220 Besucher hören Vorträge von Astrophysik bis zu Altersforschung: Die 1. Ahrensburger Nacht des Wissens im Marstall macht Lust auf mehr

Ahrensburg. Das Experiment konnte angesichts des Zuspruches schon vor Beginn als gelungen bezeichnet werden: 220 Zuhörer waren in den Ahrensburger Marstall gekommen, um etwas zu lernen, und das auf hohem Niveau. Die Schleswig-Holsteinische Universitäts-Gesellschaft (SHUG) feierte den Doppelgeburtstag ihrer Sektionen in Großhansdorf (50 Jahre alt) und Ahrensburg (20 Jahre) mit der 1. Ahrensburger Nacht des Wissens. Im Publikum waren alle Altersklassen vertreten, denn auch viele junge Besucher waren erschienen, darunter einige Schüler. Die Aussicht auf vier anspruchsvolle halbstündige Vorträge hatte also durchaus motivierend gewirkt.

Uwe Rehder, Leiter beider Sektionen und Moderator des Abends, erinnerte noch einmal an den Zweck der 1918 gegründeten SHUG: die Bevölkerung in Schleswig-Holstein durch allgemein verständliche Vorträge mit den wissenschaftlichen Forschungen und Erkenntnissen der Christian-Albrechts-Universität Kiel vertraut zu machen. Gerhard Fouquet, Präsident der Kieler Hochschule, die im kommenden Jahr 350. Geburtstag feiert, lobte die Arbeit der 49 SHUG-Sektionen im Lande, die gewissermaßen Impulsgeber seien, indem sie die Professoren einlüden und Forschungsergebnisse der Talentschmiede in Kiel verbreiteten.

Gastgeber Rehder fand ein blumiges Bild für das Gelingen der Premiere: Mit Blick auf die in einer hohen Vase neben dem Rednerpult dekorativ arrangierten langstieligen Forsythien sagte er, die Gärtner hätten ihm versichert, dass die Zweige im Laufe des Abends noch aufblühen würden.

Zum Auftakt fragte Manfred Hanisch „Gibt es eine europäische Identität?“. Der Historiker entwickelte die Antwort in Gegensätzen, indem er zunächst die kulturelle Gemeinschaft, etwa durch gemeinsame Geistesgeschichte und christliche Religion, skizzierte, bevor er zum Trennenden kam, das er in einem plakativen Satz zusammenfasste: „Wir verstehen einander nicht.“ Was nicht allein an den unterschiedlichen Sprachen liegt, sondern im übertragenen Sinne auch an der gegenseitigen Unkenntnis.

Doch, so Hanisch, es bestehe Hoffnung, denn auch nationale Identitäten seien nicht auf ewig festgeschrieben, sondern veränderbar. Was auch notwendig sei, weil wir als kleine Staaten in einer globalisierten Welt zusammenhalten, also politische Identität finden müssten. Hanischs Ausblick: „Wohin geht der Zug? Das kann ich nicht beantworten. Ich bin Historiker, kein Zukunftsforscher.“ So blieb die Erkenntnis, dass Wissenschaft nicht immer Lösungen bietet, aber Denkanstöße.

Danach wurde es thematisch deutlich größer mit dem Mann, der sich das Unvorstellbare vorstellen kann. Astrophysiker Wolfgang Duschl entwickelte in seinem Vortrag „Ein ganzes Universum knapper Güter“ die Geschichte des Universums vom Urknall bis in die ferne Zukunft. Dabei kam er nicht vom Hölzchen aufs Stöckchen, sondern kurzweilig von Hubble auf Einstein, auf die großen physikalischen Prozesse im Universum, die Substanz zehrende Umwandlung von Masse in Energie auf der Sonne und die Entstehung der Elemente, die uns ausmachen. Wolfgang Duschls Schlusswort: „Es würde mich freuen, wenn Sie den Eindruck gewonnen hätten, dass Wissenschaft Riesenspaß macht.“ Lautstarker Applaus nach einer Sternstunde.

Im Anschluss standen die Professoren kurz beieinander und freuten sich über den Zuspruch. „Die Uni ist weit weg von der Lebenswirklichkeit. Hier lernen wir anderes Publikum kennen“, sagte der Materialwissenschaftler Rainer Adelung. Seine Kollegen bestätigten, dass der Austausch mit interessierten Laien lehrreich ist: „Das gibt auch uns Impulse zum Nachdenken.“

Zuhörer Helge Beck, der anderthalb Stunden aus Eggstedt bei Hochdonn nach Ahrensburg gefahren war, wusste schon zur Pause, dass es sich gelohnt hat: „Mich beeindruckt die Fähigkeit, hochwissenschaftlichen Stoff nicht trivial, sondern geschickt ansprechend zu formulieren. Das sind hier hochkarätige Wissenschaftler, die nicht den Boden unter den Füßen verloren haben.“

Danach verriet Alexander Klimovich aus St. Petersburg, der in der Arbeitsgruppe des Zoologen Thomas Bosch in Kiel forscht, wie und warum wir Menschen altern und was man dagegen tun. kann. Der Evolutionsbiologe erzählte vom Süßwasserpolypen Hydra, der ein Gen hat, das ihn potenziell unsterblich macht, weil es die unbegrenzte Erneuerung von Stammzellen ermöglicht – ein Gen, das auch bei sehr alten Menschen nachgewiesen wurde. Einleitung einer Publikumsfrage: „Mich würde die Unsterblichkeit interessieren.“ Doch Dr. Klimovich konnte nicht helfen: „Wir können einzelne Typen von Stammzellen beeinflussen wie bei der Leukämie. Aber das ganze System zu ersetzen, ist nicht möglich. Es tut mir leid.“

Etwas extrem Leichtes zum Abschluss bot Physiker Rainer Adelung, der im Forschungsverbund das leichteste Material der Welt entwickelt hat. Das Aerographit, das aus einem Netz von porösen Kohlenstoffröhrchen besteht, könnte ein besonders energieeffizienter Baustoff der Zukunft werden. Adelung bewies, dass auch inhaltlich schwere Materie federleicht präsentiert werden kann. Wer danach in die Gesichter des Publikums schaute, wusste, dass im Verlauf dieses Abends nicht nur die Forsythien aufgeblüht waren.