Barsbüttelerin sagt, ein Polizist habe sie aufgefordert, das Tier zu überrollen. Dann schlugen Beamte selbst zu

Oststeinbek. Es war der Montagabend vor eineinhalb Wochen. Jutta K. wollte gerade auf den Parkplatz eines Discounters an der Straße Im Hegen in Oststeinbek abbiegen, als sie im Scheinwerferlicht auf der Straßenmitte einen offenbar angefahrenen Hasen entdeckte. Die Barsbüttelerin: „Das Tier lag flach auf dem Boden, der Kopf war oben, die Ohren angespitzt, und es guckte genau in meine Richtung.“ Sie zögerte keine Sekunde, griff zu ihrem Handy und wählte um 19.06Uhr den Notruf 110. Ihr Anruf landete in Hamburg, umgehend wurde sie zu der für Stormarn zuständigen Einsatzzentrale in Lübeck weitergeleitet. Über den Inhalt des Telefonats mit der Polizei sagt die 57-Jährige: „Ich sollte einen Hasen totfahren und habe das ganz klar als Aufforderung verstanden. “

Jutta K. bezeichnet sich als Mensch, der schnell Lösungen für Probleme findet. In jenem Moment fühlte sie sich aber hilflos. Da sie unter Rheuma leide, sei es ihr nicht möglich gewesen, das Tier anzuheben und von der Straße zu entfernen. Also schien ihr der Anruf bei der Polizei die beste Lösung.

Die Ausführungen des Beamten waren jedoch alles andere als befriedigend gewesen. Jutta K.: „Der Polizist, dem ich die Situation schilderte, meinte, ob ich den Hasen wohl töten könne. Als ich sinngemäß fragte, ob ich etwa drüberfahren solle, sagte er: Ja, das solle ich machen, um das Tier zu erlösen. Als ich erwiderte, dass ich das bestimmt nicht tun würde, wollte er mir eine Telefonnummer nennen, unter der ich Hilfe bekäme. Ich sagte ihm, ich sei auf der Straße, hätte nichts zu schreiben und er solle bitte dort anrufen. Das wollte er aber nicht.“

Kurze Zeit später kümmerten sich andere Menschen um das Tier. Laut Jutta K. wickelten sie es in eine Decke und holten es von der Straße. „Da war ich schon erleichtert.“

Ihr Ärger über den Beamten am Telefon ist geblieben. Deshalb hat sie sich beim Lagezentrum der Polizei beschwert. Sie wünsche sich eine Zurechtweisung des Kollegen und empfehle eine Nachschulung, heißt es in ihrem Schreiben an die Behörde. Die Barsbüttelerin: „Der Polizist hat sich unmöglich verhalten. Hätte ich auf sein Geheiß den Hasen totgefahren, hätte ich mich vermutlich im Sinne des Tierschutzgesetzes strafbar gemacht.“

Dort heißt es in Paragraf 4, Absatz 1: „Ein Wirbeltier darf nur unter wirksamer Schmerzausschaltung (Betäubung) in einem Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen, getötet werden (...)“ Der Schlusssatz lautet: „Ein Wirbeltier töten darf nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat.“ Die habe sie nicht, sagt Jutta K. Zudem sei nicht erkennbar gewesen, was genau dem Hasen gefehlt habe.

Wolfgang Becker, Leiter der für Stormarn zuständigen Polizeidirektion Ratzeburg, bestätigt den Eingang der Beschwerde. Er sagt: „Dem Kollegen hat das Fingerspitzengefühl gefehlt. So wie es die Dame geschildert hat, ist das Verhalten nicht in Ordnung. Theoretisch könnte man das als Anstiftung zur Ordnungswidrigkeit auslegen, eine Straftat ist es aber nicht.“ Der Polizist werde sicher zu diesem Vorfall befragt, über den Stand der Bearbeitung der Beschwerde gebe die Leitstelle Lübeck direkt Auskunft. Dort hatte man für die Abendblatt-Anfrage überhaupt kein Verständnis. Ein Beamter: „Dafür habe ich keine Zeit. Wir sind völlig unterbesetzt.“

Zeit für den Hasen nahmen sich die Beamten am besagten Montag dann doch noch. Und zwar rund 20 Minuten nach Eingang des Notrufs. Laut Polizeisprecher Andreas Dirscherl wurde das Tier mit einem Einsatzstock per Genickschlag getötet. „Es war nicht mehr zu retten, konnte nicht mal mehr laufen. Der Hase wurde von seinen Leiden erlöst.“

Anja Laupichler, Tierschützerin aus Lütjensee, reicht die Faktenlage in diesem Fall nicht aus, um den Tod des Hasen zu rechtfertigen. Sie sagt: „Es liegt ein Verstoß gegen Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes vor. Ein Wirbeltier darf nur getötet werden, wenn ein vernünftiger Grund vorliegt.“ Lag ein vernünftiger Grund vor? Günter Möller, Sprecher der Staatsanwaltschaft Lübeck, sagt auf Abendblatt-Anfrage: „Ob ein vernünftiger Grund vorliegt, um ein Tier vom Leiden zu erlösen, ist hier ernsthaft zu diskutieren.“