Bei der ersten Hauptversammlung in der Grönwohlder Hausbrauerei geht es alles andere als bierernst zu

Grönwohld. Vor dem Tresen stehen Menschen in mehreren Reihen geduldig an. Andere lehnen an Bistrotischen mit Biergläsern in der Hand, klönen, lachen. Im Obergeschoss stehen Partytische und Sitzbänke. Darauf hocken junge und ältere Besucher und stecken die Köpfe zusammen. An der Decke ziehen sich grün-weiße Wimpelgirlanden durch den Raum. Eine große, gesellige Runde in einer Dorfkneipe, das könnte der Beobachter denken. Doch in in Wirklichkeit handelt es sich um Szenen einer Aktionärsversammlung. Genauer gesagt: der ersten Hauptversammlung der Aktionäre der Grönwohlder Hausbrauerei.

Vor etwas mehr als einem Jahr hatte Brauereichef Torsten Schumacher die Idee, eine Bier-Aktie anzubieten (das Abendblatt berichtete). Für eine dreijährige Einlage von 1000 Euro bekommen die Anleger jährlich eine Dividende von 100 Euro – ausgezahlt in Bier. Zudem veranstaltet Torsten Schumacher einmal im Jahr die Aktionärsversammlung, bei der es neben den Neuigkeiten aus dem Betrieb natürlich auch hauseigenes Freibier geben muss. Sechs Sorten – von Pils (4,8 Volumenprozent Alkohol) über Dunkelbier (4,8) bis Bockbier (6,8) – hat Schumacher mittlerweile im Sortiment. Zudem sind Schnäpse im Angebot, darunter ein Bierbrand.

65 Aktionäre und 25 weitere Gäste0 haben sich für die erste Hauptversammlung angemeldet. Und sie haben Durst mitgebracht. Am Ende des Abends werden mehrere Hunderte Liter Gerstensaft aus dem Zapfhähnen gesprudelt und in die Kehlen der Besucher geflossen sein. Brauerei-Chef Schumacher wollte das Treffen ursprünglich um 20 Uhr beenden. Die gute Stimmung veranlasst ihn dazu, seine Aktionäre erst um 22 Uhr nach Hause zu schicken. „Das war klasse“, sagt er.

Das finden auch die Aktionäre. Wie Klaas Vogt und seine Frau Stefanie aus Hamburg, die sich den Tisch mit dem Lübecker Dieter Ewers teilen und sofort ins Gespräch kommen. „Das ist nett hier, und das Bier schmeckt gut“, sagt Vogt. Das sei auch der Grund gewesen, warum er als einer der ersten eine Aktie der kleinen Brauerei gezeichnet hat. „Ich finde es zudem gut, dass es eine Privatbrauerei ist, die auf diese Weise unterstützt wird.“

Mittlerweile hat Schumacher 164 Aktionäre. Die meisten wollen, wie Aktionär Raymond Fürst aus Wedel (Kreis Pinneberg) es formuliert, „die lokale Wirtschaft unterstützen“. Der Großteil der Anleger kommt aus Schleswig-Holstein und Hamburg. Doch auch über die Grenzen Norddeutschlands hinaus hat das Bier aus dem 1400-Einwohner-Dorf Fans. Schumacher: „Ein Aktionär kommt regelmäßig aus Kaiserslautern und ein anderer aus Berlin, um sich ihre Dividende bei uns in Grönwohld abzuholen.“ Und so wie der Unternehmer bei diesem Satz grinst, ist auch eine Spur Stolz zu spüren.

Die Idee zur Bier-Aktie war ursprünglich nämlich aus der Not entstanden. „Versuchen Sie mal als kleiner Gründerbetrieb bei einer Bank nach Geld zu fragen“, sagt Schumacher, „das hat gar keinen Zweck.“ Also entschloss sich der 45-Jährige, die Kunden „mit ins Boot zu holen“.

Was er mit dem Geld gemacht hat, präsentiert der Grönwohlder nun seinen Investoren. Während die Gäste ihr zweites oder drittes Bier probieren, klettert Schumacher auf einen umgedrehten Bierkasten. Dann steckt er Zeigefinger und Daumen zwischen die Lippen und pfeift die versammelte Mannschaft zur Ruhe. „Wir konnten viele Neuerungen und Verbesserungen in der Brauerei umsetzen und trotzdem fast alle Kredite tilgen“, ruft der Brauereichef über die Köpfe. „Dafür und für euer Vertrauen in die Grönwohlder Hausbrauerei will ich euch allen danken!“

Seit er die Aktie eingeführt hat, ist in der Tat einiges passiert in den kleinen Hallen an der Poststraße. Einen neuen Gärraum hat Torsten Schumacher bauen lassen. Das Sudhaus (Produktionsort der Bierwürze) und der Abfüllraum wurden umgebaut. Im vergangenen Jahr wurden 350.000 Liter Grönwohlder, das auch in einigen Supermärkten in Stormarn und Hamburg verkauft wird, produziert. Es war ein gutes Jahr für Unternehmer und Aktionäre. Darauf ein „Prost“.