Prof. Utz Schliesky, Direktor des schleswig-holsteinischen Landtags, schätzt: Weniger als fünf Prozent wissen umfassend Bescheid

Hamburger Abendblatt:

Die Kommunalwahlbeteiligung ist schon in der Vergangenheit niedrig gewesen, und sie sinkt weiter. Wie erklären Sie sich das?

Utz Schliesky:

Immer weniger Menschen scheinen Verständnis für die kommunale Selbstverwaltung zu haben, immer weniger Menschen interessieren sich für die politische Selbstgestaltung vor Ort. Es ist ein dramatisches Zeichen, wenn weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem wichtigsten demokratischen Recht Gebrauch machen. Bei so geringen Beteiligungsquoten wird man nicht umhinkommen, die Frage nach der Legitimationswirkung derartiger Wahlen aufzuwerfen. Den meisten Wahlberechtigten ist nicht bekannt, welche weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort tatsächlich bestehen. Außerdem sind Wahlen bei uns zunehmend personalisiert; gerade in größeren Kommunen kennen die Wahlberechtigten ihre Kandidaten nicht. Nicht zu leugnen ist auch ein gewisses „Dekadenzphänomen“ – es ist leider modern, auf das repräsentativ-demokratische System zu schimpfen und es mit Wahlverweigerung zu strafen – auf allen Ebenen.

Welche Gruppen gehen besonders selten zur Wahl?

Schliesky:

Grob gesagt: Je kleiner die Kommune, desto höher ist die Wahlbeteiligung. Daran kann man sehen, dass in kleinen Gemeinden die „kommunalpolitische Welt“ noch in Ordnung ist. Hinsichtlich der Altersgruppe fällt auf, dass leider die jüngsten Wahlberechtigten sehr zurückhaltend mit ihrem Wahlrecht umgehen.

Warum gerade die Jüngsten?

Schliesky:

Die Gründe scheinen mir vielfältig zu sein; sie reichen von Desinteresse über Unkenntnis bis hin zu selbst auferlegter Zurückhaltung, weil Jugendliche sich nicht sicher sind, ob sie mit der demokratischen Verantwortung schon richtig umgehen können.

Ist 16 das richtige Wahlalter?

Schliesky:

Ich persönlich bin da skeptisch. Ich bin Anhänger eines Gleichklangs von Rechten und Pflichten. Es ist nicht einleuchtend, wenn das vornehmste Recht der Demokratie schon mit 16 ausgeübt werden darf, die strafrechtliche Verantwortlichkeit aber erst mit 18 eintritt und ich dann auch erst allein rechtswirksam eine Lederjacke kaufen oder Auto fahren darf.

Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Wahlberechtigten, die alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente der Einflussnahme auf kommunaler Ebene kennen und richtig einsetzen könnten?

Schliesky:

Auf unter fünf Prozent. Leider.