Alaleh Raji hält in Reinbek medizinische Vorträge und tritt nebenbei als Sängerin auf

Reinbek. Es gibt viele Veranstaltungen im Reinbeker Schloss, kaum aber eine zweite mit einer solch überraschenden Kombination. Am Sonnabend, 12. April, informieren die Neurologin Alaleh Raji und ihr Kollege Gerhard Winkler in zwei Vorträgen darüber, welche Ursachen und Folgen Hirnleistungsstörungen haben können und wie man sich davor schützen kann. Überraschend ist die kulturelle Ergänzung des Abends: Frau Dr. Raji wird sich umziehen, erneut die Bühne betreten und singen – eigene Lieder und Coverversionen vertrauter Songs wie „Autumn Leaves“, „Blowin’ in the Wind“ und „Bei mir bist du schön“.

„Ich habe das mit dem Konzert erstmals 2011 gewagt. Es hat sich gezeigt, dass sich die Musik als Kontrastprogramm zu den Vorträgen besonders gut zur Entspannung der Zuhörer eignet. Es gefällt dem Publikum. Und die Seriosität der Medizin hat nicht gelitten – niemand hält mich deswegen für weniger kompetent in ärztlichen Fragen“, sagt Alaleh Raji.

Bei ihr von einer Doppelbegabung zu sprechen, wäre fast untertrieben. Die 40-Jährige praktiziert am Neurozentrum Hamburg in Bergedorf und in der Neuro-Kardiologischen Praxis am Gorch-Fock-Wall 1. Sie forscht und publiziert seit ihrer Dissertation im Jahr 2000 über Multiple Sklerose. Sie lehrt am Fachbereich Life Sciences an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Bergedorf.

Und daneben pflegt sie ihre Leidenschaft für die Musik, die während des Studiums zu kurz gekommen war. „Ich habe erst 2007 wieder mit der Musik angefangen und seither einige Gesangslehrer verschlissen“, sagt sie und lächelt. „Aber das ist auch nicht untypisch. Nach ein paar Jahren geht’s nicht weiter, und dann muss man wieder wechseln, wenn man etwas Neues lernen will. Und das möchte ich ständig.“

Alaleh Raji wurde in Teheran geboren. Als sie 13 Jahre alt war, hat sie mit ihrer Familie den Iran verlassen. Um die Verhältnisse dort zu beschreiben, wählt sie ein bezeichnendes Bild: „Ich habe Musik immer geliebt und als Sechsjährige begonnen, an einem Keyboard zu lernen. Doch irgendwann wurde Musik verboten und meine Musikschule geschlossen.“

Alaleh Raji hat in ihrer Kindheit erlebt, wie sehr äußere Umstände das eigene Schicksal bestimmen können. Sie hat daraus gelernt: „Auch in Deutschland werden Frauen oft unterdrückt, aber das geschieht subtiler. Doch es gibt einen gravierenden Unterschied: Frauen können hier etwas erreichen, wenn sie wissen, was sie wollen, und sich anstrengen. Im Iran hätte ich diese Chance nicht gehabt.“

Der Anfang in Deutschland war hart für Alaleh Raji. Sie startete in der 6. Klasse, musste Deutsch lernen und nebenbei auch noch den Rückstand in Englisch und Latein aufholen. „Aber ich wurde versetzt“, sagt sie stolz und erzählt, dass sie Medizinerin werden wollte, seit sie mit acht Jahren erleben musste, dass ihre Großmutter an einem Hirntumor starb. Als Ärztin geht es ihr nicht um Reparaturmedizin, sondern wesentlich um Vorbeugung. Hier sieht sie Nachholbedarf: „Wir müssen in unserer Praxis oft die gleichen Fragen beantworten. 20 von 25 Patienten kommen wegen Durchblutungs- und Hirnleistungsstörungen – das sind Volkskrankheiten.“ Deshalb hat sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Gerhard Winkler die Vortragsreihe initiiert, mit der die beiden in Hamburg und im östlichen Umland auftreten.

Musik ist für sie eine andere Facette ihrer Persönlichkeit – und zwar eine, in die sie viel Geld und Zeit investiert. „Oft finde ich erst nach neun oder zehn Stunden Zeit für Gesangsübungen und das Klavierspielen“, erzählt Alaleh Raji. Sie hat zwei selbst finanzierte und produzierte CDs herausgebracht. Für die Arrangements und die instrumentelle Begleitung holte sie sich Profi-Musiker, zum Beispiel den Schotten Ian Cussick, der in den 70er-Jahren als Sänger der Band Lake bekannt wurde.

Wichtig ist Alaleh Raji, dass sie in der Musik eine eigene Stimme findet. Das schafft sie mit Songs, die Brücken zwischen den Kulturen bilden. In ihren Kompositionen verbindet sie traditionelle persische Lieder und Melodien mit Lebensgefühl und Instrumentierung westlicher Popsongs. Der Titel eines ihrer Lieder könnte Alaleh Rajis Motto sein: „Music is my Home“ – Musik ist meine Heimat.