Sturmtief „Xaver“: Hochbahn beziffert den Schaden durch den in Großhansdorf umgestürzten Baum. Unklar, wer zahlt

Großhansdorf. Ohne Vorwarnung lag das Schreiben der Hamburger Hochbahn AG im Faxgerät des Großhansdorfer Rathauses – rund eine Woche nachdem Sturmtief „Xaver“ Anfang Dezember über der Waldgemeinde gewütet und einen Baum entwurzelt hatte, der in der Folge einen U-Bahn-Zug zum Entgleisen brachte. „Gegenwärtig schätzen wir den Schaden am U-Bahn-Fahrzeug auf voraussichtlich 1.500.000 Euro“, heißt es in dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt. Und: „Daneben ist das Brückenbauwerk über dem Waldreiterweg beschädigt worden; der dort entstandene Schaden beläuft sich voraussichtlich auf wenigstens weitere 500.000 Euro.“

Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß habe „geschluckt“, als er die fett gedruckte Betreffzeile des Schreibens gelesen habe. Denn dort ist von der „Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers“ die Rede. Und am Ende heißt es: „Das betreffende Grundstück befindet sich nach unserer Kenntnis auf dem Gebiet Ihrer Gemeinde.“ Voß: „Das ist schon schwer zu vermitteln, dass ein einziger Baum unsere Gemeindekasse möglicherweise mit zwei Millionen Euro belasten wird.“

In Folge des Sturmtiefs „Xaver“ ist die Buche auf die Gleise gestürzt

Das war passiert: In der Nacht zum 6. Dezember fährt eine U-Bahn der Linie 1 aus Hamburg kommend in Richtung Endstation Großhansdorf. Schon Tage vorher hatten Experten vor dem Sturmtief namens „Xaver“ gewarnt: Orkanböen, Schnee und Sturmfluten waren angekündigt. Zwischen den Haltestellen Kiekut und Großhansdorf wehen die Böen kurz vor Mitternacht eine etwa 80 Jahre alte Buche um, der Baum stürzt auf die Gleise. Der Fahrer des Zuges bemerkt das Hindernis zu spät. Mit fast 80 km/h prallt die Lok gegen den Stamm, schleift ihn mit und kommt an der Brücke zum Stehen. Ein Waggon entgleist, auch die Schienen werden beschädigt. Bis heute müssen die Bahnen sicherheitshalber im Schritttempo über die Brücke am Waldreiterweg fahren.

Die Hochbahn ist nach dem Unfall, bei dem einer der sechs Fahrgäste verletzt wurde, mehrere Tage damit beschäftigt, den Zugverkehr auf der Strecke wiederherzustellen. Ein Kran hebt schließlich den entgleisten Waggon von der Strecke. Die Gleise werden repariert. Erst als ein Statiker die Brücke freigibt, dürfen die Züge wieder rollen.

In der Zeit sei er mehrfach an Unfallort gewesen, sagt Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß: „Die Zusammenarbeit mit der Hochbahn war stets gut.“ Umso mehr habe ihn das Schreiben verwundert. „Darüber hätte man auch vorab sprechen können“, findet er. Ein Gespräch hätte das Unternehmen, das für den Betrieb der Busse und die U-Bahnen in Hamburg verantwortlich ist, möglicherweise in Sachen Schadensregulierung weitergebracht.

Der Baum, der auf die Gleise gestürzt ist, gehört nämlich, so sagt es Bürgermeister Voß, nicht der Gemeinde. Die Buche im sogenannten Wald Rauhe Berge habe auf dem Gebiet des Staatsforstes gestanden. Sie würde damit in die Verantwortung der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten fallen – eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und Forstwirtschaftsbetrieb des Landes Schleswig-Holstein. Mit dem zuständigen Förster sei er zeitnah nach dem Unglück am Unfallort gewesen, sagt Voß. Das Ergebnis ihrer Begehung fasst er so zusammen: „Dass der Baum ungekippt ist, war höhere Gewalt.“ Der Baum sei von einem Pilz befallen gewesen, der die Wurzeln angegriffen habe.

Gegenüber dem Abendblatt wollte der Förster sich nicht zu dem Fall äußern. Er hat auf die Zentrale der schleswig-holsteinischen Landesforsten verwiesen. Die zuständige Pressesprecherin war bisher nicht zu erreichen.

Versicherer glauben nicht, dass das Land haften muss

Ob letztlich das Land für den Schaden aufkommen muss, ist indes unklar. Denn nach Einschätzung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherer (GDV) muss die Anstalt Schleswig-Holsteinische Landesforsten wohl eher nicht haften. Die Sachverständigen ordnen den Schaden so ein: „Wenn der Eigentümer die Bäume regelmäßig kontrolliert hat, dann muss seine Haftpflichtversicherung auch nicht zahlen“, sagt Sprecherin Alina Schön. „Ein Sturm ist höhere Gewalt.“ Die Kontrollpflicht beschränke sich auf den Stamm des Baumes., die Wurzel könne schließlich kaum überprüft werden.

Das bedeutet in der Konsequenz laut GDV: Höchstwahrscheinlich ist die Versicherung (eine Transport- oder Gebäudeversicherung) des Betreibers, also der Hochbahn selbst, in der Pflicht. Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum wollte sich auf Anfrage des Abendblattes nicht zu dem Sachverhalt äußern, weil die zuständigen Sachbearbeiter nicht im Haus seien.