Ob draußen vor der geschlossenen St. Johanneskirche oder drinnen in der Schlosskirche – Ahrensburgs Gläubige beschäftigt vor allem ein Thema: der geplante Bauzaun um das Grundstück an der Rudolf-Kienau-Straße

Ahrensburg. Ein eisiger Wind weht um die Ahrensburger St. Johanneskirche. Es ist Sonntag, 9.30 Uhr. Zeit für die wöchentliche Andacht. Auch die Stimmung ist eisig. „Die ganze Sache ist jetzt eskaliert“, sagt Klaus Tuch vom Förderverein St. Johannes. Er meint den Zaun, den die Gemeindeleitung voraussichtlich heute rund um das Kirchengelände an der Rudolf-Kienau-Straße bauen lassen wird (wir berichteten). Somit dürfte es auch das zunächst letzte Mal sein, dass sich rund 150 Menschen, wie an diesem Sonntag, vor einem kleinen Holzaltar vor dem Eingang zu Kirche versammeln und gemeinsam das Vaterunser beten.

Vor allem aber machen sie ihrem Ärger und ihrer Enttäuschung Luft. „Das schmerzt“, sagt Tuch. Der 72-Jährige ist vom Kirchengemeinderat enttäuscht. „Man hätte uns doch informieren können“, sagt Tuch. Er hätte sich ein Gespräch gewünscht. „Es wäre doch in Ordnung gewesen, nur das Pastorat und Gemeindehaus einzuzäunen.“

Auch Hannelore Hansen ist entsetzt. „Wir haben nach der Schließung der Kirche immer das Gespräch mit dem Kirchengemeinderat gesucht. Doch das Einzige, was er uns angeboten hat, war ein Gespräch bei dem jede Seite nur zwei Vertreter schicken durfte und das der Kirchengemeinderat auf 25 Minuten begrenzt hat“, sagt Hansen. Bei diesem Treffen seien keine Kompromisse gesucht worden. „Uns wurde nur gesagt, das die Kirche geschlossen bleibt. Punkt.“

„Wir würden die Versicherung übernehmen und auch ehrenamtlich aktiv werden um das Gebäude und Gelände zu pflegen. Wir sind bereit, Geld in die Hand zu nehmen“, sagt Hansen die in der Kälte ausharrt und die Menschen motiviert, sich gegen den Gemeinderat zu wehren.

Dieter Lendzian zitiert aus der biblischen Weihnachtsgeschichte von Maria und Josef den Satz: „…sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.“ Dies gelte auch für so viele in Not geratene Menschen, die auf der Straße leben. „Wieso können diese Menschen keinen Raum in der Kirche finden?“

Die Andacht ist zu Ende. 800 Meter weiter westlich, an der Schlosskirche, läuteten um zehn vor elf die Glocken. Drinnen ist es schon voll. Aber noch immer eilen Gottesdienstbesucher die Stufen hoch. Viele kommen zu Fuß. Einige auch mit dem Fahrrad. So wie Friederike Schuldt. „Ich gehöre eigentlich zu St. Johannes“, sagt sie „und gehe auch dort zu den Andachten. Aber heute bin ich hier.“ Kurz nach ihr schließt eine ältere Dame ihr Fahrrad an. Bei ihr ist es genau umgekehrt. „Ich gehöre zur Schlosskirche“, sagt sie. „Aber ich bin immer auch zur St.Johanneskirche gegangen.“ Wie sie die aktuelle Situation findet? „Urtraurig.“

Besucher aus allen Teilen der Gemeinde sitzen in der Schlosskirche

Das Orgelvorspiel ist zu Ende. Pastor Hans-Martin Bruns tritt ans Mikrofon. „Ich freue mich, dass sie aus den unterschiedlichen Teilen der Gemeinde gekommen sind. Gerade auch aus St. Johannes“, sagt der Geistliche. Dort in St. Johannes wäre seine eigentliche Predigtstätte, als Nachfolger von Pastor Detlev Paschen.

„Ich bin sehenden Auges nach Ahrensburg gekommen“, sagt Bruns nach dem Gottesdienst. „Meine Aufgabe ist es jetzt, als Seelsorger für die Menschen in jenem Bezirk da zu sein, die nun keine Kirche mehr haben.“ Aufeinander zuzugehen sei jedoch schwierig, wenn man sich beharke. „Aber auf die Dauer geht es nur im Dialog.

110 Menschen haben sich in der Schlosskirche versammelt. „Im Durchschnitt sind es 50 bis 60“, sagt Bruns. Dass so viele Menschen von St.Johannes gekommen sind, sei stark. Bruns: „Wo sie doch so aufgebracht und enttäuscht sind und man sich wie Feinde gegenübersteht.“ Dass sie jeden Sonntag Andacht unter freiem Himmel vor der Johanneskirche abhalten, müsse man ertragen. „Auch wir. Das ist die Freiheit eines Christen.“

Von Anfang an herrscht im Gottesdienst eine konzentrierte Atmosphäre. Nur ein paar Jugendliche flüstern. Es sind Konfirmanden wie Jule und Antonia. „Die Predigt über die Hochzeit von Kanaan habe ich nicht ganz verstanden“, sagt Antonia. „Aber ich glaube die Botschaft war: dass man auch Freude haben und sich was gönnen soll.“ Jule: „Und dass das Gute bei den Christen zum Schluss kommt.“

Die Andeutungen über den Streit in der Gemeinde haben die 14-Jährigen dagegen sehr genau mitbekommen. Jule: „Wir haben im Konfirmandenunterricht darüber gesprochen und die St. Johanneskirche besichtigt.

Hin und wieder schafft es Pastor Bruns, mit modernen, humorvollen Formulierungen die Andeutung eines Lächelns bei den Gottesdienstbesuchern hervorzulocken. Aber dass die Lage in der Kirchengemeinde ernst ist, leugnet er nicht. Er nimmt den Konflikt mit ins Gebet auf: „Gott, du bist die Kraft, die verwandeln kann. Lass uns in unserer zerstrittenen Gemeinde diese Kraft erleben. Damit wir mit Zuversicht und glaubwürdig leben können.“

Die Kollekte ist für die eigene Gemeinde bestimmt

Dann die Ankündigung der Kollekte, die Pastor Bruns zögern lässt. „Es ist mir peinlich, aber sie heute für unsere Gemeinde bestimmt.“ Eigentlich sei die Kollekte für Notleidende gedacht. „Aber wir sind eben in finanzieller Not“, sagt der Pastor später.

Auch Torben Günter hat mitgesungen. Er ist nicht mehr in der Kirche. „Aber ich will im Sommer heiraten und bin jetzt auf dem Weg zurück zu alten Werten. Deswegen wollte ich den Pastor kennenlernen“, sagt der 35-Jährige. Dass die St. Johanneskirche geschlossen sei, sei schade.

Monika Karnowski sagt: „Der Zaun ist juristisch notwendig. Es gibt keine Alternative. Ich hoffe nur, dass die Gemeinde wieder zusammenwächst.“ Ihre Freundin Ruth Bax-Elliesen pflichtet ihr bei: „Die Schärfe muss raus.“

„Wegen der Finanzen muss die St.Johanneskirche geschossen werden. Aber ich habe alle Sympathie für die Menschen dort“, sagt Christian Bauermeister. „Der Zaun ist drastisch und ein verheerendes Symbol.“ Seine Frau Bodil Schau ist Mitglied im Kirchengemeinderat. Und sie kann ihrem Mann nur zustimmen: „Selbst wenn der Zaun sein muss: Er kann nur falsch verstanden werden.“ Pastor Bruns:hört das und sagt: Ich bin auch ratlos, aber ich hoffe auf eine Lösung.“