Eine Glosse von Evelina Berger

Einen Schlips zu tragen ist unter vielen Umständen normal. Bei der Arbeit macht er einen seriösen Eindruck, beim After-Work-Drink wirkt er eventuell sogar anziehend auf das weibliche Umfeld. Trüge ein Herr seinen Schlips allerdings auf einem Heavy-Metal-Konzert, würden sich einige Mitmenschen sehr über ihn wundern. Bestimmt würden sie ihn sogar auf unmissverständliche Weise auf seinen modischen Fauxpas hinweisen.

Nun wundert es aber offensichtlich niemanden, wenn einige Menschen bei den ersten Sonnenstrahlen in unseren nordischen Gefilden in Flip-Flops, T-Shirt und kurzer Hose durch die Gegend laufen – ganz so, als ob es die Gänsehaut, die jedermann auf ihren Armen und Beinen sehen kann, nicht gäbe. Die frühlingshaften Temperaturen veranlassen sie wohl dazu, ihren Schrank auf der Suche nach Sommermode blind von Sonnenblendung zu plündern. Dabei ist völlig egal, dass die Kleidungsstücke aus dem Vorjahr wieder out sind und die meisten Leute bei roten Hosen nur noch Rot sehen.

Hilflos stehen die in Schal und Mantel eingepackten Vernünftigen nun da. Denn sie wissen, dass die modischen Entgleisungen schon bald schlimme Konsequenzen haben. Sie sehen die nächste Erkältungswelle über sich hereinbrechen, sehen sich mit dichter Nase und dickem Kopf, sehen Rot. Auf den Schlips getreten muss sich deswegen aber trotzdem niemand fühlen.