Jugendliche der Bargteheider Anne-Frank-Schule gingen mit der „Alexander von Humboldt II“ auf Segeltour und drehten einen Videofilm

Bargteheide . Sie hielt das Ruder in den Händen. Nachts. Vor ihr das dunkle Meer. Über ihr der weite Himmel. Sie musste höllisch aufpassen. Denn die kleinen Schiffe hatten kein Radar. Mit dem bloßen Auge konnte die 18-jährige Jessika Schicketanz die anderen Boote schwer erkennen, wie sie da oben auf der Brücke der „Alexander von Humboldt II“ stand – einem alten Seebären gleich, während der Bug der Bark mit geblähten Segeln die Wellen der Ostsee durchpflügte.

Es war ihr erster Törn auf einem Segelschiff. Und sie liebte es auf Anhieb. Gerade das, was andere eher fürchten. „Am tollsten war die Abhängigkeit von Wind und Wetter“, sagt Jessika, die zwei Wochen Unterricht in der Bargteheider Anne-Frank-Schule für ein Abenteuer auf hoher See tauschen durfte. Der Natur ausgeliefert und zugleich in der Gemeinschaft aufgehoben. „Das hat das Gruppengefühl gestärkt. Alles funktioniert nur miteinander“, sagt sie. Sonst wäre die stählerne Bark mit ihren 24 Segeln wohl auch nicht zu bändigen.

So lenkte die junge Frau das 65 Meter lange Schiff. Sie hatte Respekt vor der Aufgabe, aber Angst flößte ihr das genauso wenig ein wie Sturmböen und meterhohe Wellen. „Es war mehr das gute Gefühl, volle Verantwortung übertragen zu bekommen. Außerdem war immer noch eine zweite Person auf der Brücke. Und ein Mitglied der Besatzung schaute auch vorbei.“

Allein war die 18-Jährige ohnehin nicht. Mit von der Partie waren Jamy Preuß, 18, Maxime Péricat, 19, und Pascal Hoorn, 20, Klassenkameraden ihrer 13 d. Und außerdem waren jede Menge andere Passagiere auf dem Schiff, auf dem jedermann mitfahren kann, der anderen Urlaub machen möchte. Einzige Voraussetzung: Alle ziehen am gleichen Tampen und in die gleiche Richtung. So steht es auf der Homepage der Deutschen Stiftung Sail Training der Eigentümerin der Bark.

Die Bargteheider Schüler machten nicht Urlaub. Sie heuerten mit einer Mission an. Sie hatten den Auftrag erhalten, einen Werbefilm für eine Fahrt auf dem Rahsegler zu drehen. Eine anspruchsvolle Aufgabe. „Ich hatte Angst, dass wir das nicht hinkriegen“, sagt Jamy. Sie haben es hinbekommen. Zweieinhalb Minuten haben sie „im Kasten“, die jetzt hochgeladen wurden und unter www.alex-2.de auf der Homepage der Stiftung zu sehen sind. „Unsere Klassenlehrerin Tanja Braun-Schieber hat Kontakt zu einem Geschäftsmann, der die Stiftung berät. So ist das Ganze zustande gekommen. “ Und weil ein solcher Film Zeit braucht, durften die Schüler gleich zweimal auf die Reise. Jeweils sieben Tage ging es im April und im August durch Ost- und Nordsee.

Die Klasse 13 d stimmt ab und wählte die vier Schüler für die Törns aus

Fragt sich noch, warum gerade diese Vier fahren durften und nicht andere aus der Klasse. „Wir haben abgestimmt. Jeder durfte vier Vorschläge machen“, sagt Jessika. Vier deshalb, weil es um vier Kategorien bei der Auswahl ging: Kreativität, Disziplin, Organisation und Erfahrung beim Filmdrehen. Die Wahl fiel ziemlich deutlich aus. „Wir haben uns natürlich wahnsinnig gefreut“, sagt Jamy, die als Klassensprecherin organisieren können muss. „Und auf Jessika ist absolut Verlass“, sagt sie. Pascal brachte Erfahrung als Videofilmer mit. „Und ich bin der kreative Kopf“, sagt Maxime. Damit war das Team klar.

Wer geglaubt hatte, die Klassenkameraden werden an Bord lau machen und zumindest richtig ausschlafen können, statt morgens zur Schule zu hetzen, lag vollkommen falsch. „Wir hatten Schicht 04“, sagt Pascal. Das hieß: Um 23.30 Uhr aufstehen. Mitternacht Dienstantritt. Dann bis morgens um vier erste Wache. Frei. Und von mittags bis nachmittags um vier zweite Wache.

Pascal: „Wir wurden alle einzeln geweckt. Sehr liebevoll. Der Vorhang blieb zu. Das Crew-Mitglied nannte unseren Namen und sagte beispielsweise gleich: zehn Grad und Regen. Damit wir Bescheid wussten.“ In der Hektik verzichtete Pascal meistens auf das morgendliche Duschen, huschte in die Messe – dem Esszimmer der Seeleute – „krallte sich ein Brot“ und ging schnurstracks an Deck. Geduscht oder nicht. „Das ist egal. Hauptsache man ist zur Stelle“, sagt Pascal. „Einfach nicht in den Wind stellen. Dann merken es die anderen nicht“, sagt Jamy und lacht.

Die jungen Leute wurden für den Ausguck und den Rudergang eingeteilt. Pascal: „Und wenn Segel hochgezogen werden mussten, packten alle an.“ Zwischen den Schichten gab es Zeit zum Schlafen, zum Essen oder um das Duschen nachzuholen. „Es gab sogar Einzelduschen. Die haben wir Mädchen immer benutzt“, sagt Jamy. Und bequeme Kojen gab es auch. „Die waren richtig mit Bettzeug ausgestattet“, sagt Maxime. Und damit man ungestört bei einer kleinen Lampe lesen oder nach der harten körperlichen Arbeit schlafen konnte, hing ein dunkelroter Vorhang vor der Koje. Maxime: „Das war gemütlich. Man fühlte sich total geborgen.“

Wer hart arbeitet, will nicht nur schlafen, sondern was zwischen die Kiemen bekommen. „Der Smutje hat gesagt, wenn das Essen gut ist, ist auch die Stimmung in Ordnung. Und das stimmt“, sagt Jamy. Sie erinnert sich an leckere Schweinemedaillons. Und Nachtisch gab es auch. „Mousse au Chocolat. Schwarz und weiß“, sagt Pascal und gerät ins Schwärmen.

In der Messe stand immer Essen bereit. Morgens Brote. Mittags und abends warme Gerichte. Jessika: „Und Kuchen gab es natürlich auch. Auf einem Schiff fuhr sogar ein Konditor mit, der hat extra Geburtstagstorten gebacken.“ Suppenteller wurden wegen Überschwapp-Gefahr nur zur Hälfte gefüllt. Und damit bei Wellengang nicht alles herunterflog, gab es Gummimatten, die das Geschirr stoppten. Manchmal nahmen die Jungs die Gummimatten allerdings weg, stellten ein Glas auf den Tisch und beförderten es bei Schräglage auf die andere Seite.

Die Stiftung will mit dem Schulschiff das Gemeinschaftsgefühl und das Verantwortungsbewusstsein stärken. Das hat bei den Bargteheider Schülern geklappt. Aber was die Begeisterung für die christliche Seefahrt angeht, fällt die Bilanz gemischt aus. Jamy winkt ab. Sie wollte am liebsten sterben, als sie seekrank war. Auch Pascal wurde es mulmig. Außerdem konnte er bei dem Geschaukel nicht schlafen. Und Maxime wird wohl weiter surfen. Bleibt Jessika. Und die ist hin und weg: „Ich würde jederzeit wieder an Bord gehen.“