Eine Glosse von Andreas Burgmeyer

Ich habe den Eindruck, dass die meisten Menschen mit Schnupfen nicht zum Arzt oder ins Bett gehen, sondern ins Konzert oder in die UBahn. Da steht man dann als viral Unbefleckter mit guter Hoffnung und freier Nase und lauscht dem Treiben auf der Bühne, während der Herr hinter einem gutturale Würgelaute von sich gibt und sich hernach mit Sorgfalt und unter blubberndem Schnaufen in ein Taschentuch erleichtert.

Ich erinnere mich in solchen Situationen an meinen Onkel, der mal in einer Wuppertaler Ballett-Aufführung in einer stillen Phase der Darbietung einem unablässig wiederkäuenden Bronchial-Patienten laut vernehmbar zurief: „Jetzt schluck ihn endlich runter!“, woraufhin einer der Tänzer ihm dankbar applaudierte.

Das Gute an U-Bahnen ist im Unterschied zu Theatern oder Konzertsälen, dass man aufstehen und den Sitz verlassen kann, ohne dass dies einem krummgenommen wird. Angesichts eines erbärmlich vergrippten Mitreisenden, der sich in Auswurfweite in meinen U-Bahn-Wagen gesellte, entschied ich mich gestern zum Wechsel in das folgende Abteil.

Ich hastete in Wind und Regen über den Bahndamm und sprang hinein in den nächsten, randvoll mit erkälteten Menschen gefüllten Bahn-Wagen. Also wiederholte ich das Spiel, nur so aus Interesse, ob es noch eine Rotz-freie Zone geben könnte in diesen Tagen. Fehlanzeige. Im dritten Wagen gab ich auf. Und spürte ein Jucken in der Nase.