Bargteheiderin soll bis September warten. In Stormarner Praxen sind ähnliche Wartezeiten offenbar die Regel

Bargteheide. Tagelang hat Gaby Rieck aus Bargteheide versucht, einen Termin beim Hautarzt zu bekommen – vergeblich. Bei drei Fachleuten in Bargteheide und Ahrensburg rief die 53-Jährige regelmäßig an. „Entweder kam ich gar nicht durch oder hing ewig in der Warteschleife“, sagt sie. Als dann schließlich eine Sprechstundenhilfe in einer Ahrensburger Praxis ans Telefon ging, wurde Gaby Rieck schnell auf den Boden der Tatsachen geholt. „Ich sollte erst im September einen Termin bekommen“, sagt sie.

Die Arzthelferin habe noch nicht einmal gefragt, ob es etwas Akutes sei. Ähnliche Erfahrungen hat Gaby Rieck auch mit Orthopäden gemacht. „In meinem Bekanntenkreis beklagten sich auch etliche Stormarner über ähnliche Zustände“, sagt sie.

In der Ahrensburger Hautarztpraxis bestätigt eine Mitarbeiterin auf Anfrage der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn, dass Neupatienten erst wieder im September angenommen werden könnten. „Selbst Bestandspatienten bekommen bei uns erst im Mai einen Termin.“ Alle Dermatologen in Ahrensburg seien überlaufen.

In anderen Städten des Kreises sei die Situation ähnlich. Hautärzte bekommen trotzdem keine Erlaubnis, in Stormarn zu praktizieren. Das liegt an den Zulassungsbeschränkungen der Kassenärztlichen Vereinigung. Nach deren Statistik gibt es nämlich mehr als genug Hautärzte in Stormarn (siehe Kasten rechts).

„Der Frust der Patienten wird am Ende immer bei uns abgeladen“, sagt die Praxismitarbeiterin. Andererseits verstehe sie den Ärger der Menschen, die sich mit ihrem Leiden im Stich gelassen fühlen. An der Situation könne aber nur der Gesetzgeber etwas ändern.

Nach den Bestimmungen der Bedarfsplanung für die ambulante medizinische Versorgung ist Stormarn mit Hautärzten überversorgt. Die Zahl der Mediziner, die zugelassen werden, richtet sich nach der Einwohnerzahl in einem Planungsbereich. „Es gibt acht Hautärzte in Stormarn, was einem Versorgungsgrad von 122,2 Prozent entspricht“, sagt Marco Dethlefsen, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH).

Ab 110 Prozent gilt eine Region als überversorgt. Neue Hautärzte haben in Stormarn also keine Chance. Ähnlich sieht es auch bei Orthopäden und Gynäkologen aus.

Trotz dieser rechnerischen Überversorgung müssen Stormarner häufig monatelang auf einen Termin bei Fachärzten warten. Offensichtlich gibt es eine Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis. Für KV-Sprecher Marco Dethlefsen liegt das Problem tiefer. „Wenn wir mehr Ärzte für einen Planungsbereich zulassen, heißt das noch lange nicht, dass sich auch welche niederlassen“, sagt er. Es fehle nämlich Nachwuchs.

Und Fachärzte wollten zunehmend lieber angestellt arbeiten als selbständig. Das liege am steigenden Frauenanteil. „Ärztinnen haben andere Lebenskonzepte als ihre männlichen Kollegen. Als Angestellte sind sie besser abgesichert, wenn sie eine Familie gründen.“ Deswegen arbeiteten viele von ihnen lieber in medizinischen Versorgungszentren oder Kliniken und verzichten auf eine eigene Praxis.

Marco Dethlefsen sieht hier den Gesetzgeber in der Pflicht. „Reformen der Bedarfsplanung werden den Ärztemangel nicht beheben, wenn keine Anreize für Ärzte geschaffen werden, sich in bestimmten Gebieten niederzulassen.“ Aber nicht nur auf politischer Ebene sieht der KV-Sprecher Änderungsbedarf. Er sagt: „Unter vielen Patienten gibt es eine Flatrate-Mentalität nach dem Motto: Ich habe eine Versichertenkarte, also nutze ich die auch.“

Eine Erfahrung, die Arzthelferinnen bestätigen. Es gebe Menschen, die „wegen nichts“ ständig in die Praxen kommen und dadurch einen Patientenstau verursachen. „Das ist bei Weitem keine Ausnahme“, sagt eine Angestellte, „es gibt Leute, die holen sich wegen einer Warze eine zweite oder dritte Meinung ein.“

Darunter leiden dann Menschen wie die Bargteheiderin Gaby Rieck. „Ich habe mich in der Apotheke beraten lassen und mit Medikamenten versorgt“, sagt sie. Die 53-Jährige möchte es noch einmal bei einem Arzt in Bad Oldesloe versuchen. Wenn das nicht klappe, werde sie nach Hamburg ausweichen. „Ich bin noch fit und kann einen weiten Weg auf mich nehmen. Aber was machen die älteren Menschen, die nicht mehr so mobil sind?“