Das Hamburger Abendblatt startet eine neue Serie: Wer ist für was zuständig, wie hängt alles zusammen, was Bürger bewegen können. Montag geht’s los

Landrat? Wer dieses Wort nur hört, wird womöglich Land-Rad verstehen, ist ja auch irgendwie logisch: Fahrzeug mit Pedalantrieb, abgestellt am eher dörflichen Bahnhof Kupfermühle. Ja, unter Land-Rad dürften sich viele Stormarner tatsächlich etwas vorstellen können. Aber was oder wer um alles in der Welt ist ein Landrat? Da hilft Logik nicht mehr weiter. Und es ist gut möglich, dass in der Tat nicht jeder Stormarner diese Frage in all ihren Facetten korrekt beantworten könnte.

Mit dem heutigen Tage startet die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn unter dem Titel „Partei ergreifen – wie funktioniert Kommunalpolitik?“ eine elfteilige Serie, die Antworten auf die unterschiedlichsten Fragen liefern soll. Im Fokus stehen das kommunalpolitische Leben in Stormarns Städten und Dörfern sowie das Zusammenspiel mit den örtlichen Verwaltungen. Sie soll denen, die sich in der Szene bestens auskennen, Bestätigung geben. Denen, die sich gern stärker engagieren würden, Lust machen. Und jenen, denen die Strukturen vielleicht noch nicht ganz so vertraut sind – Jugendliche zum Beispiel oder Neubürger aus anderen Bundesländern – Orientierung bieten.

Dass die Gesellschaft in ihrem Durchschnitt immer unpolitischer wird, ist eine Tatsache. Sie lässt sich anhand von Zahlen belegen. Ein paar Fakten: Die Beteiligung an Kommunalwahlen ist im Laufe weniger Jahre dramatisch gesunken. Über die Zusammensetzung des Stormarner Kreistags stimmten 1998 noch 63,2 Prozent der Wahlberechtigten ab – eine Quote, die vor 16 Jahren schon als außerordentlich besorgniserregend bewertet wurde. 2003 lag die Wahlbeteiligung nur noch bei 56,9, weitere fünf Jahre später bei 50,8 Prozent. Im Mai vergangenen Jahres stürzte sie dann auf 47,6 Prozent ins Bodenlose. Seitdem haben die Nichtwähler die Mehrheit in Stormarn.

„Es ist für die Menschen wenig greifbar, was der Kreistag eigentlich macht und welche Funktion er hat“: So hat SPD-Fraktionschef Reinhard Mendel am Tag nach der verheerenden Wahl das Problem auf den Punkt gebracht. Und Utz Schliesky, Jura-Professor am Lorenz-von-Stein-Institut für Verwaltungswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Direktor des schleswig-holsteinischen Landtags, sagt: „Der Hauptgrund für die Wahlmüdigkeit liegt meines Erachtens in der Unkenntnis der Wahlberechtigten. Den meisten von ihnen ist nicht bekannt, welche weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort tatsächlich bestehen.“ Schliesky ist einer unter mehreren Experten, die in der Abendblatt-Serie zu Wort kommen.

Besonders groß sei die Wahlzurückhaltung bei Jüngeren, so Schliesky, der in diesem Zusammenhang unter anderem von „Desinteresse“ und „Unkenntnis“ spricht. Eine vor zweieinhalb Jahren vorgestellte Umfrage des Kinder- und Jugendbeirats in Ahrensburg unter 2000 Schülern hat ergeben: Jeder zweite Befragte kannte den Namen des Ahrensburger Bürgermeisters nicht. 71 Prozent wussten nicht, welche Partei die größte Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung stellt. Wie sollten sie auch? 97,4 Prozent konnten überhaupt nicht erklären, was eine Stadtverordnetenversammlung eigentlich ist.

Prof. Schliesky schätzt den Anteil der Wahlberechtigten, die alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente der Einflussnahme auf kommunaler Ebene kennen und richtig einsetzen könnten, auf „unter fünf Prozent“.

Kaum verwunderlich, dass auch die Bereitschaft, sich selbst politisch zu engagieren, abnimmt. Zwar gelingt es den Parteien noch, die derzeit gut 820 Mandate in Stormarns Parlamenten zu besetzen. Bei der Kommunalwahl 2013 haben dafür gut 2100 Männer und Frauen kandidiert. Aber die großen Parteien verlieren Mitglieder: 15 Prozent innerhalb von zehn Jahren die SPD, 20 Prozent die CDU in Stormarn. „Viele Menschen sind nicht mehr bereit, sich dauerhaft zu engagieren“, sagt CDU-Kreisgeschäftsführer Markus Matthießen.

In den kommenden Wochen wird das Abendblatt nun unter anderem erklären, warum in Stormarn Bürgermeister nicht gleich Bürgermeister ist, was Stadtverordnete machen, wie ein Haushaltsentwurf zu lesen ist, wie eine Verwaltung aufgebaut ist. Ach ja: Und was eigentlich der Landrat ist.