Wie Caroline Dibbern ihre Aufgabe im Kleinen Theater Bargteheide mit Unterstützung von Angela Kross meistert

Bargteheide. Mit vier Jahren stand sie als „Mary Poppins“ auf dem heimischen Esstisch und gab ihren Geschwistern Regieanweisungen. Ihr Fundus damals: „Mamas Kleiderschrank, riesig und bunt“ erinnert sich Caroline Dibbern. „Mama“, das war Kirsten Martensen, die im Oktober 2013 verstorbene Gründerin und Intendantin des Kleinen Theaters Bargteheide. Unter ihrer Regie machte Caroline Dibbern in der hauseigenen Theaterschule „Blaue Wolke“ erste Schritte auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Heute steht die 40-Jährige, die als Schauspielerin und Casting-Regisseurin arbeitet, selbst als künstlerische Leiterin der renommierten Spielstätte wieder hier.

„Die Aufgabe kommt zum richtigen Zeitpunkt“, sagt die Wahl-Berlinerin. Doch die Entscheidung fiel ihr nicht leicht. Zu groß war der Schmerz über den Verlust der Mutter, die das Kleine Theater personifizierte. „Die ersten zwei Monate dachte ich: „Oh Gott“, dann kippte es in ein „Versuch‘s mal mit Freude.“ Ein Lächeln huscht über das Gesicht der energiegeladenen Frau. Das Wissen um das erfahrene, rund 20-köpfige Theaterteam, das ihr zur Seite steht, habe ihr die Entscheidung leichter gemacht. Und Angela Kross, die Vorsitzende des Fördervereins.

2013 hatte Kirsten Martensen ihre Tochter und Angela Kross für ein geplantes Projekt zusammengebracht. Der Funke zwischen den beiden sprang sofort über. „Wir ticken ähnlich und konnten uns eine Zusammenarbeit gut vorstellen“, sagen beide. Das Projekt kam nicht zustande, doch der Schicksalsschlag verband die beiden Frauen erneut. „Wenn du’s machst, traue ich mich auch“, habe Angela Kross zu Dibbern am Telefon gesagt – und so mündete der Verlust in einem Neuanfang fürs Kleine Theater. Seit Februar teilen sie sich die künstlerische Leitung und betreuen als Regie-Team die Gruppen der Theaterschule.

Das Zusammenspiel klappt gut, auch hinter der Bühne. Schnell sind sie sich einig, welche drei Stücke sie inszenieren würden, wenn Budgets keine Rolle spielten: Der kleine Prinz, Momo und Pippi Langstrumpf. Die Wahl der Stücke spiegelt wider, was für beide das Kleine Theater auszeichnet. „In diesem Haus soll mit Freude und Leichtigkeit gespielt werden. Man darf den Spaß nicht aus den Augen verlieren“, sagt Caroline Dibbern, „wir feiern das Leben damit.“ Genau das habe Angela Kross gespürt, als sie vor vielen Jahren die Aufführung von „Schneewittchen“ sah. „Das war weit mehr als ein Weihnachtsmärchenbesuch“, erinnert sie sich. Als Familie Kross nach Bargteheide zieht, beginnen ihre Söhne David und Michel an der Theaterschule zu spielen. „Kinder lernen hier Lebendigkeit“, sagt Angela Kross, die fortan hinter der Bühne hilft. „Es macht Freude, das gemeinsame Schaffen zu erleben, von unterschiedlichen Altersstufen, Talenten, Professionalitäten“, so die 47-Jährige. „So sollte die Welt immer sein.“ Die neue Regiearbeit beflügele sie, sagt Kross, „in diesem Haus kann man viel ausprobieren“.

So erprobte auch ihr Sohn David sein schauspielerisches Talent. Bei allen Flügeln, die Mutter Kross Kindern zugesteht, sind ihr auch die Wurzeln wichtig. Als David 2008 das Angebot für „Der Vorleser“ bekam, gab es eine mütterliche Auflage: „Du kannst das machen, wenn du die zehnte Klasse schaffst.“ David gelang nicht nur der Schulabschluss, sondern an der Seite von Kate Winslet auch der internationale Durchbruch als Schauspieler. Auch Caroline Dibbern will weiter als Schauspielerin arbeiten, trotz der neuen Aufgabe. Seit 1997 hat sie in mehreren Kinofilmen mitgewirkt, darunter „Erbsen auf halb 6“, und Fernsehproduktionen wie „Notruf Hafenkante“. Vorbei die Zeiten, als die Liebe zum darstellenden Spiel von Selbstzweifeln überschattet war. Nach dem Abitur verbringt Caroline Dibbern ein Jahr in Chicago, arbeitet in der freien Wirtschaft – und beschließt, nach Berlin an die Schauspielschule zu gehen. Mit dem Abschluss in der Tasche volontiert sie in einer Casting-Agentur. Sie sagt: „Die Jahre zwischen 20 und 30 waren meine Findungsjahre. Mama dachte oft, warum traut sie sich nicht? Sie sah mein Potenzial.“ In der Casting-Agentur merkt sie, dass sie den Blick für das Potenzial anderer hat. „Den Schauspielern etwas zu geben, mit dem sie glänzen können, bedeutet für mich die gleiche Erfüllung wie die Schauspielerei.“ Einmal kommt sie sogar ans Kleine Theater, um Jugendliche für einen Tatort-Krimi zu casten. Es folgen zahlreiche Schauspiel-Workshops in Berlin. „Jetzt kann ich viele der gelernten Übungen in der Theaterschule anwenden“, freut sich Dibbern, für die sich der Sinn ihres Weges jetzt zu erschließen scheint. Ob sie auch auf der Bühne des Kleinen Theaters zu sehen sein wird? Das bleibt abzuwarten. „Ich habe mir ein Pilot-Jahr gegeben, dann sehe ich weiter“, sagt sie. Solange pendelt sie. „In Berlin kann ich bessere Trauerarbeit machen, hier ist überall Mama.“

Im Treppenhaus hinter der Bühne steht ein aufgeklappter Koffer, prall gefüllt mit Abschiedsgrüßen für Kirsten Martensen, verfasst von „ihrem“ Schauspielnachwuchs. Die Kinder liegen dem neuen Leitungsduo am Herzen. „Ich möchte ihnen hier Entwicklung schenken, einen Schutzraum fürs Dasein, Durchhalten und Ausprobieren“, sagt Angela Kross. Und Caroline Dibbern ergänzt: „Wenn Kinder hier eine Zukunft finden, ist das toll.“