Müllverbrennungsanlage will länger als 2016 in Betrieb bleiben und bewirbt sich erneut um Restmüll aus Stormarn

Stapelfeld. Wo wird der Restmüll aus den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg künftig verbrannt? Es geht um 70.000 Tonnen pro Jahr von 2017 an; 39.000 davon kommen aus Stormarn. Eine entsprechende Ausschreibung der kommunalen Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) ist nun erschienen – europaweit. Der entsprechende Vertrag soll zunächst bis zum 31. Dezember 2024 laufen und kann danach einmal verlängert werden.

Hausabfall, stinkendes Gold: Für die Müllöfen ist er wertvoller Brennstoff, doch es fällt immer weniger davon an. Deshalb gibt es bei den Entsorgern schon jetzt ungenutzte Kapazitäten – Tendenz steigend.

In Stapelfeld zum Beispiel. Die Müllverbrennungsanlage (MVA), in der Stormarner und Lauenburger Müll seit 1979 verfeuert wird, steht nach heutigem Stand der Dinge ab Jahresende 2016 ganz ohne Auftrag da. Wie berichtet, haben sowohl die AWSH als auch die Stadtreinigung Hamburg ihre Verträge fristgerecht gekündigt. Folge: Eine Müllverbrennungsanlage sucht Müll. Sollte der nicht gefunden werden, wäre nach 37 Jahren der Ofen aus.

Doch mit letzterer Variante wollen sich die Verantwortlichen der GmbH Energy from Waste (EEW) – bis April dieses Jahres eine 100-prozentige E.on-Tochter – offenbar nicht anfreunden. Wenn es irgendwie möglich ist, solle der Betrieb weitergeführt werden, das hat EEW-Chef Carsten Stäblein im Frühjahr im Abendblatt-Interview betont. Frank Ehlers, seit gut einem Jahr Geschäftsführer in Stapelfeld, sagt: „Wir rechnen bis April 2015 mit einer Entscheidung über die Zukunft der Anlage. Bis dahin werden wir wissen, ob und wie viel kommunale Abfälle wir bekommen.“

Die sind in der Branche besonders beliebt, weil ihre Konsistenz relativ homogen ist, sodass sich die Öfen konstant befeuern lassen. Unlängst hat Ehlers angekündigt, sich sowohl an der AWSH-Ausschreibung zu beteiligen als auch an einer der Hamburger Stadtreinigung, die da kommen solle. Wann? „Wir werden uns Ende 2014 Gedanken machen, welche Mengen wir wo entsorgen lassen“, sagt Stadtreinigung-Sprecher Reinhard Fiedler.

Bei dem jetzt ausgeschriebenen Auftrag der AWSH geht es zwar um zig Millionen Euro. Trotzdem müssen die Rahmendaten aus Sicht eines Müllverbrennungsanlagenbetreibers ernüchternd sein. Die Menge allein aus Stormarn und Lauenburg ist von 115.000 Tonnen, die seit 1996 geliefert werden, auf 70.000 nach unten korrigiert worden. „Wir forcieren mit unserer neuen Entgeltordnung eine noch bessere Mülltrennung“, sagt AWSH-Geschäftsführer Dennis Kissel. Er hat Hoffnungen, dass wegen der freien Kapazitäten in den Verbrennungsanlagen ein deutlich niedrigerer Preis pro Tonne erzielt werden kann als 1996. Davon werde der Kunde profitieren: Langfristig, davon ist Kissel überzeugt, werden die Kosten für die Müllabfuhr in Stormarn sinken.

Wünscht sich der AWSH-Chef, dass Stapelfeld den neuen Auftrag bekommt? „Es geht nicht darum, was wir uns wünschen“, sagt Kissel. „Das ist ein Wettbewerb, und am Ende zählt das günstigste Angebot. Aus dem Stegreif zählt er im Umfeld Stormarns – dazu zählen Schleswig-Holstein, der Norden Niedersachsens, Bremen und Teile Mecklenburg-Vorpommerns – 17 Anlagen auf, die infrage kommen könnten.

Für Stapelfeld spricht sicherlich der kurze Transportweg, auch der ist ein Kostenfaktor. Gegen Stapelfeld könnte aus Sicht der AWSH sprechen, dass mit einem 70.000-Tonnen-Aufrag gerade einmal ein Fünftel der Kapazitäten genutzt würden. Das kann aus Sicht des Betreibers nur unwirtschaftlich sein und muss für einen Auftraggeber die Frage nach der Entsorgungssicherheit aufwerfen.

Das ist das Dilemma, in dem EEW in Stapelfeld steckt: Jeden potenziellen Auftraggeber könnte abschrecken, dass er der einzige sein könnte, obwohl alle zusammen womöglich genug Müll liefern würden. Aber es gibt einen Plan B. Freie Kapazitäten könnten genutzt werden, um Gewerbeabfälle, sogenannte handelbare Abfälle, zu verbrennen, die EEW am freien Markt akquirieren müsste. Zurzeit liefert die AWSH selbst zugekauften Müll an, um die bis Ende 2016 vertraglich festgeschrieben Kontingente überhaupt zu erreichen.

Eine weitere Option, die EEW-Chef Stäblein ins Gespräch gebracht hat, ist aus dem Ausland importierter Müll. Frank Ehlers: „Warum sollte ich ihn nicht hierher transportieren, wo ich eine geregelte Entsorgung habe, während er anderswo auf einer Deponie schädlich für die Umwelt wäre?“ EEW-Sprecher Andreas Aumüller: „Das muss man mal auf die globale Ebene heben.“

Die Entscheidung über die Zukunft der MVA hat auch Folgen für 75 Arbeitsplätze und die Gemeindekasse. Bürgermeister Jürgen Westphal (Wählergemeinschaft WSG) sagt: „Die MVA beschert uns noch immer erhebliche Gewerbesteuereinnahmen.“ Außerdem legen die Gemeinde großen Wert darauf, dass die Fernwärmeversorgung erhalten bleibe. Was das neben der MVA geplante Blockheizkraftwerk (wir berichteten) leisten werde, reiche jedenfalls nicht aus, um die Leistung der Müllöfen zu kompensieren. Westphal: „In der Gemeindevertretung sind wir einstimmig übereingekommen, dass wir es wohlwollend aufnehmen würden, wenn der Betrieb weiterginge.“