Prozess gegen 21-Jährigen vor dem Amtsgericht Ahrensburg hat begonnen. Schaden möglicherweise sechsstellig

Ahrensburg. Jannik B. (Name geändert) hat zwei Ausbildungen abgebrochen. Dennoch ist der jetzt 21-Jährige, der während einer seiner beiden Drogentherapien einen Realschulabschluss absolviert hat, alles andere als dumm oder faul. Er dürfte sogar so hochintelligent sein, dass ihn die Schule gelangweilt hat. Denn er hat sich selbst am Computer beigebracht, wie er „viel mehr Geld verdienen kann als mit einer Ausbildung“. Das jedenfalls behauptete der hoch aufgeschossene und kräftige junge Mann nach den Angaben eines als Zeuge geladenen Kriminalbeamten über seine Aktivitäten in einem Underground-Internetforum. Denn B. muss sich vor dem Ahrensburger Amtsgericht wegen vielfachen Computerbetrugs verantworten.

Laut Anklage hat er beispielsweise massenhaft Kontodaten aus Firmensystemen gestohlen, systematisch Kunden der Internethandelsplattform eBay betrogen und durch sogenanntes Phishing, bei dem er durch gefälschte E-Mail-Abfragen des Online-Bezahlsystems PayPal auf Kreditkarten der Nutzer zugreifen konnte, Geld erbeutet. Insgesamt werden dem gebürtigen Hamburger 207 Delikte vorgeworfen, die er von Wohnungen in Ahrensburg und Bad Oldesloe aus verübt haben soll. Der Gesamtschaden könnte laut Aussage des Kripobeamten sogar im sechstelligen Bereich liegen. Rund 170 Taten hat er knapp zwei Monate nach seiner Festnahme, die am 21. August vergangenen Jahres erfolgte, in einer Einlassung zugegeben. Als ihn Richter Ulf Thiele nach der gut 75 Minuten langen Anklageverlesung auffordert, etwas zu den ihm vorgeworfenen Taten zu erklären, kommen die Worte dennoch nur schleppend über B.s Lippen. Dabei schaut er zuweilen auf einen kleinen Engel, den er vor sich auf die Tischplatte gestellt hat, und vergewissernd hinüber zu seiner Mutter, die in der ersten Zuschauerreihe sitzt.

„Es war ein schleichender Prozess“, nuschelt B., nachdem ihn Thiele gefragt hat, wie er denn dazu kam, diese Taten zu verüben. Er sei 2010 aus der zweiten Therapie gekommen und habe dann viel alleine am Computer gesessen und „Counter-Strike“ gespielt. Im Umfeld dieses Killerspiels sei er gegen Bezahlung an Informationen gelangt, mit deren Hilfe er Sicherheitsschranken von Computersystemen überwinden konnte. „Dann habe ich auch unglaublich viel darüber in Foren gelesen“, sagt B. Er sei regelrecht „von der Außenwelt abgeschnitten“ gewesen.

Zunächst bot er Fotokameras und elektronische Geräte, die er mutmaßlich gar nicht besaß, über eBay an. Die Kaufinteressenten wurden zur Vorkasse überredet. Ihr Geld überwiesen sie auf Konten, die Helfer, von denen einer zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt worden ist, unter falschem Namen eröffnet hatten. Die Summen wurden aufgeteilt.

Später fischte B. aus Computersystemen von Handelshäusern, die im Internet agieren, Bankdaten von deren Kunden ab. Von einer Firma waren es 115.000. An sie verschickte er geschickt gefälschte E-Mails, die angeblich von PayPal stammten und die Kunden des Online-Bezahlsystems aufforderten, aufgrund einer Überprüfung ihre Zugangs- und Kontodaten zu übermitteln. Etwa ein Prozent fiel darauf herein und versetzte B. so in die Lage, auf deren Kosten sich selbst teure Geräte oder andere Waren im Internet zu bestellen.

Mit diesen anderen Kreditkartendaten, an die er auch in Internetforen für wenig bis gar kein Geld gelangte, soll er sich insbesondere im Sommer 2013 bei Restaurants in Bad Oldesloe und Ahrensburg Pizzen, Döner, Nudelgerichte, Salate und alkoholische Getränke bestellt haben, die die Rechnungen in die Höhe schießen ließen.

„Da war es mir schon egal, ob ich verhaftet werde“, beschreibt B. seinen Zustand zu dieser Zeit. Nach einem Hinweis des Bundeskriminalamts (BKA), das wiederum aus anonymer Quelle auf B. aufmerksam gemacht worden war, hatte die Polizei bereits im April 2012 seine Wohnung durchsucht. Ihr Glück: Als sie morgens um 6 Uhr kamen, war sein Computer noch an, und so konnten viele Daten gesichert werden, an die die Kripo sonst wohl nicht gekommen wäre. B.: „Von da an wusste ich, dass ich verhaftet werde.“

Das aber geschah erst mehr als ein Jahr später, nachdem wiederum das BKA darauf hingewiesen hatte, dass sich der Angeklagte in einschlägigen Internetforen unter dem Decknamen „Exploit“ mit seinen Taten brüstet. Doch B. war umgezogen, seine Adresse und sein Klarname nicht bekannt. Zum Verhängnis wurde ihm wieder das Internet: Via Facebook hatte er mitgeteilt, eine Pauschalreise bei TUI nach Fuerteventura gebucht zu haben. Dabei musste er auch seine Telefonnummer angegeben. Daraufhin wurde die Nummer überwacht, und damit auch B.s gewaltige Internetaktivität.

Seit Dezember versucht B. übrigens, sein Fernabitur zu machen.