Der Angeklagte, 41, aus Trittau soll nach der Party in seinem Haus eine damals 28-Jährige missbraucht haben

Ahrensburg. Ist der 41-Jährige mit den kräftigen Oberarmen und dem Beziehungsbäuchlein ein brutaler Vergewaltiger oder Opfer einer Intrige? Mit der Frage beschäftigt sich derzeit das Amtsgericht Ahrensburg. Die Anklage gegen Hans-Martin T. (alle Namen geändert) aus Trittau, die beim Prozessbeginn am Donnerstag verlesen wurde hat es zumindest in sich: Nach seiner Geburtsfeier soll der Mann mit dem schütteren Haar Partygast Isabel B., 29, missbraucht haben – brutal, im Kinderzimmer seines Stiefsohnes.

Der Sohn des mutmaßlichen Opfers schlief im Nebenzimmer

Es war die Nacht zum 15. Januar 2012 gegen 4 Uhr, als sich T. in das Kinderzimmer seines Hauses geschlichen haben soll. Dort schlief Isabel B. – bis Gastgeber T. ihr brutal an die Brust gefasst haben soll. Anschließend habe er ihre Kleidung zerrissen und die Frau vergewaltigt. Im Kinderbettchen des Sohnes seiner Ehefrau. Besonders schwere sexuelle Nötigung lautet der Vorwurf. Mindeststrafe: ein Jahr Haft. Doch auch das mutmaßliche Opfer hat offenbar einiges vom dem, was auf der Geburtstagsfeier geschehen war, zu verbergen versucht. Das Gericht jedenfalls blickt in einen Sumpf aus Intrigen und Streitereien zwischen zwei ehemals besten Freundinnen.

Die vor Gericht verlesene polizeiliche Aussage Isabel B.s, dreifache Mutter aus Tangstedt, dokumentiert, wie der jungen Frau die Stimme wegbricht, als sie Stunden nach der vermeintlichen Tat den Hergang schildert. Wenn sie von den zahlreichen Hämatomen spricht, die ihr der Angeklagte an Schenkeln und den Brüsten zugefügt haben soll. Und von der „furchtbaren Angst“, die sie hatte. Auch, weil ihr Sohn im Nebenzimmer schlief und die Angstschreie und Abwehrkämpfe der Mutter nicht hören sollte.

Der Angeklagte will von den Vorwürfen nichts wissen. Während des fast sechstündigen Prozesstages verliert er im Gerichtssaal kein Wort. Der ermittelnde Polizeihauptkommissar, 46, der Kripo Ahrensburg lässt in seiner Zeugenaussage wissen, dass der Mann zumindest direkt nach der Tat alles abgestritten habe: „Er hat angegeben, dass er sich an keinen Vorfall erinnern könne und zudem zu betrunken gewesen sei“, sagt der Beamte. Zehn Stunden nach der Festnahme hatte er noch 0,8 Promille Alkohol im Blut. An dem Abend will der 90-Kilo-Mann eine Flasche Whiskey und etliche Schnäpse getrunken haben. Pro Stunde kann der Körper zwischen 0,1 und 0,2 Promille abbauen.

Vor Gericht lässt er sich von seiner Ehefrau und Partygast Yvonne M., 22, entlasten. Die Aussagen der Freundinnen gleichen wie ein Ei dem anderen. Zu betrunken sei Hans-Martin T. gewesen, um nach Mitternacht überhaupt noch geradeaus zu gehen. Ehefrau Melanie T., zu dem Zeitpunkt im zweiten Monat schwanger, habe zum Ende der Feier die Partygäste in mehreren Überlandtouren nach Hause gefahren. Das volltrunkene Geburtstagskind habe sie vor der letzten Fahrt auf einem Küchenstuhl platziert, dort habe die 31-Jährige ihn bei der Heimkehr auch wiedergefunden, in Gesellschaft Isabel B.s. In der Zwischenzeit, so hat sie ausgesagt, soll es zu der Vergewaltigung gekommen sein. „Sie war ganz ruhig“, sagt Melanie T., „ein Vergewaltigungsopfer stelle ich mir anders vor.“ Anders beschreibt Michael B., Ehemann der 29-Jährigen, die Verfassung seiner Frau. „Sie stand völlig neben sich, so habe ich sie noch nie erlebt.“ Seit zehn Jahren sind der 40-Jährige und Isabel B. ein Paar.

Opfer und die Ehefrau des Angeklagten waren beste Freundinnen

Noch länger waren die große, schlanke Isabel B. und mollige Melanie T. engste Freundinnen. Seit der Schulzeit kennen sich die Frauen. Oft hätten sie damals stundenlang telefoniert am Abend, die Tage oft gemeinsam mit den Kindern verbracht, sagt Isabel B.s Ehemann Michael. Dann habe es vor einigen Jahren einen Bruch gegeben. Vor Gericht nennt Melanie T. ihre Gründe: „Ich musste Isabel anzeigen.“ Die 29-Jährige soll mehr als zehn Monate in betrügerischer Absicht die Unterschrift der Freundin gefälscht haben. Auch für den Ehemann der Ex-Busenfreundin hat sie nichts über: „Er hat den ältesten Sohn von Isabel grün und blau geschlagen.“ Und auch an dem Abend soll sich das Vergewaltigungsopfer alles andere als unschuldig gegeben haben. Zeuge Ole P., 31, räumt in seiner Aussage ein, dass er den Abend mit der liierten Isabel B. „herumgeknutscht hat“. In einem Nebensatz lässt er dann die Bombe platzen: „Wir haben an dem Abend auch miteinander geschlafen“. Geburtstagskind Hans-Martin T. soll der einzige Mitwisser des Betruges gewesen sein – bis jetzt. Im Vernehmungsprotokoll hatte die Frau lediglich eingeräumt, mit dem Zeugen Ole P. gekuschelt und geredet zu haben.

Der Prozess soll am 21. November fortgesetzt werden. Beim zweiten Prozesstag sollen weitere Zeugen, darunter Isabel B., gehört werden. Sie hatte sich am Mittwochabend über ihren Arzt entschuldigen lassen. Zudem sollen die Gutachter zu der Alkoholisierung des Angeklagten und die Ergebnisse der gynäkologischen Untersuchung des Opfers vorgestellt werden. Ob nach den Plädoyers auch das Urteil fällt, steht noch nicht fest.