In Reinfeld kommen Fußgänger und Radfahrer bald auf einer Brücke über die Gleise. Autos werden folgen

Reinfeld. Als letzte Stormarner Stadt an der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck schafft Reinfeld den Übergang ins schrankenlose Zeitalter. Im Laufe des Jahres 2016, so jedenfalls der Zeitplan, wird es erstmals möglich sein, die Gleise ohne Wartezeit, ohne Rücksichtnahme auf Fahrpläne zu überqueren: Über eine insgesamt etwa 100 Meter lange Brücke, die den Bahnhofsvorplatz mit der Holländerkoppel im Südosten der Stadt verbindet. Nun hat die konkrete Planung begonnen. Bürgermeister Gerhard Horn sagt: „Es ist uns gelungen, Verbindlichkeit und Zügigkeit in das Projekt zu bekommen.“

Für Reinfeld ist das ein Meilenstein, wenn auch nur ein erster, dem irgendwann ein zweiter, gewichtigerer folgen wird. Was die Landesweite Verkehrsservicegesellschaft (LVS) im Auftrag der Bahn und die Stadt nun gemeinsam realisieren wollen, wird lediglich für Fußgänger und Radfahrer geeignet sein. Bis die geplante große Brücke für Autos – sie soll eines Tages den Bahnübergang Am Zuschlag ersetzen – fertig ist, dürften über 2016 hinaus noch drei, vier weitere Jahre vergehen. Die konkreten Planungen haben noch gar nicht begonnen.

Aber auch die kleine Fußgängerbrücke wird den Bahnübergang voraussichtlich entlasten: An ihrem Ende an der Holländerkoppel plant die Stadt einen Parkplatz. „Viele Pendler aus den umliegenden Dörfern können ihre Wagen gleich dort abstellen, wenn sie zum Bahnhof wollen. Sie müssen gar nicht mehr in die Stadt hineinfahren“, sagt Reinfelds Bauamtsleiter Stephan Kruse. Die potenziellen Stellplätze sind allerdings noch im Eigentum der Deutschen Bahn. „Wir müssen jetzt über den Ankauf verhandeln“, sagt Kruse.

Bahnhof ist der letzte größere im Land, der nicht barrierefrei ist

An der Holländerkoppel beginnt die geplante Brücke auf Straßenniveau und führt schnurgerade nach Nordwesten. Dort soll sie etwa 40 Meter rechts des Bahnhofsgebäudes auf die Bahnhofstraße treffen. Weil das Gelände nach Nordwesten hin stark abfällt, wird sie, obwohl waagerecht gebaut, eine Höhe von sieben bis acht Metern über dem Grund erreichen. An den Bahnsteigen und an der Bahnhofstraße sind Fahr-stühle vorgesehen, zur Bahnhofstraße hin ist außerdem eine rund 100 Meter lange Rampe für Radfahrer geplant. Die Folge: Reinfelds Bahnhof wird künftig ein barrierefreier sein.

Und das wird auch Zeit, meint Jochen Schulz, für Infrastruktur zuständiger Mitarbeiter der LVS. „Zurzeit ist Reinfeld die einzige größere Station in Schleswig-Holstein, die dieses Kriterium noch nicht erfüllt.“ Seinen Worten zufolge steigen in Reinfeld täglich rund 3000 Passagiere ein und aus. Sie gelangen bisher nur durch eine schmale Tür, über steile Treppen und durch einen Tunnel hindurch zu den Zügen; Rollstuhlfahrer, Eltern mit Kinderwagen, Gehbehinderte haben so gut wie keine Chance.

Kauft die Stadt das Bahnhofsgebäude?

„Der Tunnel soll zugeschüttet werden, sobald die Brücke fertig ist“, sagt Bürgermeister Horn. De facto hätte das 1865 erbaute Bahnhofsgebäude dann keine Funktion mehr. Was wird dann daraus? Reinfelds ehemaliger Bürgervorsteher Hans-Peter Lippardt (CDU) äußerte im vergangenen Jahr die Idee, die Stadt könne es im Falle eines günstigen Angebots der Bahn abkaufen. „Wir wollen es vor dem Verfall retten“, so Lippardt damals.

Sicher ist unterdessen: Allein schon wegen ihrer stadtseitig enormen Höhe wird die neue Brücke das Gesicht Reinfelds deutlich verändern. Mehr noch: Sie wird eine Art Entree sein. Sie werde, so Bürgermeister Horn, mitbestimmen, welchen ersten Eindruck die Stadt bei ihren Besuchern hinterlässt. Horn: „Funktionalität ist wichtig. Aber uns ist auch der städtebauliche Aspekt wichtig. Das Ganze muss ansehnlich werden.“

Nun gilt es, diesen Wunsch in eine konkrete Planung zu überführen. „Wir beginnen jetzt damit, verschiedene Varianten zu untersuchen“, sagt Projektleiterin Christine Sommerfeld von der Bahntochter DB International, die mit ihrem Kollegen Udo Puskeppeleit und dem Verkehrswegeplaner Thomas Bey zu einem ersten Projekttreffen ins Rathaus der Karpfenstadt gekommen war. Verschiedene Varianten, das bezieht sich vor allem auf Materialauswahl und Architektur. Fällt die Entscheidung für eine Stahlkonstruktion oder eher für einen Bau aus Stahlbeton? Kommt Glas zum Einsatz und, falls ja, wo und wie viel? Braucht das Bauwerk eine Überdachung?

Das seien Fragen, bei denen auch die Reinfelder Politik ein gehöriges Wort mitsprechen werde, sagt Bürgermeister Horn. Erst wenn sie beantwortet sind, wird sich auch die Investitionssumme beziffern lassen. Zurzeit weigern sich alle Beteiligten partout, die Kosten für das mutmaßliche Millionenprojekt auch nur ansatzweise zu beziffern. Zu groß, so ist zu hören, sei das Risiko, dass sich eine erste Einschätzung im Endeffekt als vollkommen haltlos erweise. Fest steht, dass den Löwenanteil die LVS, also das Land Schleswig-Holstein übernimmt. Reinfeld dürfte mit einem überschaubaren Eigenanteil dabei sein.