Die Franks aus Großhansdorf haben viele – teils selbst verschuldete – Probleme. Ein tägliches Spießrutenlaufen

Großhansdorf. In Großhansdorf, einer der reichsten Gemeinden der Republik, reihen sich große an größere, schöne an schönere Häuser. Eingerahmt ist die Wohnidylle mit den hübschen Vorgärten von dichten Wäldern. Corinna und Dirk Frank leben gern hier. Eigentlich. Denn inmitten all des Wohlstands wiegt Armut noch schwerer als ohnehin schon. Und dass ihr Leben mit dem der meisten Großhansdorfer nichts gemein hat, das spürt das Ehepaar täglich. Dirk Frank ist spielsüchtig, abhängig von Drogen und Alkohol. Und, wie seine Ehefrau, arbeitslos. Doch für ihre vier Kinder, ein bis vier Jahre alt, kämpfen die Eltern gegen Sucht, Armut und Abweisung.

Der Kampf ist nicht immer leicht. „Wir brauchen dringend einen Lichtblick“, sagt Corinna Frank. Mit einer schnellen Bewegung wischt sich die 42-Jährige mit dem Handrücken die Tränen weg. Eine neue Bleibe für die Familie, das wäre so ein Lichtblick, sagt sie. Seit mehr als zwei Jahren suchen Dirk und Corinna Frank nach einem Haus oder einer Wohnung. Mit 87 Quadratmetern ist ihre zweigeschossige Wohnung zu klein. Als die Zwillinge Lukas und Mia auf die Welt gekommen sind, hat das Ehepaar sein Zimmer für die Kleinen geräumt. Sie schlafen seitdem im Wohnzimmer. „Das ist allerdings nicht das eigentliche Übel“, sagt Dirk Frank. Es ist die Mängelliste der Wohnung, die den Familienvater besorgt. „Die Wohnung ist feucht, die Fensterbänke sind lose, die Heizung in einem der Kinderzimmer ist defekt, und wenn es stark regnet, fließt Schmutzwasser aus dem Abfluss in die Badewanne“, sagt der 39-Jährige.

Seit etwa einem Jahr hat die Familie Frank einen Mitstreiter bei ihrem Kampf: Bürgermeister Janhinnerk Voß. Er hilft bei der Wohnungssuche und hat dafür gesorgt, dass der Schimmel aus dem Zimmer der Zwillinge professionell entfernt wurde. „Sie sind so bemüht, ihre Lage in den Griff zu bekommen. Sie haben Unterstützung verdient“, sagt der Großhansdorfer Verwaltungschef zu seiner Motivation. Und fügt hinzu: „Es tut gut, sich mal um wirkliche Probleme zu kümmern.“ Doch bei der Wohnungssuche stößt auch Voß an seine Grenzen: „Es ist ein generelles Problem, dass viele Vermieter dicht machen, sobald die Worte Flüchtlinge oder Hartz IV fallen.“

Dirk Frank ist seit 14 Jahren abhängig von Alkohol und anderen Drogen

Dirk Frank senkt den Kopf. „Ich schäme mich, dass ich nicht arbeiten gehen kann.“ Die Probleme des Familienvaters fingen zur Jahrtausendwende an. Ein Schicksalschlag warf den Maler völlig aus der Bahn. „Ich habe angefangen, exzessiv zu trinken und Drogen zu nehmen“, sagt er. 2006 lernte er seine Ehefrau kennen. „Sie hat mich gerettet“, sagt Dirk Frank. Mehrere Entzüge hat der Mann mit den feinen Lachfältchen um Augen und Mund seitdem durchgestanden. „Es wird immer besser“, sagt Corinna Frank. Doch so ganz schaffe ihr Mann es nicht mit der Abstinenz. „Er hat es auch immer wieder mit Jobs versucht, aber es hat nie lange geklappt“, sagt Corinna Frank. Eine stationäre Therapie könnte Dirk Frank helfen, seine Süchte endgültig in den Griff zubekommen. „Dann wäre ich aber ein halbes Jahr weg“, sagt er, „so lange kann ich meine Frau mit den ganzen Problemen und Sorgen doch nicht allein lassen.“ Eine Zwickmühle. „Ich würde es nicht schaffen“, bestätigt Corinna Frank die Bedenken ihres Mannes. Nicht mal gegenseitige Besuche wären möglich, weil das Geld fehlt.

Nachdem die Miete gezahlt ist, bleiben der sechsköpfigen Familie 1500 Euro im Monat. Was für ihre Nachbarn selbstverständlich ist, ist für die Franks Luxus. Luxus, den sie sich nicht leiten können. „Wir können unseren Kindern nicht mal einen Ausflug in den Zoo oder an die Ostsee bieten“, sagt Corinna Frank bitter. Im Urlaub waren sie noch nie. Keine Friseurbesuche, keine schönen Kleider – höchstens eine Zeitschrift gönne sich seine Frau, sagt Dirk Frank. Selten, versteht sich. „Wenn mal etwas Geld übrig bleibt, geben wir es für die Kinder aus“, sagt sie. Die Einkäufe für den Sechspersonenhaushalt erledigen Dirk und Corinna Frank zu Fuß. So wie auch die unzähligen Krankenhausbesuche der vergangenen Monate. „Die Zwillinge waren im ersten Jahr fast alle zwei Wochen schwer krank“, sagt Corinna Frank. Sie selbst sei aufgrund des Stresses am Ende ihre Kräfte. Kürzlich sei sie zusammengebrochen. „Ich konnte geschlagene drei Stunden nicht aufhören, hysterisch zu weinen.“

Auch Dirk Frank ist mitgenommen. Bei einer Turnstunde seiner ältesten Tochter Leonie, 4, hätte er fast die Beherrschung verloren, erzählt er. Es war ein Probetraining. „Es hat meiner Tochter so gut gefallen, und sie wollte gern weitermachen“, sagt er. „Nachdem ich mit der Trainerin gesprochen hatte, rief sie mir nach, dass ich ja wissen müsste, wo die Anträge für die Hartz-IV-Empfänger liegen.“ Die anderen Eltern und Kinder hätten jedes Wort gehört. „Schlimm, dass die Diskriminierung nicht mal vor den Kindern haltmacht“, sagt er. Neu sei das aber nicht für die Familie. Die älteste Tochter sei schon öfter mit Kita-Kindern verabredet gewesen. Verabredungen, die kurz darauf von deren Eltern abgesagt worden seien. „Einige Male haben wir die Kinder dann mit anderen spielen sehen.“

Dass sie Fehler gemacht haben, die zu ihrer Situation geführt haben, das räumt das Ehepaar ein. „Wir wünschen uns eine zweite Chance“, sagt Corinna Frank. Das größere und schönere Haus müsse es gar nicht sein, sagen sie, nicht der Job mit der dicken Gehaltsabrechnung am Ende des Monats. Ein bisschen Glück würde ihnen reichen, sagt Corinna Frank und fügt hinzu: „Wir wollen doch nur mit unseren Kindern ein schönes Leben führen.“