Neues Tarifsystem verärgert viele Bürger. Dabei müssten sie fast überall mehr zahlen. Das Abendblatt beantwortet sieben wichtige Fragen

Ahrensburg. Stormarn, Müllgebühren-Primus im Norden: Nirgendwo sonst im Großraum Hamburg zahlen Bürger weniger Geld für Abfallabfuhr und -entsorgung. Ganz im Gegenteil: Vielerorts liegen die Tarife sogar ganz deutlich über denen der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH), in deren Trägerschaft die Entsorgung im Kreisgebiet liegt. Das ist das Ergebnis eines Vergleichs, den das Abendblatt angestellt hat (siehe unten). Es mag insofern überraschen, als zurzeit viele Stormarner beklagen, infolge der zum Jahreswechsel in Kraft getretenen Tarifreform viel mehr zahlen zu müssen als zuvor (wir berichteten).

Wer dieser Meinung ist, hat für sich genommen erst mal recht, die auf der AWSH-Rechnung ausgedruckten Zahlen sprechen ja für sich. Ein scheinbarer Widerspruch also. Das Abendblatt hat ihn zum Anlass genommen, die Thematik noch mal ganz genau zu beleuchten.

1. Wer muss jetzt mehr zahlen als bisher, und warum ist das so?

Teurer wird die Müllabfuhr in Stormarn vor allem für zwei typische Fallkonstellationen: Das sind einmal die Haushalte, in denen Biomüll im eigenen Garten kompostiert wird, die also bislang ohne braune Biotonne ausgekommen sind. Sie müssen künftig mehr zahlen, weil das Entgelt für die Abfuhr der Restmülltonne deutlich angehoben worden ist. Biomüllentsorgung wird dagegen günstiger.

Zweitens: Für Haushalte, die nach Einschätzung der AWSH bislang zu kleine Restmülltonnen hatten, wird es auch teurer. Bislang galten zehn Liter pro Person und Woche als Mindestwert, nun sind es nur noch fünf. Der neue Tarif berücksichtigt aber auch noch ein „personenbezogenes Grundentgelt“.

2. Was können von einer Preiserhöhung Betroffene machen?

Sie können die Größe ihrer Restmülltonne hinterfragen, gegebenenfalls eine kleinere bestellen oder sie seltener leeren lassen. Ein Tarifrechner auf www.awsh.de empfiehlt eine „Optimallösung“. Beratung gibt’s unter Telefon 0800/2974001.

3. Wie individuell lassen sich die Tarife anpassen?

„Rechnerisch gibt es etwa 5000 Kombinationsmöglichkeiten“, sagt der AWSH-Sprecher Olaf Stötefalke.

4. Was nützt eine eigene Papiertonne?

Wer eine Papiertonne – blau, 120 oder 240 Liter groß, wird monatlich geleert – besitzt, spart 1,20 beziehungsweise 2,28 Euro pro Jahr. Haushalte mit Papiertonne partizipieren damit vom Verkauf des Altpapiers durch die AWSH.

5. Was ist „Überschusserstattung/Verwertungserlösanteil“?

Viele Bürger stolpern über den Posten „Überschusserstattung/Verwertungserlösanteil“ auf ihrer neuen Rechnung, hinter dem sich ein größerer Betrag zu ihren Gunsten verbirgt. Ihre Befürchtung: Den gibt’s nur einmal, nämlich dieses Jahr. Deshalb rechnen sie diesen Betrag aus ihrer Rechnung heraus – und kommen zu einer noch deutlich höheren Kostensteigerung. Ein Fehler, wie AWSH-Sprecher Stötefalke sagt: „Wir dürfen qua Amt nicht gewinnorientiert, sondern nur kostendeckend arbeiten. Was wir zu viel kalkuliert haben, müssen wir zurückerstatten.“ Erlöse ergäben sich aus der Vermarktung von Altkleidern, Altpapier und Schrott. „Diese Parameter sind immer in die Gebührenkalkulation eingeflossen. Neu ist nur, dass wir sie auf den Rechnungen jetzt extra ausweisen.“

6. Partizipieren Bürger ohne Altpapiertonne also nicht vom Altpapiererlös?

Doch, sagt Stötefalke, sie partizipieren gleichwohl vom Verkauf des in öffentlichen Containern gesammelten Altpapiers.

7. Worin unterscheidet sich das Stormarner System von anderen?

Es ist flexibler, bietet den Bürgern Gestaltungsspielraum. Und die Möglichkeit, kleinere Restmüllbehälter zu bestellen. Die Hamburger Stadtreinigung etwa kennt als kleinstes Gefäß die 60-Liter-Tonne bei wöchentlicher Leerung (Stormarn: 40 Liter vierwöchentlich). Der Wege-Zweckverband der Gemeinden des Kreises Segeberg (WZV) setzt für eine vierköpfige Familie die 120-Liter-Tonne bei zweiwöchentlicher Leerung voraus (Stormarn: 40 Liter vierwöchentlich). Und im Landkreis Harburg gibt’s keine Biotonnen.