Warum eine 100 Jahre alte Rotbuche an der Bargteheider Rathausstraße verschwand

Bargteheide. Er ist weg. Und die Bürger sind empört. Rund 100 Jahre hatte er dort gestanden. Jetzt ist er zersägt, zerkleinert und abtransportiert. Nur ein Stumpf ist noch zu sehen. Der klägliche Überrest eines stolzen Baumes, der das Ortsbild Bargteheides geprägt hat. Das Motorengeräusch, das in dieser Woche durch die Rathausstraße drang, war für die Bürger ein Alarmsignal. „Unmöglich. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen“, sagte eine Dame, die stehen blieb und zusah, wie der Baumpfleger die Kettensäge ansetzte und die Rotbuche Stück für Stück dem Erdboden gleichmachte.

Sauer ist aber auch Bürgermeister Henning Görtz. Denn so groß das Entsetzen über das Fällen des Baumes ist, so drastisch sind nun auch die Spekulationen. „Wie viel Geld haben die wohl der Stadt gegeben, um an die Genehmigung zu kommen?“ Eine solche Äußerung musste sich der Verwaltungschef in einem Laden anhören. Und das macht ihn wütend. „Alles ist rechtlich korrekt abgelaufen“, sagt Görtz. „Außerdem haben wir alles getan, um den Baum zu retten.“ Die Mitarbeiter der Verwaltung, die über all die Jahre auf die Buche sehen konnten, seien selbst traurig über den Verlust. „Alle im Rathaus haben den Baum geliebt“, sagt Görtz. „Warum hätten wir ihn ohne Grund entfernen lassen sollen?“

„Der Baum war krank und nicht mehr zu halten“, sagt Bauamtsleiter Jürgen Engfer. „Die Standfestigkeit war akut bedroht.“ Das belege ein Gutachten. Engfer: „Wir haben den Eigentümer aufgefordert, den Zustand der Buche untersuchen zu lassen. Das Ergebnis wurde im Bauausschuss zur Kenntnis genommen.“ Erst dann sei die Ausnahmegenehmigung erteilt worden. Ausnahme deshalb, weil die Buche als ortsbildprägender Baum im Bebauungsplan eingetragen und damit ausdrücklich geschützt war. „Ich bedaure sehr, dass der schöne, alte Baum weg ist“, sagt der Bauamtsleiter.

Das trifft auch die Stimmung in der Bevölkerung. Allerdings ist nicht nur Trauer im Spiel. Einige vermuten andere Motive für die Fällaktion. „Der Baum soll krank gewesen sein? Kann ich mir nicht vorstellen“ sagt eine Frau, die auf dem Weg zum Rathaus mitbekommen hat, dass die Buche nicht mehr zu retten ist. Eher vorstellen kann sie sich, dass der Bekleidungsladen an der Rathausstraße den Baum weghaben wollte. „Die haben doch erweitert“, sagt die Bargteheiderin. „Da störte der Baum nur.“ Das hört sich auf Anhieb plausibel an. Der Sachverhalt ist komplizierter.

Das Grundstück gehört nicht dem Betreiber des Textilladens. Die Takko-Filiale ist lediglich Mieter. Und der Baum stand auch nicht auf diesem angemieteten Gelände, sondern auf dem Nachbargrundstück. Und das gehört einer Bauherrengemeinschaft (BHG), die damit auch Eigentümerin der Buche war. Die habe den Zustand des Baumes schon länger mit Sorge betrachtet. So sagt es Gustav Stoffers vom Aufsichtsrat der BHG. „Es war schon vor einem Jahr zu sehen, dass der Baum von einem Pilz befallen war“, sagt Stoffers. Der Riesensporling am Stamm habe die Buche geschwächt. Die Statikwurzeln seien abgestorben. Der Baum drohte umzufallen. So das Ergebnis des Gutachtens. Stoffers: „Stellen Sie sich mal vor, der Baum wäre auf Autos oder Passanten gefallen.“ Der Sturm Xaver sei noch in guter Erinnerung. Der holzzerstörende Hallimaschpilz habe ebenfalls an der Buche genagt. Auch das stehe im Gutachten, sagt Bauamtsleiter Engfer. „Der Pilz war schon 1,50 Meter den Stamm hochgewachsen. Die Rinde löste sich.“

„Weil die Rinde kaputt war, war die Standfestigkeit so stark gefährdet, dass wir die Auflage hatten, den Baum von oben abtragen zu lassen“, sagt Gustav Stoffers von der Eigentümergemeinschaft. So sei in der Tat Geld geflossen. Allerdings anders als vermutet. Stoffers: „Wir mussten einen Telekran anfordern. So habe der Baumpfleger von einer Hebebühne aus agieren können. „4000 Euro hat uns das gekostet“, sagt Stoffers. „Das Geld für den Gutachter ist da noch nicht mit drin.“

Der Pilzbefall war offenbar das Todesurteil für den Baum. Aber dass seine stolze Krone lädiert war, ist auch Tatsache. Und da spielt in der Tat der Textilladen eine Rolle: Die Krone der Buche ragte vom Nachbargrundstück rüber auf das Takko-Gelände und geriet beim Aufstocken des Geschäftshauses in Mitleidenschaft. Das Pikante daran: Baurechtlich ist das nicht zu beanstanden. „Die im B-Plan eingetragenen Abstände und Höhenbegrenzungen haben das zugelassen“, sagt Bauamtsleiter Engfer.

Alles ist also korrekt abgewickelt worden. Gut gelaufen sei es dennoch nicht, bekennt der Bauamtsleiter. Er nimmt den Fall als Hinweis dafür, den Eintrag schützenswerter Bäume ernster zu nehmen. Hart an die Baugrenzen zu gehen, mache keinen Sinn, weil allein schon für das Ausschachten Platz benötigt werde. Und auch das Wachstum des Baumes sei zu berücksichtigen. Engfer: „Ein Punkt oder ein grüner Kringel im B-Plan reichen nicht aus.“