Tatort Bad Oldesloe: 58-Jähriger steht wegen des Verdachts der Vergewaltigung vor Gericht

Bad Oldesloe. Manierlich sieht der Angeklagte aus, mit seinen akkurat frisierten Haaren und dem Stoffschal – farblich auf Hemd und Wollpullover abgestimmt. Die Tat, die dem 58-Jährigen aus dem Kreis Segeberg vorgeworfen wird, passt nicht zu diesem Bild. Seit Dienstag muss sich Horst L. (alle Namen geändert) wegen Vergewaltigung eines 16-Jährigen vor dem Ahrensburger Amtsgericht verantworten. Der Tatort: eine Toilette auf dem Oldesloer Bahnhof. Dort soll der Junge bereits zuvor Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden sein.

Während die Staatsanwältin am ersten Prozesstag die Anklage (sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person) verliest, starrt Horst L. auf seine Hände. Sie liegen gefaltet in seinem Schoß. Zwischendurch blinzelt der schlanke Mann in den Saal und – als versuche er, Fassung zu wahren – kritzelt er Notizen auf einen Block. Als die Staatsanwältin die Anklageschrift ablegt, flüstert der Angeklagte kaum hörbar: „Das hat so nicht stattgefunden“.

Mit „das“ meint Horst L. nicht den Akt auf der Bahnhofstoilette, sondern die Umstände, die zum Missbrauch des Jungen geführt haben. Denn der sexuelle Kontakt sei – so sagte der Angeklagte beim Polizeiverhör nach der Tat im Sommer 2011 – im gegenseitigen Einvernehmen passiert. Vielmehr noch: Der Geschädigte habe sich ihm angeboten. Bastian P. unterdessen hat bei der Anzeige den Polizisten ein anderes, ein brutales Szenario geschliedert.

Am Tattag habe er am Urinal der Oldesloer Bahnhoftoilette gestanden, um sich zu erleichtern. In dem Moment soll Horst L. den Raum betreten haben. Ohne Vorwarnung, so sagt der Jugendliche den Polizisten, soll der Fremde ihm ein Flässchen unter die Nase gehalten haben. Benebelt sei er daraufhin gewesen. Später stellen Polizisten bei der Durchsuchung des Verdächtigen Isopropylnitrit sicher. Ein Stoff, der in homosexuellen Kreisen als „Poppers“ bekannt ist. Seine Wirkung wird als euphorisierend und stimulierend beschrieben, zudem soll der Stoff die Muskeln entspannen.

Anschließend soll der Angeklagte sein schmächtiges Opfer in eine WC-Kabine gestoßen haben. Dabei sei er gegen die Wand geprallt und habe sich eine Platzwunde zugezogen, sagt der Oldesloer bei der Polizei aus. Nach der Vergewaltigung soll Horst L. ihm eine Visitenkarte, auf die er seine Handynummer gekritzelt hat, und acht Euro in die Hand gedrückt haben. „Wir können uns ja mal wieder treffen“, habe er zum Abschied noch dem Jungen gesagt.

Zu dem Tatzeitpunkt wird der 58Jahre alte Mann in der psychiatrischen Klinik in Bargfeld-Stegen behandelt – dort nehmen ihn die Ermittler fest. In Bad Oldesloe sei er auf der Durchreise gewesen, sagte er den Polizisten im Streifenwagen. In seinem Krankenzimmer hatten die Beamten zuvor einen Rucksack sichergestellt. Darin finden sie unter anderem ein Fläschchen Isopropylnitrit und Kondome der Sorte, die nach der Tat in der Oldesloer Bahnhofstoilette sichergestellt wurden.

Die entsprechende Verpackung eines Präservatives will auch ein Zeuge nach dem mutmaßlichen Missbrauch unter dem WC gesehen haben. Auch den damals 16-Jährigen kennt der 63-jährige Oldesloer. Pikant: In einem voherigen Prozess wurde der Zeuge zu einer Geldstrafe verurteilt, weil der denselben Jungen unsittlich berührt haben soll. Der Tatort ist ebenfalls die Bahnhofstoilette in Bad Oldesloe.

Der Prozess wird am 13. März fortgesetzt. Dann soll die Betreurin des Jugendlichen aussagen. Zudem werden drei Videos aus der Vernehmung des jungen Mannes gezeigt. Auch das Urteil soll an dem zweiten Prozesstag in Ahrrensburg fallen.