Neue Initiative führt schon kleine Kinder an Gesang und Instrumente heran. Bund fördert das Projekt

Bargteheide. „Wir sind die kinderfreundlichste Stadt.“ Eine selbstbewusste Aussage, getroffen von Henning Görtz, als er vor sechs Jahren gerade zum Bürgermeister von Bargteheide gewählt worden war. Das Etikett ist weder geschützt noch objektiv überprüfbar. Aber dass es nicht bei schönen Worten bleibt, zeigt die Gründung einer neuen Initiative, die in Schleswig-Holstein ihresgleichen sucht: Die Stadtmusikanten halten in Bargteheide Einzug.

So wie es Hahn, Katze, Hund und der gar nicht so dumme Esel in der Märchenwelt nur zusammen schaffen, ist auch die Bargteheider Variante dieses Modells auf Gemeinsamkeit angelegt: 13 Institutionen der Stadt machen mit. Ihr Ziel: möglichst vielen Kindern aller Schichten den Zugang zur musikalischen Bildung zu ermöglichen.

Die Bargteheider Initiative ist eine von rund 300, die unter dem Dach des bundesweiten Programms „Anschwung für frühe Chancen“ entstanden sind – ein Programm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Der Anschwung für die Bargteheider Initiative kam hingegen von einer Frau, die schon oft bewiesen hat, dass sie eine Sache befördern kann: Hella Lorberg.

Hella Lorberg schreibt „Spenderbriefe“ an Firmen und Stiftungen

Sie war es, die mit Beharrlichkeit und dem nötigen Schwung dafür gesorgt hat, dass im Bargteheider Stadthaus nun ein neuer Flügel steht. Und sie war es auch, die dafür begeistern konnte, den Flügel für das Kopernikus Gymnasium überholen zu lassen. „Unser Flügel braucht eine Kur“ hieß das Motto des Projektes, bei dem so viele mitmachten, dass die benötigten 10.000 Euro zusammenkamen. Jetzt braucht die Bargteheiderin wieder Geld – diesmal für die ganz Kleinen.

Die ersten 500 Euro sind schon eingegangen, gespendet von den Rotariern. „Das hat Bürgermeister Henning Görtz angeschoben“, sagt Hella Lorberg. Auch wenn von der Stadt selbst keine finanzielle Unterstützung komme, sagt sie: „Dass der Bürgermeister seine Freunde in Stellung bringt, ist sehr in Ordnung.“ Die Bargteheiderin hofft, dass auch die Lions und viele andere nachziehen werden. Die 500 Euro seien ein schöner Anfang, mehr aber auch nicht.

Die Initiative plant Konzerte für Kinder und Familien, Vorträge und zusätzlichen Unterricht in den Schulen. Auch ein Instrumentenpool soll geschaffen werden, damit Kinder aus ärmeren Familien die Chance zum Musizieren erhalten. Lorberg: „Wir sind im Aufbau und nehmen alles.“ In manchen Häusern lägen vielleicht Instrumente ungenutzt in der Ecke.

Alle Aktivitäten müssen finanziert werden – und zwar ausschließlich über Spenden. Einen städtischen Etat gibt es nicht. Damit die Stadtmusikanten richtig loslegen können, müssen sie also zunächst für sich werben und das Netzwerk bekannt machen. Das soll auch digital vonstatten gehen. „Wir lassen eine Website erstellen“, sagt Lorberg. „Dafür werden die ersten echten Kosten auf uns zukommen.“

In bewährter Manier schreibt die 76-Jährige gerade fleißig „Spenderbriefe“, wie sie es nennt. Die Post geht unter anderem an die Sparkassenstiftung, an die Kulturstiftung der Sparkasse, die Bürgerstiftung und auch an die Robert-Bosch-Stiftung. „Die fördern musikalische Programme für Kinder ab zwei Jahren. Genau das, was wir brauchen“, sagt Lorberg.

Auch bei Bargteheider Firmen wird sie vorstellig. Dort wählt Hella Lorberg zusätzlich den direkten Weg und ruft an. „Manche lachen schon und sagen: Na, wie viel wollen sie diesmal haben.“ Die Bargteheiderin hat sich beim Fundraising einen Namen gemacht – auch als sie in der Kantorei der evangelischen Kirche mitsang und sich 16 Jahre als Vorsitzende des Fördervereins engagierte.

Das neue Projekt liegt ihr besonders am Herzen. „Frühkindliche musikalische Förderung ist so wichtig für die Entwicklung“, sagt die Bargteheiderin. Sie ist schon lange begeistert von den Kinderkonzerten, die Natalie Morrison im Stadthaus gibt. „Aber ein Konzert allein bringt es nicht“, sagt Hella Lorberg. Als sie vom Programm des Bundesfamilienministeriums erfuhr, wurde sie daher sofort aktiv.

Natalie Morrison ist bei der Initiative mit dabei. „Die Eltern möchten gern, dass Kinder Konzerte hören. Aber man muss etwas tun, dass sie da hineinwachsen“, sagt die Pianistin. „Ohne Frau Lorberg würde gar nichts laufen. Sie möchte den Kindern etwas Schönes bieten.“ Das Besondere: Bei den geplanten Konzerten für Kinder sollen drei Künste zusammenkommen: die Musik, die Literatur und die Malerei.

Mit Natalie Morisson ist auch das gesamte Musische Forum Mitglied im Netzwerk. Der Kinderschutzbund, vier Kindertagesstätten, die evangelische Kirche, die Grundschulen und die städtische Musikschule arbeiten ebenfalls mit. Um alle unter einen Hut zu kriegen und gute Konzepte zu erstellen, braucht es nicht nur Geld, sondern auch Know-how. Dafür sorgt das Bundesfamilienministerium. Es wird beim Start des neuen Netzwerkes helfen und die Initiative mit Seminaren und Fortbildungen beim Aufbau effektiver Strukturen unterstützen.

Kieler Marketingexpertin berät die Bargteheider in der Startphase

Die Kieler Marketingexpertin und Strategieentwicklerin Annette Jagla wird die Bargteheider beraten. „Sie steht uns in der Anfangsphase 60 Stunden zur Verfügung“, sagt Lorberg und fügt hinzu: „Keine der 300 Initiativen, die bisher entstanden sind, hat wie wir die Musik zum Hauptthema gemacht. Das ist ein Novum.“

Claudia Sievers, Konrektorin der Carl-Orff-Schule, sieht noch weitere positive Aspekte. „Wer singt, hat nie schlechte Laune“, sagt sie. Man atme richtig. Der Geist werde frei. „Aber an den Schulen gibt es immer weniger Musikunterricht“, sagt Sievers – an ihrer Grundschule gerade einmal eine Stunde in der Woche. Dass die Stadtmusikanten kommen, sei daher ein wichtiger Schritt, sagt die Pädagogin, die nun wie die anderen beteiligten Grundschullehrer zusätzlich zu Konferenzen auch noch für das neue Netzwerk am Nachmittag tagen wird. Sievers: „Dafür gebe ich meine Freizeit gern.“