Ganz schön derb, die Sprüche beim Bauchrednerfestival in Grönwohld. Aber es sind ja nicht die Künstler, die sprechen ...

Grönwohld. „Du bist aber süß.“ Mit diesen Worten begrüßt der neunjährige Louie eine junge Frau. Dabei schaut er sie mit großen Augen durch seine Brille an. „Danke“, kommt es verlegen zurück. Die junge Frau wird tatsächlich rot. Und das, obwohl Louie eine Puppe ist. Genauer gesagt: eine Bauchrednerpuppe.

Beim diesjährigen Bauchrednerfestival waren die Puppen los. Bauchredner aus Deutschland, Österreich, Dänemark und der Schweiz versammelten sich am Wochenende in Grönwohld. Sie sangen, reimten und unterhielten die 160 Zuschauer mit ihrer Kunst.

Dass die Puppen teilweise sehr frech und unverblümt sagen, was sie denken, stört keinen. „Einer Puppe kann man eigentlich nichts übel nehmen“, sagt Sönke Ruge. Er kommt aus Dörverden (Niedersachsen) und ist stolzer Puppenbesitzer und Zauberer. Ruge sagt, er sei früher sehr schüchtern gewesen, doch mit einer Puppe auf der Bühne zu stehen sei nicht so schwer. „Man ist ja dann nicht allein.“ Und weiter: „Ein Bauchredner muss nicht schizophren sein. Aber es hilft.“

Louie ist ein Mitbringsel von einer Prag-Reise

Doch wie ist es, mit einer Puppe aufzutreten? Der neunjährige Louie sei oft ziemlich frech. Gerade bei Auftritten auf Familienfeiern. Wenn dort eine Bedienung herumläuft, kommentiert Louie das sofort. Er sagt dann immer: „Guck mal, Sönke, eine Bedienung. Und jetzt entfernt sie sich wieder. Muss wohl eine Fernbedienung sein.“ Auch für Vertreter der Presse hat der Neunjährige immer einen lustigen Spruch parat. Louie: „Ja, dann blitzt es immer. Und ich frage dann: Kannst du auch donnern?“ Bauchredner Ruge hat Louie extra aus Prag zu sich geholt. Es gebe Bauchredner, die ihre Puppen selbst bauten. Doch Louie sei einfach so süß gewesen, so dass sich Ruge dann für ihn entschieden hat. Als Louie merkt, dass auch an diesem Abend Vertreter der Presse in Grönwohld zu Besuch sind, sagt er: „Komisch, die sehen gar nicht so gepresst aus.“

Trotz der bissigen Kommentare hat Louie nach jedem Auftritt eine neue Freundin. Kein Wunder bei dem ganzen Charme, den der Kleine versprüht. „Ja, Louie flirtet sehr gern“, bestätigt Puppenbesitzer Ruge. Und Louie kann es einfach nicht lassen. „Du bist aber süß“, wiederholt er seinen Begrüßungsspruch. Diesmal ist die junge Frau vorbereitet und entgegnet, dass er doch sicher eine Freundin habe. Louie hingegen, nicht auf den Mund gefallen, antwortet: „Ja, aber heute Abend nicht.“

Und noch etwas hat der Kleine zu berichten. „Neulich haben wir in der Schule eine Mathearbeit zurückbekommen. Und es gab sechs Sechsen.“ Da habe er der Lehrerin erklärt: „Wenn in der Bundesliga eine Mannschaft versagt, wird immer der Trainer ausgewechselt.“ Trotz solcher Sprüche: Louie und Sönke Ruge arbeiten gut zusammen. „Streit gibt es nicht.“

Während Louie sein Interview gibt, stehen seine Puppenkollegen schon auf der Bühne. Mit einem „Hurra – Max, du bist der Beste“ begrüßt das Publikum den nächsten Künstler. Max Steuber, Allgemeinmediziner aus dem Emsland, tritt mit dem 104-jährigen Alois Alzheimer auf. Der berichtet von seinem Besuch beim Gynäkologen. Steuber verwundert: „Aber Alois, das ist doch ein Arzt für Frauenleiden.“ Alois: „Eben drum, ich leide ja unter meiner Frau.“

Das will Steuber nicht hinnehmen und hakt nach, was denn das Schönste in der 80 Jahre währenden Ehe gewesen sei. Alois: „Die fünf Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft.“ Obwohl solche Aussagen schon ziemlich grenzwertig sind, johlt und lacht das Publikum. Eine Puppe darf so etwas eben sagen, und niemand stört sich daran. Doch Max Steuber kann auch sanfter sein. Vor vier Jahren hat er den Verein Bauchgefühl gegründet. Dabei treten Bauchredner vor Kindern aus sozial schwachen Familien auf.

Später am Abend ist dann endlich Sönke Ruge an der Reihe. Der kleine Louie muss zu dieser Zeit natürlich schon im Bettchen liegen. Oma Lotte steht daher auf der Bühne. „Ich bin die flotte Lotte und schon fast 90 Jahr“, stellt sie sich vor. Ihre Sprüche sind noch derber als die von Vorredner Alois. Da die Dame schon alt ist, hat sie Probleme mit ihren Zähnen. Ständig erinnert sie Ruge daran. „Zähne.“ Dann singen beide ein Lied. Ruge stellt Oma Lotte hin. „Pass auf meine Knie auf. Und wehe, du fasst mir unter den Rock“, ermahnt sie.

Obwohl Editha Maria Bauer ebenfalls Mitglied im Verein der Bauchrednerfreunde ist, der das Festival jedes Jahr organisiert, steht sie an diesem Abend nicht auf der Bühne. „Ich habe mich noch nicht getraut“, verrät die Augsburgerin. Vor zehn Jahren fing sie mit dem Bauchreden an, seit fünf Jahren gehört sie dem Verein an. Mit ihrem Paulinchen, einem kleinen Mädchen, tritt die 62-Jährige in einem Altenheim vor Demenzkranken und vor Körperbehinderten auf. Auch ihrer Puppe kann niemand böse sein ...