Nils Loenicker vom Kabarett-Duo Alma Hoppe vor dem Bargteheide-Gastspiel über Humor auf dem platten Land

Bargteheide. Normalerweise sind die Rollen beim Kabarett-Duo Alma Hoppe klar verteilt: Jan-Peter Petersen ist der Politstratege, Nils Loenicker der Spezialist für Typen. Die gemeinsame Mission ist aber immer hochpolitisch, zuletzt unter dem programmatischen Motto „Männer in den besten Wechseljahren“.

Das seit fast 30 Jahren vertraute Profil, das nicht nur am Hamburger Stammhaus in Eppendorf mit immer neuen Programmen den Saal füllt, wird jetzt bei einem Auswärtsspiel in Bargteheide – heute und morgen im Kleinen Theater – variiert. „Wir bieten diesmal eine einmalige Sondermischung“, verspricht Loenicker. Neben vielen Nummern aus dem reichen Fundus von Alma Hoppe wird ausnahmsweise eine regionale Spezialität eingebaut: Zwei jeweils etwa 15-minütige Solo-Nummern von Bauer Hader, einer Figur, die Loenicker vor ungefähr zehn Jahren erfunden hat und die seither – meist im Zusammenspiel mit dem „musikalischen Erntehelfer“ Matthias Winkler – ein reges Eigenleben entwickelt hat, meistens im kleineren Rahmen in Schleswig-Holstein – nämlich, wie sein Schöpfer präzisiert, „im Krug auf dem Saal“.

Loenicker hat so einen Spaß an der Rolle, dass sie ihm eine zweite Identität verschafft hat: „Ich setze meine Landmannmütze auf, ziehe die Jacke an, schlüpfe in die Gummipumps und bin Bauer Hader“, sagt er. Dazu kommt eine besonders breite Aussprache, die Rede ist eher bedächtig, und das „R“ wird holsteinisch gerollt. Das Ganze funktioniert, weil die Figur authentisch ist und liebevoll gezeichnet wird. „Ich habe großen Respekt vor dem Leben auf dem Land. Der Alltag ist härter als in der Stadt. Man muss draußen solidarischer leben“, sagt Loenicker. Er weiß, wovon er spricht, denn er verbringt seit 25 Jahren einen Großteil seiner freien Zeit auf dem Land. Früher hatte er eine Wohnung in der Plöner Gegend, vor zwei Jahren kaufte er mit seiner Frau ein Haus direkt am See.

Bauer Haders Auftritte bestehen zu 25 Prozent aus Improvisation

Und weil Loenicker ein guter Beobachter mit Bühnendrang ist, war Bauer Hader mit seinem „Kabarett direkt vom Erzeuger“ eine zwangsläufige Entwicklung. „Die einzelnen Nummern haben sich fast von selbst entwickelt. Da ist nichts auf Papier. Alle Auftritte sind 25 Prozent Improvisation“, erzählt er. Manchmal auch noch mehr, wie bei der Nummer mit der Fischkonserve. „Da hatte mir jemand vor Vorstellungsbeginn eine Hawesta-Dose Heringsfilets mit Tomatensauce auf die Bühne gestellt. Ich habe daraus spontan eine Viertelstunde über das Öffnen dieser Konserve gemacht – ein Klassiker, bei dem die Zuschauer Tränen lachen.“

Wobei sich die Frage stellt, ob auf dem Lande anders als in der Stadt gelacht wird. Oder zielgenauer: Worüber amüsiert sich das Publikum in Stormarn? Prompte Antwort: „Über Typen. Es ist in Bargteheide nicht anders als in Elmshorn, Wedel, Geesthacht, Fleestedt oder Lutterbeck: Bauer Hader ist hier extrem beliebt. Und Themen wie Partnerschaft oder moderne Technik funktionieren immer.“

Einem wie Hader, der die Welt auf seine Art erklären kann, hören die Leute gerne zu. Einem, der seiner Frau den Wunsch unwiderlegbar ausredet, bald mal wieder gemeinsam in Urlaub zu fahren: „Wir waren doch erst letzte Woche bei den Nachbarn.“ Und der einer Kreuzfahrt auf der „Aida“, sprich: Eida, bei der Freund Hinnerk mit Russen am Büfett gestanden hat, nichts abgewinnen kann; „Was soll ich auf der Eider, das ist doch nur ein Rinnsal?“ Das Abhören durch amerikanische Geheimdienste? Kein Problem für Hader. „Früher hatten wir ein Telefon mit Zweimeterschnur im Wohnzimmer – da hat immer die ganze Familie mitgehört.“

Zum Repertoire zählt auch Bauer Haders türkischer Zwillingsbruder, der nach der Geburt vertauscht wurde, in Anatolien aufwuchs und jetzt heimgekommen ist und eine eigene Scholle in Meck-Pomm bewirtschaftet: Knoblauchfelder zum Selberpflücken – bei der Eigenernte dürfen Gäste kostenlos so viel essen, wie sie mögen. Als Ali Hader, der sich von seinem Bruder nur durch Schnäuzer, Leder-Käppi und „Aldi-Integrationstüte“ unterscheidet, geht der Spielbetrieb mit Loenicker durch: „Hab Migration, hab Hintergrund, brauche Vordergrund.“ Denn: „Ich bin gekommen, um zu bleiben.“

Da geht es ihm nicht anders als dem 53 Jahre alten Nils Loenicker, der sich auf dem Land so wohl fühlt, dass er in einigen Jahren ganz hinziehen will. „Die Stadt ist mir zu laut geworden. Am See werde ich geerdet“, sagt er. Doch dem gebürtigen Hamburger aus Hoheluft-West ist klar, dass er immer Städter bleibt. „Mir ist klar, dass ich nie einer von hier sein werde. Aber wenn ich in der Dorfkneipe gegrüßt werde und man mir sogar mal einen Schnaps ausgibt, sage ich mir: Mehr kann man als Zugereister nicht erhoffen.“

Bei der Politik hört auch auf dem platten Land der Spaß auf

Auch der politische Mensch Loenicker kommt auf dem Dorf auf seine Kosten. „Wenn ich sehe, wie zum Beispiel beim Thema Windenergie viele Menschen unter den Interessen weniger leiden sollen, dann engagiere ich mich. Ich kann nicht akzeptieren, dass 16 Windtürme, die jeweils 150 Meter hoch sind, nicht in die Pampa gebaut werden sollen, sondern in das Naherholungsgebiet einer einmaligen Knicklandschaft, nur weil einige Leute gut daran verdienen wollen“, sagt Loenicker.

Bei so etwas hört für ihn der Spaß auf. Eigentlich ein Thema, das nach bewährtem Alma-Hoppe-Motto als Polit-Kabarett aufbereitet werden sollte: „Das Messer muss nicht nur tief rein, es muss auch noch gedreht werden.“