Der Ahrensburger Willi Suhl bekam fünf Bypässe. Nun kommt sein Fall ins Fernsehen, damit andere daraus lernen

Ahrensburg. Willi Suhl fasst sich ans Herz. Ja. Jetzt schlägt es wieder ruhig und gleichmäßig. Es hätte nicht viel gefehlt und es wäre ganz anders für ihn ausgegangen. Dreieinhalb Stunden lag er in der Hamburger Asklepios Klinik in St. Georg auf dem Operationstisch. Seine Rippen mussten gebrochen werden. Sein Herz wurde ihm aus dem Brustkorb genommen. „Die haben mich quasi totgelegt“, sagt der Ahrensburger.

So war’s. Die Herz-Lungen-Maschine musste während der OP für ihn arbeiten. Es ging nicht mehr anders. Fünf Herzkranzgefäße waren dicht. Durch Ablagerungen zugewachsen. Und er hatte nichts davon gemerkt. Keine Schmerzen. Der 72-Jährige dachte bis zum Schluss, er könnte Bäume ausreißen. „Ja, wirklich. Ich fühlte mich topfit.“ Ein trügerisches Gefühl.

Während einer Routine-Untersuchung schwang sich Willi Suhl für das Belastungs-EKG aufs Fahrrad und legte los. So wie sonst im Straßenverkehr. Er wollte zeigen, was er kann. 70 Watt. Kein Problem. Als er auf 100 ging, kam das Warnsignal. „Aufhören. Stopp.“ Das Belastungs-EKG wurde abgebrochen. Vorhofflimmern hatte eingesetzt. Sein Herz war völlig aus dem Takt geraten.

Die Dramatik der vergangenen Wochen ist nicht vergessen. „Ich bin froh, dass ich es überstanden habe“, sagt der frühere Baggerfahrer. Dass er jetzt in der Reha-Klinik in Bad Segeberg mit dem Rollator unterwegs ist, darüber kann er lachen. „Ich mach’ gern mal einen Spruch. Das lockert auf“, sagt Willi Suhl, der eigentlich gar nicht operiert werden wollte. Als er nach dem Datum der OP gefragt wird, hält er die Hände vors Gesicht. Keiner soll seine Tränen sehen. Er wurde am 24. Februar operiert. Kurz vorher, am 8. Dezember, war seine Frau gestorben.

Die verstopften Herzkranzgefäße wurden durch Brustarterien ersetzt

„Mir war alles so egal. Wofür sollte ich mich operieren lassen?“ Die Trauer überwältigt Willi Suhl auch heute noch. Aber jetzt durchströmt ihn auch ein anderes Gefühl. „Ich freue mich. Es geht mir gut“, sagt der 72-Jährige, wie er so durch die Gänge der Reha-Klinik geht. Langsam. Aber stetig voran. Seine verstopften Herzkrankgefäße sind jetzt durch fünf Bypässe überbrückt – mit Teilen der Brustarterien, die dicker sind als Bein-Venen und den Druck des Blutes besser aushalten. Der Ahrensburger hatte Glück.

„Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Deutschland nach wie vor die Todesursache Nummer eins“, sagt Oberärztin Dr.Ronja Westphal, die sich am Segeberger Herzzentrum um die Reha-Patienten wie Willi Suhl kümmert. Die Tatsache, dass der Ahrensburger nichts von seinem bedrohlichen Gesundheitszustand ahnte, sei nicht ungewöhnlich und dafür umso gefährlicher. Das trügerische Gefühl, es wäre alles in Ordnung, nur weil man keine Schmerzen fühle, erhöhe das Risiko für einen Infarkt. Besonders betroffen seien Diabetiker, deren Nerven geschädigt sind. „Diese Patienten müssen wissen, dass die Schmerzübertragung nicht mehr richtig funktioniert", sagt Oberärztin Dr. Westphal, die zugleich Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation ist.

Nach der Operation muss Willi Suhl jetzt das Atmen wieder lernen

Auch der Ahrensburger Willi Suhl ist Diabetiker. „Ich weiß das und habe meine Ernährung schon lange umgestellt. Fettarm“, sagt er wissend. Aber dass er möglicherweise wegen der Diabetes kein Ziehen in der Brust gespürt hat, wusste er nicht. Auch nicht, dass völlig fettfreies Braten möglich ist. Die Fachärztin hat da einen Tipp: „Sie können Mineralwasser nehmen. Das Fleisch wird genauso kross.“

Willi Suhl lernt viel während der Reha. Auch Dinge, von denen er geglaubt hatte, er könne sie schon: atmen. „Einatmen durch die Nase. Das geht tiefer“, sagt Dr. Westphal. „Gerade nach einer Bypass-Operation ist das wichtig.“ Die Lunge von Willi Suhl war während der OP abgestellt, zusammengefallen. Sie ist verschleimt. Sie muss wieder aktiviert werden. „Und die richtige Haltung ist wichtig“, sagt die Ärztin und schaut zu Willi Suhl, der sich sofort aufrichtet, um den lädierten Brustkorb bei der Heilung der Rippen zu entlasten und die Atmung zu erleichtern. Er hatte von seiner Krankheit nichts gespürt. Nun tut schon tief atmen weh. Willi Suhl nimmt das alles in Kauf.

Morgens um 6 Uhr aufstehen. Dann das ganze Programm im Dreiviertelstunden-Takt: Atemtherapie, Inhalation, Gymnastik, Ergometrie. Nur der Sonntag ist frei. Eine Woche hat Willi Suhl hinter sich. Ende März wird er entlassen. Er bereitet sich gut darauf vor.

„Jetzt fängt die eigentliche Arbeit an“, sagt Dr. Westphal. Der Bypass bekämpfe die Symptome, löse aber das Problem nicht. Ablagerungen in den Blutgefäßen seien meist körpereigene Stoffe. Es gelte, mit der richtigen Lebensweise das Gleichgewicht zu halten und für den Abtransport von Cholesterin, Calcium oder anderen Stoffen zu sorgen. „Stress kann das negativ beeinflussen. Auch emotionaler Stress “, sagt die Ärztin. Der Ahrensburger nickt. Er hat seine Frau gepflegt, bis zu ihrem Tod. Es ist gut, dass er trotzdem die fröhliche Seite sehen kann. Als das Fernsehen anfragte, ob sie seine Operation filmen dürften, habe er sofort Ja gesagt. „Klar, da wusste ich, dass die anständig arbeiten“, sagt er und lacht.

Lachen kann der gelernte Geldschrank- und Tresorbauer auch über die Olsenbande. „Aber so einen Tresor kann man nicht knacken. Das kann ich mir nicht vorstellen“. Noch weniger hat er geglaubt, dass Ärzte sein Herz in die Hand nehmen und wieder heil machen können. Er ist dankbar dafür.