Elf Männer aus Mali ziehen heute in ein Gemeindehaus. Sie wurden in Sachsen-Anhalt auch von Rechtsradikalen verfolgt

Reinbek. Sie sind vor Folter und Krieg aus ihrem Heimatland geflüchtet und begegneten Fremdenfeindlichkeit und Hass in dem Land, in dem sie eigentlich Schutz suchten. Flüchtlinge aus Mali mussten bereits zweimal um ihr Leben bangen und hoffen nun, ohne Angst in Reinbek leben zu können. Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Reinbek-West nimmt elf junge Männer aus dem westafrikanischen Staat auf. „Wir räumen derzeit ein Haus an unserer Kirche für die Flüchtlinge um“, sagt Pastorin Barbara Schöneberg-Bohl. An der Nathan-Söderblom-Kirche sollen die Afrikaner zunächst wohnen und betreut werden.

Vor mehr als einem Jahr begann die Tortur für die Männer aus Mali, die ihre Heimat verlassen mussten, nachdem islamistische Rebellen ihre Dörfer stürmten. Ihr Weg in die Freiheit führte sie über Umwege nach Deutschland. Hierzulande angekommen, schickte sie die Bundeszentralstelle für Flüchtlinge in unterschiedliche Einrichtungen nach Sachsen-Anhalt. Doch den erhofften Frieden fanden die jungen Afrikaner dort nicht. „Sie sind alles andere als freundlich aufgenommen worden“, sagt Ingo Werth, der sich später in Hamburg um 20 dieser Flüchtlinge kümmerte und die Geschichte der Männer gut kennt. „Nazibanden haben sie immer wieder auf der Straße angegriffen. Hunde wurden auf sie gehetzt und Rechtsradikale bewarfen sie mit Feuerwerkskörpern“, sagt Werth. Auch der Staatsschutz ermittelte mehrfach gegen Neonazis. Beispielsweise nachdem ein Flüchtling im Juni mit schweren Gesichtsverletzungen vor einem Asylbewerberheim im Landkreis Wittenberg gefunden wurde und auf der Intensivstation eines Krankenhauses behandelt werden musste.

Für die Menschen, die vor Folter und Gewalt geflüchtet waren begann erneut die Angst ums eigene Leben. „Die Männer haben sich nicht mehr aus der Unterkunft getraut“, so Werth. Deswegen mussten sie erneut flüchten. Mit einem Zug kamen sie im September nach Hamburg. Doch die Behörden in der Hansestadt waren nicht für die Männer aus Mali zuständig, sondern der Landkreis in Sachsen-Anhalt. Deswegen konnten sie seitens der Behörden keinerlei Hilfe erwarten.

Der Unterstützerkreis „Fluchtpunkt Bergedorf" hilft den Afrikanern

Doch über ein Netzwerk aus freiwilligen Helfern, die sich um Flüchtlinge kümmern, bekamen die Afrikaner Hilfe und landeten schließlich im Hamburger Stadtteil Bergedorf. Bürger, Vereine und Betriebe gründeten daraufhin den Unterstützerkreis „Fluchtpunkt Bergedorf“, in dem sich auch Ingo Werth engagiert. Und so konnten die Flüchtlinge in unterschiedlichen Einrichtungen oder auch bei Privatpersonen leben. „Wir haben sie durch den Winter gebracht“, sagt der engagierte Hamburger.

Die Initiative finanziert sich durch Spendengeld. „Wir haben dafür gesorgt, dass die Männer etwas zu essen bekommen und sie auch an Ärzte vermittelt, die kostenlos Flüchtlinge behandeln“, so Werth, der von einem großen Netzwerk spricht. Beispielsweise organisierte die Initiative gemeinsam mit dem Verein „Bergedorfer für Völkerverständigung“ vor wenigen Wochen ein Benefizkonzert in einer Bergedorfer Kirche. „Das war ein voller Erfolg. Etwa 350 Besucher sind gekommen“, so Werth.

Reinbeker Kirche folgt Appell von Bischöfin Kirsten Fehrs

Weil ein Großteil der Unterkünfte für die Afrikaner nur bis zum 31. März befristet war, musste für die malischen Flüchtlinge eine neue Bleibe gefunden werden. So entschied die Reinbeker Kirchengemeinde, elf Menschen aufzunehmen. Die Gemeinde im Süden Stormarns folgt damit einer Aufforderung von Bischöfin Kirsten Fehrs, die zuvor an alle evangelischen Kirchengemeinden appelliert hatte, Unterkünfte für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.

„Unsere Arbeit hört mit dem Umzug der Flüchtlinge nach Reinbek aber nicht auf“, so Ingo Werth. Die Mitglieder von „Fluchtpunkt Bergedorf“ wollen die Männer aus Mali weiterhin betreuen und ihnen zum Beispiel bei Behördengängen und im alltäglichen Leben helfen. Dabei wollen die Helfer eins verhindern: Dass die Flüchtlinge wieder nach Sachsen-Anhalt geschickt werden. Denn rechtlich haben sie als Asylbewerber dort eine sogenannte Residenzpflicht. Ferner setzt sich der Unterstützerkreis dafür ein, dass die Kriegsflüchtlinge dauerhaft in Deutschland bleiben können.