Ahrensburger vor Gericht. Er soll als Mitarbeiter der Aurubis AG Kommissionen aus Russland-Geschäft kassiert haben

Ahrensburg/Lübeck. Er gehörte zu den Topmanagern des größten europäischen Kupferproduzenten, der Aurubis AG in Hamburg. Er verdiente viel Geld und genoss das Vertrauen des Vorstands. Doch dieses missbrauchte er und muss sich jetzt wegen Untreue vor der Wirtschaftsstrafkammer des Lübecker Landgerichts verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Ahrensburger Lars Meyer (alle Namen geändert) vor, 1,5 Millionen Euro in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Außerdem ist der 50-Jährige wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 2,8 Millionen Euro angeklagt.

„Was hat Sie dazu bewegt?“, möchte der Vorsitzende Richter von dem Mann auf der Anklagebank wissen. „Es ging mir nicht ums Geld. Ich habe doch gut verdient“, sagt Meyer, der dem Richter beim Prozessauftakt am Dienstag eine klare Antwort auf diese Frage schuldig blieb. Dennoch legt der schlanke Mann mit dem edlen, perfekt sitzenden dunkelblauen Anzug mit Seidenkrawatte ein umfangreiches Geständnis ab.

1998, im Alter von 35 Jahren, fängt Lars Meyer bei Aurubis an. Nur drei Jahre später ist er für das Metall- und Devisengeschäft des Unternehmens verantwortlich und besitzt uneingeschränkte Prokura. Er kann eigenverantwortlich hohe zweistellige Millionenbeträge veranlassen, ohne den Vorstand einzubeziehen.

Ein enger Vertrauter des Ahrensburgers ist Bernd Hagen, der die Außenstelle des Unternehmens in Moskau leitet. „Seit 25 Jahren verbindet uns eine enge Freundschaft, die über das normale hinausgeht“, sagt Meyer vor der Wirtschaftsstrafkammer. Er hat sein Geständnis auf mehreren DIN-A-4-Seiten notiert und ließt die Worte ab.

Hagen verschafft der Hamburger Firma Verträge mit der russischen Firma MMC Norilsk Nickel, dem weltweit führenden Produzenten von Nickel und Palladium, bei dem auch Kupfer gewonnen wird. Bernd Hagen pflegt gute Kontakte zu den Russen. „Er war unser bestes Pferd im Stall“, sagt Meyer über seinen besten Freund. „Er hat das profitabelste Geschäft seit 15 Jahren für die Firma betrieben“, so Meyer.

Der Angeklagte und sein Freund streichen Kommissionen selbst ein

Das Geschäft mit der MMC Norilsk Nickel läuft über eine russische Handelsgesellschaft, die Verträge vermittelt und dafür von Aurubis Kommissionen in Millionenhöhe einstreicht. Schriftliche Verträge mit dem Vermittler gibt es nicht. „In Russland stellt man ein Geschäft nicht in Frage“, so der Angeklagte zur Begründung. Doch 2005 gibt es die Handelsgesellschaft nicht mehr. Und Meyer und Hagen schmieden einen Plan. Beide lassen die Firma künstlich am Leben und kassieren die Kommissionen ein, die Meyer weiterhin transferieren lässt.

„Das Geld haben Sie dann geteilt“, so der Staatsanwalt. Der Ankläger geht davon aus, dass seitdem 20 Millionen Euro auf das Konto der fiktiven Firma in St. Gallen (Schweiz) geflossen sind. Bernd Hagen verwaltet dieses Konto und überweist die Hälfte des Geldes auf ein Schweizer Konto von Lars Meyer.

Um den Schein zu wahren, bringt Meyer in seiner Abteilung E-Mails im Umlauf, die die Existenz der Vermittlungsfirma belegen sollen. „Ist das Controlling in der Firma nie darüber gestolpert?“, möchte der Richter wissen, der vor einem Regal von mehreren Dutzend Ordnern sitzt. „Nein“, antwortet Meyer kurz. Angst bekam er erst 2009, als dem Staat Steuer-CDs aus der Schweiz angeboten wurden. „Da wurde ich unruhig“, sagt der ehemalige Aurubis-Manager.

Sein bester Freund Hagen vermittelt ihm daraufhin einen Finanzexperten, der das Problem lösen soll. Zwar erstattet Meyer Selbstanzeige, doch diese ist fehlerhaft und auch in den Folgejahren hinterzieht er weiter Geld. Aber wegen dieser Selbstanzeige beginnt die Steuerfahndung zu ermitteln und stößt auch auf die Kommissionszahlungen. Der Aurubis-Vorstand entlässt seinen Top-Manager Anfang 2012 fristlos.

Bernd Hagen sitzt derzeit in Auslieferungshaft in der Schweiz

„Die haben mich entlassen, weil ich verschwiegen habe, dass ich die Kommissionen zur Hälfte einbehalten habe“, sagt Meyer. „Wie hätten denn die Vorstände reagiert, wenn Sie ihnen dies gesagt hätten“, fragt der Richter. Der Angeklagte schweigt, findet darauf keine Antwort.

„Ich weiß, dass mein Handeln nicht korrekt war. Aber meinem Arbeitgeber ist dadurch kein Schaden entstanden“, so Meyer. Denn Kommissionen sind in diesem Geschäft üblich. Die Staatsanwaltschaft sieht das indes anders. 1,5 Millionen Euro veruntreutes Geld könne man dem Angeklagten nachweisen.

Auch Bernd Hagen wird sich demnächst vor Gericht verantworten müssen. Er sitzt derzeit in Auslieferungshaft in der Schweiz. Geldsorgen dürften die Männern dabei nicht haben. Meyer ist heute Vorstandsmitglied eines Kupfer- und Silbererzeugers in Österreich. Für den Rohstoffeinkauf dort ist eine Frau Hagen verantwortlich.

Um ihre Freiheit müssen sich die Männer dennoch sorgen. Die Staatsanwaltschaft ließ in einem Vorgespräch bereits anklingen, dass sie derzeit ein Strafmaß von mindestens vier Jahren für Meyer sieht – genau wie das Gericht.