Verbandspräsidentin aus Lütjensee erneut wegen gewerbsmäßiger Untreue verurteilt. Im Verein weiß das fast keiner

Lübeck/Lütjensee. Früher hat sie sich bewundern und feiern lassen für ihren unermüdlichen Einsatz für Unfallgeschädigte, für ihr großes ehrenamtliches Engagement. Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Präsidentin des Bundesverbands der Unfallopfer, Sabine T. (Name geändert) aus Lütjensee, ist auch in zweiter Instanz wegen gewerbsmäßiger Untreue verurteilt worden. Die Worte des Vorsitzenden Richters der Kleinen Strafkammer beim Landgericht Lübeck, Claas Leplow, sind vernichtend für eine Frau, die ihr Leben angeblich in den Dienst der guten Sache gestellt hat: „Nicht Sie waren für den Verein da. Ganz im Gegenteil: Das Vereinsvermögen war für Sie da.“

Fast die gesamten Einnahmen in die eigene Tasche gewirtschaftet

Ganz vorn im Gerichtssaal, links am Fenster, sitzt ein älterer Herr, hört interessiert zu, macht sich eifrig Notizen, nickt nachdenklich. Anton Fleischer, 61, ist extra aus Würzburg angereist, um die Verhandlung zu verfolgen. „Ich bin Mitglied des Verbands“, sagt er später draußen auf dem Flur, und dass ihn das 80 Euro jährlich koste. „Was hat sie mit dem Geld gemacht? Das ist doch eine einzige Schweinerei.“

Er weiß nicht, was er davon halten soll, dass die Präsidentin diesmal offensichtlich mit einem blauen Auge davongekommen ist. Denn mit zwei Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten beziehungsweise acht Monaten – beide zur Bewährung ausgesetzt – bleibt das Landgericht unter der Strafe aus der ersten Instanz. Im Ergebnis bedeutet das: T. muss nicht ins Gefängnis.

Das Ahrensburger Schöffengericht hatte die inzwischen 59-Jährige im April 2013 zu zwei Jahren und drei Monaten sowie acht Monaten verurteilt; eine Bewährung ist bei Strafen von mehr als zwei Jahren nicht möglich. „Die mildere Strafe resultiert einzig aus dem Umstand, dass die verhandelten Taten schon so lange her sind“, sagt Leplow, „die Zeit ist im Strafprozess zu einem wichtigen Faktor geworden.“ Er macht keinen Hehl daraus: Was 2007 und 2008 geschehen ist, gehört seiner Meinung nach eigentlich viel höher bestraft.

2007 und 2008 hat Sabine T. über die Vereinskonten verfügt, als seien sie ihr eigenes Portemonnaie. Mal gab sie dem Gerichtsvollzieher Geld, mal zahlte sie den Küchenmonteur, oder sie ging einkaufen. Allein in den zuletzt noch 48 von zunächst 171 verhandelten Einzelfällen ging es um mehr als 50.000 Euro binnen zwei Jahren. Leplow sagte mit Blick auch auf die vielen weiteren Posten, die nicht Gegenstand der Anklage waren: „85 Prozent, in einem Jahr sogar fast 100 Prozent der Einnahmen des Bundesverbands sind irgendwie in Ihrer Kasse gelandet: Über die Raummiete, über die Telefonkostenerstattung. Über den Schuhkauf.“ Über ein geleastes Mini Cooper Cabriolet im Wert von mehr als 30.000 Euro.

Und über den Ehemann, von dem T. mittlerweile geschieden ist: Während der Verhandlungstage war es immer wieder um Rechnungen in Höhe von 2000 Euro monatlich plus Mehrwertsteuer gegangen, die ihm angeblich für Hilfstätigkeiten gezahlt worden seien. Nun steht auch fest, was der Ehemann immer beteuert hat: Er hat nie Geld bekommen. Um es mit den Worten von T.s Verteidiger Ernst Medecke zu sagen, die er in einem letzten Beweisantrag formuliert: Es ist „die haushaltstechnisch günstigste Weise gewesen, auf die eine Entlohnung der Angeklagten als geschäftsführende Vorsitzende erfolgen“ konnte. „Geschäftsführende Vorsitzende“. Von „Präsidentin“ spricht längst niemand mehr. Richter Claas Leplow: „Ein klassisches Scheingeschäft.“

Über die Versuche der Lütjenseerin, ihre Transaktionen durch rückdatierte Vorstandsbeschlüsse und eine vor zwei Wochen einberufene Mitgliederversammlung im Nachhinein decken zu lassen, sagt er: „Sie haben fingiert, manipuliert, verdeckt und verdunkelt. Ja: verdunkelt.“ Er spricht auch von einer Täuschung der Mitglieder.

Zwischen 2007 und 2014 hat es keine Mitgliederversammlung gegeben

Die haben von dem ganzen Ärger um ihre gut dotierte Vorsitzende lange gar nichts mitbekommen. Von der eilig einberufenen Mitgliederversammlung Ende Januar in Hamburg einmal abgesehen, hat es seit 2007 keine mehr gegeben. Und was an die Vereinsöffentlichkeit dringt, entscheidet auch die Präsidentin. Sie, so heißt es aus Teilnehmerkreisen, werde auch das Protokoll der Januar-Zusammenkunft in Hamburg schreiben. Dass es ein Strafverfahren gegen sie gibt – darüber soll bei dem Treffen kein Wort gefallen sein.

Nun aber beginnt die Affäre langsam, sich herumzusprechen. Ehemalige Vertraute distanzieren sich von T., haben sich wegen Überprüfung der Vereinssatzung ans Registergericht gewandt. Anton Fleischer klappt am Ende der Verhandlung seinen Aktenkoffer zu. „Ich möchte, dass das in ganz Deutschland bekannt wird“, sagt er.

Staatsanwalt Martin Peterlein in seinem Resümee: „Die Gemeinnützigkeit und das Ehrenamt an sich sind durch diesen Fall beschädigt worden.“