeschaltet.

Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) setzt sich mit dieser privat abgegebenen Einschätzung genauso auseinander wie mit dem komplett anders ausgefallenen Gutachten von Geerd Dahms, den die Stadt eingeschaltet hatte. Er ist von der Handelskammer Hamburg vereidigter Sachverständiger für die Beurteilung der Denkmalwürdigkeit von Gebäuden – und hat keine ernsthaften Bedenken.

Zwei Experten, zwei unterschiedliche Meinungen. Die untere Denkmalschutzbehörde muss sehen, was sie damit anfängt. Sie wird der Genehmigungsbehörde LLUR eine Empfehlung geben. „Das LLUR kann aber frei entscheiden“, sagt der Bargteheider Bauamtsleiter Jürgen Engfer. Spätestens am 27. Mai soll die Stadt Nachricht bekommen. Dabei war das Votum schon für Februar angekündigt worden. Die Frist wurde verlängert, die Sache ist offenbar kompliziert.

Die Sache mit dem Lärm und der Wirtschaftlichkeit der Anlagen

Schwierigkeiten bereitet auch der Lärmschutz. „Ein grausames Ergebnis.“ So nennt es Stefan Körner. Der Geschäftsführer der Bürgerwindpark Bargteheide GmbH und Co. KG ist entsetzt über die Messung an einer bereits gebauten und im Probelauf getesteten 3,3 Megawatt-Windkraftanlage, die Vestas für Bargteheide vorgesehen hat. Sie überschreitet den nächtlichen Grenzwert. Zulässig sind 33 Dezibel. Die Anlage liegt 1,2 Dezibel darüber. Körner: „Das hört sich wenig an. Aber dazwischen liegen Welten.“

Bargteheides Bauamtsleiter Jürgen Engfer ist trotzdem zuversichtlich. Die sogenannte Dreifachmessung werde den Wert senken. Auch Stefan Körner von der Bargteheider Raiffeisenbank, der mit dem städtischen Kämmerer Joachim Teschke die Geschäfte der Bürgerwindpark Bargteheide GmbH und Co. KG führt, hofft auf niedrigere Zahlen. „Die erste Anlage muss ein Montagsmodell sein“, sagt Körner. Die anderen beiden Windräder würden besser gefertigt werden, sodass der Mittelwert aller drei Anlagen unter dem Grenzwert liege. Wenn nicht, könnten nur zwei Anlagen nachts mit voller Kraft laufen. Körner: „Und dann wäre die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben.“ Das wäre das Aus.

Eine von der Verwaltung ersonnene Idee, wie man aus der Klemme kommen könnte, hatte die Mehrheit der Stadtvertreter abgelehnt. Sie wollten nicht, dass für das ungenutzte Gewerbegebiet neben dem Windpark eine sogenannte Dienstbarkeit eingetragen wird. Diese hätte festgelegt, dass dort zwischen 22 und 6 Uhr kein Lärm gemacht werden darf. Damit hätte man den Grenzwert für das gesamte Areal auf 34 Dezibel erhöhen können. Dass sogar die Grünen-Fraktionschefin Isabell Steinau Nein sagte, wurde von den Befürwortern als beunruhigendes Zeichen gewertet.

Gibt es noch einen Ausweg, falls die restlichen Ergebnisse genauso schlecht ausfallen? Körner: „Wir könnten natürlich nur zwei Anlagen kaufen, wenn ohnehin nur zwei nachts voll laufen dürften.“ Damit ließen sich rund vier Millionen Euro sparen. Die Kosten für die Erschließung blieben gleich hoch, und der Windertrag sänke. Jetzt wieder auf Anfang zu gehen und die ursprünglich ausgewählten 3,0 Megawatt-Anlagen zu nehmen, sei unsinnig. Körner: „Dann müssten wir das gesamte Baugenehmigungsverfahren von vorn beginnen.“ Bauamtsleiter Engfer: „Das ist nicht geplant.“ Im Übrigen sei schriftlich zugesagt worden, dass sich die 3,0- und die 3,3-Megawatt-Anlagen lärmtechnisch nicht unterscheiden. Die Bürgerwindpark GmbH und Co. KG könnte also voraussichtlich ohne finanziellen Schaden von dem Auftrag zurücktreten.

Die Sache mit der EU und dem unlauteren Wettbewerb

Die Stadt hat Geld vorgeschossen, um das Projekt anzuschieben. Das hätte sie nicht tun dürfen, meint die Initiative Gegenwind Bargteheide. Denn so habe sie der Betreibergesellschaft das wirtschaftliche Risiko abgenommen. Die Windparkgegner beklagen unlauteren Wettbewerb und haben die EU-Kommission eingeschaltet. Deren Generaldirektion für Wettbewerb hat daraufhin um Stellungnahme gebeten. Während die Bürgerinitiative jubelt, sieht Bauamtsleiter Engfer den EU-Markt von dem lokalen Vorhaben nicht betroffen. In diesem Sinn habe die Stadt auch bereits geantwortet.

Beurteilt die EU das anders, könnte eine Ausschreibung die Folge sein. Dann wäre es möglich, dass ein privater Investor der Stadt das Vorhaben streitig macht. „Das sehe ich nicht“, sagt Initiativensprecher Hans Pirch. Und selbst wenn, müsste sich auch ein privater Investor an Recht und Gesetz halten. Pirch: „Und sich mit einer umtriebigen Bürgerinitiative auseinandersetzen.“

Die Stadt wollte selbst am Windrad drehen und nicht einem privaten Investor das Feld bereiten. Dazu werde es auch nicht kommen, sagt der Bauamtsleiter. Schließlich könnte die Stadt Auflagen machen. Und sie hätte die Entscheidungshoheit über die Baugenehmigung – vorausgesetzt, das LLUR stimmt erst einmal zu. Hier schließt sich der Kreis. Alles hängt von der Genehmigungsbehörde ab.

Die Sache mit den Chancen – Resümee und Ausblick

„Ich hätte nicht gedacht, dass sich das Verfahren so hinziehen würde“, sagt Bauamtsleiter Engfer. Aber es sei eben auch ein Großprojekt für die Stadt. Und es sei gut, dass die Schwierigkeiten vor Baubeginn auftauchten.

„Unsere Chancen sind gestiegen“, sagt Hans Pirch von der Bürgerinitiative. Zudem laufe auch noch eine Normenkontrollklage vor dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig. Und ob der 27. Mai die Entscheidung bringe, sei ungewiss. Pirch: „Nach unseren Informationen erwägt das LLUR eine Fristverlängerung um weitere Monate.“