50 Anzeigen in einem Jahr: Opfer haben angeblich etwas gewonnen, sollen aber erst mal zahlen. Viele machen das auch. Oft sogar mehrfach

Bad Oldesloe. „Sie haben gewonnen!“ Diese frohe Botschaft erhalten immer wieder ältere Menschen per Telefon. Doch die meisten von ihnen verlieren dabei – und zwar ihr Erspartes. Denn die Überbringer dieser Nachricht sind oft Betrüger, die ihre Opfer geschickt und skrupellos in die Irre führen. Allein in Stormarn sind im vergangenen Jahr rund 50 Anzeigen bei der Polizei eingegangen, bundesweit registrierten die Beamten in den vergangenen drei Jahren 37.000 Betrugsfälle, in denen am Telefon falsche Gewinnversprechen gemacht wurden. Das Bundeskriminalamt (BKA) schätzt den Schaden auf 23 Millionen Euro – betont aber, dass es ein hohes Dunkelfeld gebe. Die Beamten vermuten, dass es seit 2010 mindestens 100.000 Opfer gibt.

Auch die Stormarner Kripo geht davon aus, dass die Zahl der Taten deutlich höher ist. „Die Menschen schämen sich, auf die Masche reingefallen zu sein“, vermutet Stormarns Kripochef Hans-Jürgen Köhnke. Den ersten Fall von betrügerischen Gewinnversprechen registrierten die Ermittler 2009 in Bad Oldesloe. Seitdem geht etwa jede Woche eine Anzeige ein. Zwischen 100 und 20.000 Euro erbeuten die Betrüger pro Anruf. Die Kriminellen sind schwer zu fassen, weil sie aus dem Ausland agieren. Ermittlungen haben bisher ergeben, dass Täter aus der Türkei angerufen haben.

„Die Betrüger sprechen dabei fließend Deutsch und klingen zunächst auch seriös“, sagt Manfred Knut, der bei der Oldesloer Kriminalpolizei die Betrugsfälle bearbeitet. „Die Anrufer versprechen Gewinne, beispielsweise einen Audi, Reisen oder Geld“, so Knut. Doch um den vermeintlichen Gewinn einstreichen zu können, werden die ahnungslosen Menschen erst einmal zur Kasse gebeten. „Die Betrüger erklären zum Beispiel, dass für das gewonnene Auto Zollgebühren entrichtet werden müssen, damit es überführt werden kann“, sagt Knut.

93-Jähriger überweist 13-mal, verliert mehrere 10.000 Euro

Bei Geldgewinnen fordern die Kriminellen in der Regel Steuern oder Notargebühren. „Einige Opfer werden sogar misstrauisch und fragen, ob man den Gewinn mit den Gebühren verrechnen könne“, sagt Knut. Doch die Betrüger seien so geschickt, dass sie dies ablehnten und dabei ihre Opfer unter Druck setzten. „Jede Vorsicht ist dann bei vielen Menschen ausgeschaltet, sie freuen sich über den Gewinn“, sagt der Kriminalhauptkommissar. Damit erklärt er auch, warum viele der Angerufenen nicht mal skeptisch werden lasse, dass sie an gar keinem Gewinnspiel teilgenommen haben.

„Wir haben sogar einen Geschädigten, der mindestens 13-mal Opfer wurde“, sagt Knut. Der 93 Jahre alte Stormarner soll in den vergangenen drei Jahren schon mehrere 10.000 Euro an die Betrüger überwiesen haben. Die Anrufer forderten ihn auf, Geld per Western Union – ein Anbieter weltweiten Bargeldtransfers mit Sitz in den USA – in die Türkei zu überweisen. „Diesen Transfer kann man problemlos bei der Post veranlassen. Name und Ort des Empfängers reichen“, sagt Manfred Knut. Der Name sei aber falsch, das Geld schnell abgehoben.

Auf dem Telefondisplay erscheint eine lokale Rufnummer

Erschreckend: Einige Opfer geraten immer wieder in die Fänge von Betrügern. Ein besonders perfider Trick der Kriminellen sei, sich erneut bei den Opfern zu melden, sich als Anwalt oder Polizist auszugeben und zu behaupten, durch die vorangegangene Geldüberweisung habe sich der Angerufene strafbar gemacht. Eine Strafanzeige könne er nur noch abwehren, wenn er erneut Geld überweise. Um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen, manipulierten die Betrüger die Telefonnummern, die auf dem Display des Angerufenen angezeigt werden. „Dort erscheint zum Beispiel eine deutsche Telefonnummer mit Hamburger Vorwahl“, sagt Knut. Tatsächlich sitze der Anrufer aber in der Türkei und telefoniere übers Internet.

Auf eine ähnliche Betrugsmasche ist Anfang Januar auch eine 54-Jährige aus der Nähe von Bad Oldesloe reingefallen. „Der Anruf kam morgens zwischen 8 und 9 Uhr“, erinnert sich die Frau. Ein Herr Stern habe sich als Mitarbeiter des Online-Versandhändlers Amazon ausgegeben und gesagt, dass sie 800 Euro sowie zwei Reisegutscheine im Wert von je 400Euro gewonnen habe. „Der Mann hat ganz raffiniert Triebe wie Neugier, Freude und Geldverlangen in mir geweckt“, sagt die Frau, die anonym bleiben möchte. „Normalerweise lege ich sofort auf, wenn bei solchen Anrufen ein ‚Aber‘ kommt. Doch diesmal war es anders. Der redegewandte Herr Stern nahm meine Daten auf und äußerte dann noch eine Bitte“, berichtet die 54-Jährige.

Sie sollte ein Zeitschriften-Abonnement für knapp 100 Euro jährlich abschließen, damit sie den Gewinn auch steuerfrei bekomme. Es sei für sie ein Plus-Minus-Null-Geschäft. „Es war alles so schlüssig. Also stimmte ich zu“, berichtet die Frau. Nur Sekunden nach dem Telefonat sei sie von einer anderen Firma angerufen worden, um ihre Daten zu bestätigen. „In diesem Moment wusste ich, dass ich reingefallen war“, sagt die Frau.

Sie rief die Nummer an, die sie vom Display abgeschrieben hatte. Die war nicht vergeben. „Ich habe im Internet recherchiert und Tausende von diesen Fällen gefunden. Eine Gewinnausschüttung hat es nie gegeben.“ Da habe sie sofort ihr Konto gesperrt.

Kripo hofft auf engere Zusammenarbeit mit türkischen Behörden

Der spezielle Trick mit dem Zeitschriftenabo ist jetzt erstmals in Stormarn zur Anzeige gebracht worden. „Wir werden jetzt ermitteln, wer hinter den Anrufen steckt“, sagt Manfred Knut. Sitzen die Betrüger in Deutschland, sind die Ermittlungen für die Kripo einfacher. „Beispielsweise haben wir vergangenes Jahr einen Täter in Köln ausfindig machen können, gegen den jetzt die örtliche Staatsanwaltschaft ermittelt“, sagt Kriminaloberrat Hans-Jürgen Köhnke.

„Sitzen die Täter im Ausland, müssen wir über die Staatsanwaltschaft Kontakt zu den Behörden vor Ort aufnehmen“, so Köhnke weiter. Dabei könne viel Zeit vergehen, in der die Betrüger schon längst alle Spuren verwischt haben. Somit ist es den Stormarner Beamten bisher auch nicht gelungen, Täter in der Türkei zu ermitteln.

Die Fälle nehmen bundesweit zu. Deswegen hat das BKA im September vergangenen Jahres eine deutsch-türkische Arbeitsgruppe gegründet. BKA-Präsident Jörg Ziercke äußert sich dazu in einer Pressemitteilung seines Hauses: „In Fällen von international operierenden Tätergruppierungen ist eine schnelle und verlässliche Zusammenarbeit deutscher und türkischer Sicherheitsbehörden entscheidend, um Tätern das Handwerk zu legen.“ Hans-Jürgen Köhnke hofft, dass die enge Zusammenarbeit mit den Polizisten in Ankara jetzt lange Wege abkürzt und die Täter ermittelt werden können.