Jahresbericht der Awo-Beratung: Sucht und Krankheiten, aber auch Energiekosten sind Hauptgründe für Verschuldung

Bad Oldesloe. Kommt ein Mensch zur Schuldnerberatung, sind seine Schulden häufig nicht das größte Problem. „Oft sind die Schulden ein Symptom für komplexe Probleme“, sagt Ute Lehmann von der Schuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Stormarn. „Viele, die zu uns kommen, sind suchtkrank oder haben psychische Erkrankungen.“

Dies zeigt sich auch im Jahresbericht der Beratungsstelle. Aus den 516 Erstgesprächen im Jahr 2013 ergaben sich 132 Betreuungen. Die meisten Ratsuchenden, 21,2 Prozent, waren wegen Erkrankung oder Sucht verschuldet. „Wenn wir das feststellen, vermitteln wir einen Kontakt zu einer entsprechenden Beratungsstelle“, sagt Lehmann. „Denn wenn das Grundproblem nicht gelöst ist, kann unsere Arbeit nicht nachhaltig sein.“ Der Mensch werde weiter Schulden machen, um etwa seine Sucht zu finanzieren.

„Drehtürprobleme“ nennt sie das. Und wegen dieser sei der gute Kontakt zu den anderen Beratungsstellen so wichtig. „Es ist ein Geben und Nehmen. So wenden sich auch die Teams der Suchtberatungsstellen an uns. Wir pflegen den Kontakt. Vier Mal im Jahr trifft sich zum Beispiel der Arbeitskreis der Stadt Ahrensburg. Dort erfahren wir, was es für neue Angebote gibt.“ Und viele der Beratungsstellen schickten sich gegenseitig ihre Jahresberichte.

Wer in den aktuellen Jahresbericht der Awo-Schuldnerberatung schaut, sieht, dass „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ mit 20,5 Prozent auf Platz zwei der häufigsten Ursachen für Schulden steht. Ein Beispiel ist eine 25-Jährige aus Ahrensburg. Als sie im vergangenen Jahr Rat suchte, hatte sie keine abgeschlossene Berufsausbildung und wohnte mit ihrem Lebensgefährten und zwei kleinen Kindern zusammen. „Unzureichende Lebenserfahrung und mangelndes Geldverständnis waren der Grund für die Verschuldung“, heißt es im Jahresbericht. „Es gibt viele Menschen, die ihre Kontoauszüge nicht verstehen“, sagt Ute Lehmann. „Es fehlt an allgemeiner Finanzbildung. Sie haben keine Übersicht über Einnahmen und Ausgaben. Und sie gehen zu leichtfertig Verträge ein.“

Dies war auch bei der 25-jährigen Ahrensburgerin der Fall. Von ihren 3.870 Euro Schulden waren 900 Euro ausstehende Forderungen von Vertragsabschlüssen. „Ein Klassiker ist der Handyvertrag“, sagt Lehmann. „Viele lesen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht und sind dann überrascht, dass sie nicht nur die Telefonkosten zahlen müssen, sondern über die Grundgebühr auch das Handy abzahlen, von dem sie dachten, sie bekämen es kostenlos.“ Leasingverträge seien ebenfalls problematisch. „Den Menschen ist nicht bewusst, dass sie damit kein Auto erwerben.“ Generell gilt: „Langfristige Verträge sollte man nur eingehen, wenn man sicher ist, dass man sie auch langfristig bezahlen kann.“ Natürlich könne niemand mit einer fristlosen Kündigung, einem Unfall oder einer Krankheit rechnen. „Aber wenn das Einkommen einbricht, können viele nicht schnell genug gegensteuern“, sagt Lehmann.

Seit 27 Jahren gibt es die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle der AWO in Bad Oldesloe. Ute Lehmann ist von Anfang an mit dabei, seit 1987. Damals gab es 94 Anfragen. Im vergangenen Jahr waren es 516. Insgesamt zählten die Mitarbeiter in all diesen Jahren 10.050 Anfragen von Familien und Einzelpersonen sowie von Gewerbetreibenden in wirtschaftlicher Not. „Wir beobachten, dass die Menschen schneller überfordert sind“, sagt sie. „Auffällig ist, dass zunehmend Menschen mit einem Betreuer kommen.“ Ebenfalls problematisch seien die steigenden Kosten für Strom und Gas. „Wer von Hartz IV lebt, muss den Strom aus dem Regelsatz bezahlen. Und die Kosten sind enorm gestiegen. Das liegt ja nicht in der Hand der Menschen“, sagt Lehmann. Ein großes Problem seien auch Scheidungen. „Bei Trennungen mit Kindern sind häufig zügig beide pleite, weil neben den zwei Haushalten auch Unterhalt gezahlt werden muss.“

Im vergangenen Jahr lag die durchschnittliche Höhe der Schulden bei 38.880,04 Euro. Die Schuldenlast pro Schuldner ist zu dem Vorjahr leicht gesunken. Die meisten Anfragen kamen aus Bad Oldesloe (145) und Ahrensburg (71) gefolgt von Bargteheide (46). Das liegt wohl auch daran, dass es neben der Beratungsstelle in Oldesloe (Berliner Ring 12) auch regelmäßige Sprechstunden gibt in Ahrensburg (Manhagener Allee 17) und im Bargteheider Rathaus (Rathausstraße 26). In den vergangenen Jahren waren die meisten Ratsuchenden, immer um die 40 Prozent, zwischen 41 und 55 Jahre alt. „Aber wir gehen auch an Schulklassen und auf die Jobmesse in Bargteheide, um frühzeitig anzusetzen“, so Lehmann.

Welche Tipps sie gebe? „Verträge nicht zu schnell abschließen, immer erst in Ruhe zu Hause lesen und sie verstehen! Möglichst nicht mit Karte bezahlen. 300 Euro mit Kreditkarte fühlt sich nach weniger an, als wenn ich sechs 50-Euro-Scheine weggebe! Geld wöchentlich abheben und nicht am Monatsanfang den ganzen Betrag für den Monat! Und eine Aufstellung machen: Wie viel gebe ich aus? Wo kann ich sparen? Wie viel Geld brauche ich, um meine Kosten zu decken? Dabei kann ein Haushaltsbuch helfen.“