20 Menschen haben sich in Glinde auf dem Marktplatz getroffen, um an der Protestaktion teilzunehmen. Sie wurde von der Stadt initiiert

Glinde. Zwei Frauen schunkeln, so als ob sie Seemannslieder hören. Eine andere schwingt die Hüften, wie es sonst nur Salsatänzer machen. Und eine weitere dreht sich im Kreis, wie man es eigentlich aus der Disco kennt. Doch Musik kann man auf dem Marktplatz in Glinde um 12 Uhr am Freitag nicht hören. Lediglich das Geräusch vorbeifahrender Autos und das Pfeifen des Windes ist zu vernehmen.

Allerdings tragen die 20 Tänzer vor dem Rathaus alle Kopfhörer und tanzen somit zu unterschiedlicher Musik. Sie lachen und haben offenbar viel Spaß an der Aktion, die Fußgänger auf dem Marktplatz sichtlich verwundert. Doch was wie eine lustige Tanzeinlage zur Mittagspause aussieht, hat einen ernsten Hintergrund, es ist gar eine Protestaktion.

„Wir wollen mit Spaß gegen einen gesellschaftlichen, intoleranten Zustand aufmerksam machen“, sagt die Initiatorin und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Glinde, Kerstin Schoneboom, die damit gegen Gewalt an Frauen protestiert. „Ich mag keine Aktionen, bei denen der Zeigefinger hochgehalten wird“, sagt Schoneboom. Auch die Gleichstellungsbeauftragten aus Reinbek und Oststeinbek sind zum Marktplatz in Glinde gekommen. „Es ist wichtig, auf dieses Thema aufmerksam zu machen“, sagt Anje Schiffmann aus Oststeinbek: „Insbesondere im Hinblick auf das, was mit Frauen in Indien passiert.“ Ihre Kollegin aus Reinbek, Maria Graaff-Willemsen, fügt hinzu: „Doch auch wir leben nicht im Land der Glückseeligen, auch hier bei uns kommt es zu Gewalt an Frauen – das muss aufhören.“

Ferner fordern die drei Gleichstellungsbeauftragten einen gesetzlich festgeschrieben Rechtsanspruch auf Schutz vor häuslicher Gewalt. „Frauen haben beispielsweise keinerlei Anspruch auf einen Platz in einem Frauenhaus. Sind dort alle Plätze vergeben, haben sie Pech gehabt. Das muss sich ändern“, sagt Graaff-Willemsen, die damit auf das Problem in Stormarns einzigem Frauenhaus in Ahrensburg aufmerksam macht. „Der Platz dort reicht von hinten bis vorne nicht“, sagt die 49-Jährige.

Neben den drei engagierten Frauen sind auch die Mitarbeiterinnen der Stadtbücherei gekommen. „Das ist doch eine tolle Aktion, die sich unsere Gleichstellungsbeauftragte ausgedacht hat“, sagt Anja Kairies, die zu Swing von Caro Emerald tanzt: „Da machen wir gerne mit.“

Neben den Frauen tanzen auch zwei Männer fünf Minuten lang auf dem Marktplatz. Einer von ihnen ist Jürgen Neff aus Glinde. „Beim Thema Gewalt gegen Frauen, sollten alle Menschen aufstehen oder in diesem Fall tanzen“, sagt der 58-Jährige, der mit seiner Frau auf den Pflastersteinen sich zur Musik aus den Kopfhörern dreht.

Der andere männliche Tänzer ist Bürgermeister Rainhard Zug. „Es ist eine wichtige Aktion mit Hintergrund“, sagt Zug und freut sich auf weitere Aktionen seiner Gleichstellungsbeauftragten, die erst seit rund zwei Monaten im Amt ist. Und Kerstin Schoneboom plant jetzt die Brötchentütenaktion im November, die auch in den Vorjahren gemacht wurde. Mit Bäckern der Region werden Tüten mit Notfallnummern verteilt.

Ein Video vom Tanz sehen Sie im Internet unter www.abendblatt.de/stormarn