Journalist Walter Domscheit macht einen Film von Großenseern für Großensee. Wer will, kann noch mitmachen

Großensee. Leonhard Hundsdoerfer wartet gespannt. Der weißhaarige Mann sitzt auf seinem grün- und cremefarben-gestreiften Sofa in der „goot stuuv“ seines Bauernhauses. Er beobachtet ganz genau, wie Walter Domscheit und seine Assistentin Kamera, Licht und Mikrofon positionieren. Hundsdoerfer hat sich gut auf seinen Auftritt vorbereitet. Er hat ein hellblaues Hemd angezogen und Getränke für seine Gäste bereitgestellt. Die Opernsängerin Katharina Maria Kagel hat sich angekündigt. Sie will mit dem 80-Jährigen über seine Erlebnisse in der Gemeinde Großensee sprechen. Welche schönen Erinnerungen hat er? Gibt es kleine, witzige Anekdoten, die er erzählen kann?

Die Aufnahmen in dem alten Bauernhaus sind Teil des Filmprojektes „Klangbilder 2014“. Journalist Walter Domscheit und die Sängerin Katharina Maria Kagel drehen einen Film von „Großenseern für Großenseer“. Jeder, der etwas über die Gemeinde sagen möchte, kann Teil des Projektes werden. Dabei gibt es kein Drehbuch oder vorgeschriebene Texte. Das jeweilige Thema stehe fest, doch die Bürger erzählen, was sie mit der Gemeinde verbindet, sagt Kagel. An diesem Nachmittag führt sie der Weg in das Haus des ehemaligen Bürgermeisters Leonhard Hundsdoerfer. „Kommen sie rein in die goot stuuv“, begrüßt er seine Gäste und empfängt sie mit einem Gedicht auf Plattdeutsch. Hundsdoerfer: „Zur Einstimmung etwas Witziges.“

Der 80-Jährige erzählt an diesem Nachmittag unter anderem von seiner Zeit als Flüchtling. „Überall in den Dörfern hat man versucht, die Flüchtlinge zu vertreiben. Nur nicht hier in Großensee.“ Dort seien die Flüchtlinge so wie Leonhard und sein Vater gern in die Gemeinschaft aufgenommen worden. Dafür habe er den Großenseern etwas zurückgeben wollen. Er engagierte sich zehn Jahre lang als Bürgermeister und war 45 Jahre lang Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Und Leonhard Hundsdoerfer verdanken die Großenseer ihr Wappen mit der dreiastigen Eiche, dem angedeuteten See und den drei Fischen darin. „Ja, das habe ich entworfen“, bestätigt er stolz.

Während Hundsdoerfer seine Erinnerungen mit der Sängerin teilt, nehmen Domscheit und seine Assistentin mit gleich zwei Kameras alles auf. Dann unterbricht Domscheit auf einmal die Aufnahmen. „Stopp“, sagt er und wedelt mit den Händen. Der Akku einer Kamera ist leer. Seine Assistentin sucht kurz und tauscht ihn aus. Weiter geht es.

Jetzt gibt der Bürgermeister von einst ein zweites Gedicht zum Besten. Fünf oder sechs Strophen lang. Auf Plattdeutsch. Und alles aus dem Kopf. Kagel, die selbst Platt spricht, lacht herzlich auf. Hinter den Kameras bleibt es aber ruhig, denn niemand will die Aufnahme stören.

Kagel spricht den Gastgeber des Tages auf eine besondere Geschichte an. „Erzähl doch mal die Geschichte von der Kuh.“ Hundsdoerfer: „Die Kuh Suleika habe ich damals auf einem Floß von der Insel im Großensee gerettet.“ Die Geschichte habe er hinterher aufgeschrieben. Er ging damit, so wie er war, „mit Gummistiefeln und strohbehangen“, zur nächsten Zeitung. Der Chefredakteur fand die Erzählung so gut, dass er eine Seite freihielt. Bis heute schreibt der 80-Jährige regelmäßig eine Kolumne auf Plattdeutsch.

Nach etwa eineinhalb Stunden sind die Aufnahmen im Kasten. Domscheit ist zufrieden mit dem Gespräch zwischen der Sängerin und dem „Großenseer Urgestein“, wie Hundsdoerfer bezeichnet wird.

Das ganze Jahr über sind der Kameramann, seine Assistentin und die Sängerin unterwegs, um Filmmaterial zu sammeln. „Wir wollen das Besondere hervorheben und Erinnerungen am Leben erhalten“, sagt Kagel. Walter Domscheit hält daher Veranstaltungen, wie das Osterfeuer, den Neujahrsempfang oder Ausstellungen mit der Kamera fest. Als nächstes will er einen Jäger bei seinen Kontrollgängen und auf den Hochstand begleiten. Domscheit erinnert einen besonderen Drehtag: „Da stand ich früh morgens an einem Feld und ein großer, schwarzer Bulle kam aus dem Nebel heraus und trat an den Weidenzaun heran.“ Als das Tier dann schnaubte, sei das schon ein Erlebnis gewesen. Die Dexter-Rinder standen im Fokus der Aufnahmen.

Der Großensee-Film soll eine Mischung aus Erinnerungen der Bürger und Landschaftsaufnahmen werden. Letzteres wird mit Musik der Sängerin Kagel unterlegt. Im Oktober wird der Film dann im Dörphus vorgestellt. Kagel singt zu diesem Anlass Lieder von ihrem neuen Album, die Chöre aus Großensee und ein Drehorgel-Orchester werden zu hören sein. Zwischendurch sollen Zitate der Dichter von Eichendorff, Mörike oder Fontane vorgetragen werden sowie kurze Texte auf Platt. „Und im Anschluss gibt es eine Talkrunde, bei der sich alle austauschen können“, sagt Domscheit.

Der ganze Film ist ein Low-Budget-Projekt. Das bedeutet, es wird durch Sponsoren und Eintrittsgelder finanziert. Der Naherholungs- und Kulturverein Großensee unterstützt Walter Domscheit bei seinen Aufnahmen. Wer selbst noch Teil des Films werden möchte, kann sich unter Telefon 04154/8042688 an Domscheit wenden.