Experten diskutieren mit Bürgern in Reinbek. Generationsübergreifende Quartiere liegen bei Neubauten im Trend

Reinbek. Gesucht wird ein Mieter für eine Zweizimmerwohnung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in Glinde, Baujahr 2001. Kosten für die 68 Quadratmeter: 680 Euro kalt. Inklusive sollen es 825 Euro sein. Dieses Angebot finden Interessenten auf einem bekannten Immobilienportal im Internet. Zehn Euro kalt pro Quadratmeter – im Süden Stormarns keine Seltenheit. Bezahlbarer Wohnraum ist im Mittelzentrum Reinbek/Glinde/Wentorf bereits jetzt knapp. Angekurbelt wird die Nachfrage durch die demografische Entwicklung. Denn die Zahl der älteren Menschen steigt rapide, zudem ziehen immer mehr Wohnungssuchende in die Hamburger Randgebiete. Für die Region ist es allerhöchste Zeit, zu handeln. Doch wie? Und was muss dabei bedacht werden? Im Reinbeker Sachsenwald-Forum diskutierten Experten aus verschiedenen Bereichen mit Bürgern über das Thema „Wohnen im Mittelzentrum 2030“ und stellten Modelle der Zukunft vor. Die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn fasst die Ergebnisse zusammen und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie ist die Bevölkerungsentwicklung?

Laut einer sogenannten kleinräumigen Bevölkerungs- und Haushaltsprognose, die der Berliner Verkehrsplaner Jens Rümenapp für den Kreis ausgearbeitet hat, wächst Stormarn gegen den Trend. Im Jahr 2030 werden zwischen Mönkhagen und Reinbek etwa 240.500 Menschen leben – das sind 5,2 Prozent mehr als im Referenzmonat März 2011. In Glinde (derzeit rund 17.800 Einwohner) steigt die Zahl in diesem Zeitraum um 8,1 Prozent, in Reinbek (aktuell rund 26.500) um 2,7 Prozent.

Martin Beck, Fachdienst Planung und Verkehr des Kreises: „Der Zuwachs erfolgt durch Zuwanderung, denn wir haben weniger Geburten als Sterbefälle.“ Während es bei den 20- bis 64-Jährigen keine signifikante Änderung gibt, werden in Glinde im Jahr 2030 rund 38 Prozent mehr Menschen ab 65 Jahre leben, Reinbek kommt auf 17 Prozent. Groß ist auch die Steigerung der Single-Haushalte 60plus: Hier wächst Glinde um 47 Prozent (610 Haushalte), Reinbek um 29 (670). Bei den Ein- und Zweipersonenhaushalten (Glinde plus 17 Prozent, 1020 Einheiten/Reinbek plus 12 Prozent/1090) verläuft die Kurve ebenfalls nach oben.

Welche Auswirkungen hat die Zunahme auf den Wohnungsmarkt?

Die Studie prognostiziert in Stormarn einen Wohnungsneubedarf von 15.700 bis 2030. Gefragt sind vor allem kleinere Einheiten für allein lebende Ältere. Heinz-Dieter Weigert, Vorsitzender des Reinbeker Seniorenbeirats: „Viele ältere Menschen haben 1000 Quadratmeter Grundstück und ein Haus. Sie wollen raus, können aber nicht, weil es keine Angebote gibt.“

Guido Sempel von der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt spricht zwar von einem „deutlichen Neubaubedarf für das Umland“, sagt aber auch: „Die Bestandsentwicklung ist zentrales Thema auch in dieser Region.“ Für Hartmut Thede, Bundesverband Freier Immobilien und Leiter Projektentwicklung beim Wohnungsunternehmen Semmelhaack, „liegt die Aufgabe der Zukunft in der Bestandssanierung“. Enormen Sanierungsbedarf werde es bei Häusern aus den 60er-Jahren aufgrund fehlender Barrierefreiheit geben, sagt Bernd Kritzmann, Professor an der HafenCity Universität Hamburg.

Wie wohnen wir in der Zukunft?

Architekt Kritzmann sieht bei Neubauten den Trend hin zu generationsübergreifenden Quartieren: „Die Siedlungsstruktur beinhaltet eine Durchmischung unterschiedlicher Wohnformen, also individuelle Doppel- und Reihenhäuser sowie mehrgeschossiger Wohnungsbau für Jung und Alt. Wichtigstes Kriterium dabei ist die Barrierefreiheit.“ Die Einheiten würden sich durch hohen Komfort mit optimierten Raumflächen, günstige Mieten und niedrigen Nebenkosten auszeichnen. Kritzmann: „Notwendig ist zudem eine gute Infrastruktur sowie die Anbindung des öffentlichen Personennahverkehrs an die Ortsteile und die City.“

Wie kann der Wohnungsbauprozess beschleunigt werden?

Die Experten waren sich einig: Aufgabe von Verwaltung und Politik ist es nun, eine Strategie zu entwickeln, die konsensfähig ist. Denn die Planungshoheit liegt bei den Kommunen. Christoph Kostka vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen beklagte, die Politik sei bisher zu zaghaft gewesen. Passend dazu: In Reinbek hat die Verwaltung bereits 2012 eine Beschlussvorlage zur Entwicklung eines Wohnbauflächenprogramms eingebracht. Laut Bürgermeister Axel Bärendorf liegt sie bis heute im Bauausschuss.