Anwohner der Stübenkoppel müssen weiter auf eine schalldämmende Wand warten. Denn wer die bauen lassen muss und wer die Kosten dafür trägt, ist völlig offen

Glinde. Sie war erwartungsfroh vor Beginn der Bauausschusssitzung und hatte 20 Unterstützer mitgebracht. „Das ist heute ein Meilenstein für uns“, sagte Dagmar Coordts, neben Junias Berndt Sprecherin der Glinder Bürgerinitiative „Lärmschutz K 80“. Seit Jahren hatten sie auf diesen Tag gewartet, mit ihrem Anliegen auf der Tagesordnung zu stehen. Ihre Forderung nach dem Bau einer neuen Lärmschutzwand sollte das Gutachten eines Ingenieurbüros stützen, das zusammen mit der Stadt in Auftrag gegeben wurde. Zweieinhalb Stunden später war von Optimismus bei der 63-Jährigen jedoch keine Spur mehr. Enttäuschung machte sich breit. Genauso wie bei ihren Mitstreitern aus der Stübenkoppel.

„Die Kernaussage, dass die vorhandene Lärmschutzwand keine schalldämmende Wirkung hat und demnach gar kein Lärmschutz vorhanden ist, kam in dem Sachbericht überhaupt nicht rüber“, empörte sich Coordts. Sie bezieht sich auf einen ersten Entwurf des Gutachtens vom Dezember vergangenen Jahres. Darin heißt es: „Gemäß Ortsbesichtigung hat die vorhandene Lärmschutzwand nicht den gemäß Prüfzeugnis erforderlichen Aufbau und somit keine gesicherte ansetzbare schalldämmende Wirkung, unabhängig zusätzlich vorhandener schadhafter Stellen; in einer Berechnung der aktuellen Lärmsituation wird somit keine Lärmschutzwand berücksichtigt.“

Im Vortrag bezog sich das Ingenieurbüro allerdings auf eine erweiterte Fassung – und arbeitete vornehmlich die 40-jährige Geschichte in punkto Lärmschutz von der B-Plan-Aufstellung an auf. Darüber, ob die Stübenkoppel-Anwohner über das Maß hinaus von den Fahrzeugen auf der K 80 belästigt werden, machte der Gutachter nur schwammige Angaben. Coordts: „Ich hatte Mühe, den mir vorliegenden Entwurf wiederzuerkennen.“ Auch die Kommunalpolitiker, die letztendlich über das Projekt zu entscheiden haben, wirkten ob der Darstellung des Prüfungsunternehmens irritiert.

CDU-Fraktionsvorsitzender Neumann lädt Initiativensprecherin zu Sitzung

Zum Beispiel Peter-Michael Geierhaas von der SPD. „Es müssen Details zur Entscheidungsgrundlage führen. Mir fehlen die Fakten“, sagte er. Doch bis es zu einer Abstimmung über Sanierung oder Neubau kommt, wird es noch länger dauern. Denn die Situation ist verworren. Das machte auch der Gutachter deutlich. So viel ist klar: Eigentümer der Lärmschutzwand ist Glinde, finanziert wurde sie vom Kreis und der Stadt. Auf der einen Seite gibt es einen Bebauungsplan, der die Erstellung eines fünf Meter hohen Lärmschutzwalls vorsieht. Auf privatrechtlicher Basis zwischen Kreis und Stadt wurde jedoch etwas anderes erstellt: eine Lärmschutzwand aus Holz mit einer dünnen Dämmplatte, die an Coordts’ Grundstücksgrenze gerade einmal hüfthoch ist. Bürgermeister Rainhard Zug: „Die Aktenlage aufzuarbeiten ist schwierig, weil sie nicht vollständig ist.“ Laut Wolfgang Pohlmann von der SPD wisse man nicht, ob die Stadt rechtlich verpflichtet sei, etwas zu unternehmen und damit auch zu zahlen.

Deshalb will der Verwaltungschef die Vergangenheit mit Hilfe eines Verwaltungsjuristen aufarbeiten. Dafür soll er jetzt einen Zeitplan sowie die Kosten ermitteln, beschlossen die Ausschussmitglieder. Auch wollen sie bis Mitte März Kenntnis über den Preis einer Lärmschutzwand. Zug: „Die Frage ist, wer auf welchen Grundlagen gewisse Kosten tragen muss. Da benötigen wir Rechtssicherheit. Ohne eine zweite intensive Prüfung kann ich nicht sagen, wie wir mit dem Projekt umgehen.“

Glindes CDU-Fraktionsvorsitzender Rainer Neumann suchte bereits am Abend während einer kurzen Pause das Gespräch mit Coordts und lud sie zu einer der nächsten Sitzungen. Er sagt: „Die Situation ist unbefriedigend für die Anwohner der Stübenkoppel. Wir müssen uns jetzt bemühen, eine Lösung zu finden, die ihnen gerecht wird.“ Dagmar Coordts macht diese Aussage wieder Mut: „Wir hatten den Eindruck, dass die Politiker uns ernst nehmen und ihre Zusage auf Unterstützung einhalten.“