„Die Sonne stand an diesem Tag sehr tief. Ich konnte nichts sehen.“

Ahrensburg. Mit diesen Worten versucht Mark Hansen (Name geändert) zu erklären, warum ein Mensch sterben musste. Der wegen fahrlässiger Tötung Angeklagte, 45, wirkt bei seiner Aussage vor dem Ahrensburger Amtsgericht sehr angespannt, rote Flecken bilden sich an seinem Hals, als er sich an den 12. August 2012 erinnert. Es war ein Sonntag. Gegen 18 Uhr fuhr Hansen in Lütjensee auf dem Sprenger Weg und wollte die Kreuzung Bahnhofstraße überqueren. Dort hätte er an einem Stoppschild warten müssen. Doch der Trittauer hielt nur kurz und fuhr los. Mit fatalen Folgen.

Denn auf der Hauptstraße war ein 50 Jahre alter Mann mit seiner Harley unterwegs. Er versuchte noch zu bremsen, doch er hatte keine Chance. „Es knallte laut. Dann stand der Motorradfahrer vor meinem Auto und fiel plötzlich um“, sagt Hansen. „Warum sind Sie losgefahren, wenn sie nichts sehen konnten?“ möchte der Richter wissen. Der glatzköpfige Angeklagte macht kurz Pause, ordnet die Kugelschreiber und Zettel vor sich auf dem Tisch und sagt: „Weil ich mir sicher war, dass von rechts nichts kommt.“

Für den Anwalt der Witwe, die als Nebenklägerin in dem Prozess auftritt, ist diese Aussage widersprüchlich: „Wie konnten Sie sich sicher sein? Sie sagten, dass Sie geblendet waren. Also haben sie das Risiko in Kauf genommen?“ Hansens Anwalt rät dem Angeklagten, auf diese Frage nicht zu antworten, und so schweigt der Mann. Klarheit bringt indes ein Sachverständiger. „Ich war einen Tag nach dem Unfall erneut an der Kreuzung, um zu sehen, wie tief die Sonne um diese Uhrzeit steht. Eine Blendung durch die Sonne konnte ich aber nicht feststellen“, sagt der Experte, der den Unfall untersucht hat.

Unfallfahrer entschuldigt sich erst im Prozess bei den Hinterbliebenen

Für die Hinterblieben sind das Auftreten des Angeklagten und die Widersprüche blanker Hohn. „Er wirkt völlig teilnahmslos. Es ist ihm egal“, sagt Gitta Weise, 73, die Mutter des Verstorbenen. „Er ist nach dem Unfall noch nicht einmal zu uns gekommen, um sich zu entschuldigen“, fügt der Vater des Opfers, Karl-Heinz Weise, 73, hinzu.

Das will Mark Hansen jetzt im Prozess nachholen. „Mein Mandant hat den Hinterblieben etwas zu sagen“, so der Verteidiger. „Das ist nach eineinhalb Jahren nicht mehr nötig“, erwidert die Witwe. Die Arme der brünetten, schlanken Frau sind verschränkt, sie trägt noch immer ihren Ehering. Laut dem Verteidiger sei es zuvor aus Respekt gegenüber der Familie nicht zu einer Entschuldigung gekommen, und so sagt Hansen leise vor Gericht: „Es tut mir leid.“

Für die Familie bringen diese Worte den Ehemann, Sohn und Vater nicht zurück. Gitta Weise sagt nach dem ersten Verhandlungstag mit rot unterlaufenen Augen: „Mein Sohn war das Einzige, das wir hatten.“ Der Prozess wird am Mittwoch, 29. Januar fortgesetzt.