58.000 Euro Sparclub-Geld versteckt: 49-Jähriger zu Bewährungsstrafe verurteilt

Ahrensburg/Bad Oldesloe. Mit ruhiger Stimme erzählt der zurzeit vom Dienst suspendierte Finanzbeamte Uwe Z. (Name geändert) im Ahrensburger Amtsgericht von dem Tag, an dem er sein Leben auf den Kopf stellte. Es war ein Novembermittwoch vor einem Jahr, als der Vorsitzende des Sparclubs im Finanzamt Stormarn zur Sparkasse geht und gut 58.000 Euro abhebt. Dann versteckt er das Geld unter der Rückbank seines Autos, fährt zur Polizei. Er lügt den Beamten vor, dass ihn ein Mann mit Elektroschocker überfallen und das Geld geraubt habe.

„Das war eine Kurzschlusshandlung“, sagt Z. jetzt, an einem Mittwoch im November. Doch nicht nur der Staatsanwalt mag die Darstellung nicht glauben. Auch Richter Holtkamp hat Zweifel. Sein Urteil: sieben Monate auf Bewährung wegen veruntreuender Unterschlagung und Vortäuschens einer Straftat sowie 1200 Euro Geldauflage, zu zahlen an den Betreuungsverein Stormarn.

Doch damit ist der Fall für Uwe Z. noch lange nicht erledigt. Das Finanzministerium hat dem Mann, der in einigen Wochen seinen 50. Geburtstag feiert, im Dezember vergangenen Jahres vom Dienst enthoben. Die Tat sei geeignet, „das Vertrauensverhältnis endgültig zu zerstören“, heißt es in dem Brief. Das Disziplinarverfahren läuft. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich den Job behalten werde“, sagt selbst Uwe Z. Sein Verteidiger Henning Scheve sieht das genauso: „Die Dienstentfernung ist nach anderen Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts zwingend.“

Schon in den Monaten vor der Tat zweigt der Angeklagte 10.000 Euro ab

Noch bekommt Z., der in einem Dorf in der Nähe von Bad Oldesloe lebt, um 15 Prozent gekürzte Bezüge. „Das sind ausgezahlt 2200 Euro im Monat“, antwortet er auf die Frage des Richters, wie er jetzt über die Runden komme. Seine Frau verdiene etwa 570 Euro hinzu. Die Tochter lebe noch und einer der beiden Söhne wieder zu Hause. Für Miete und einen Kredit fürs Auto seien knapp 1000 Euro zu zahlen.

Dabei hat Z. das Auto, in dem er am 15. November 2012 den Geldumschlag versteckt hatte, schon gleich nach der Tat verkauft. Das Geld brauchte er dringend, um seine Sparclub-Kollegen auszuzahlen. Denn Uwe Z. hatte schon Monate vorher Einnahmen aus dem Sparclubkasten teilweise nicht aufs Konto eingezahlt, sondern für sich behalten. „Das hab’ ich nebenbei ausgegeben“, sagt er im Gerichtssaal.

Offenbar war das Vertrauen der Kollegen so groß, dass Z., der den Sparclub-Vorsitz nach eigener Aussage „acht, neun Jahre“ inne hatte, nicht kontrolliert wurde. Kollegen gaben bei ihm regelmäßig das Geld und drei Listen ab, in denen alle Namen und die dazugehörigen Beträge aufgeführt waren. Z. führte alle Daten in einer Computertabelle zusammen und zahlte das Geld bei der Oldesloer Filiale der Sparkasse Holstein ein. „Einmal habe ich vergessen, die Geldumschläge sofort zur Bank zu bringen“, sagt er. Zwischen November 2012 und Januar habe er begonnen, regelmäßig 1200 bis 1500 Euro abzuzweigen – über die Monate kamen mehr als 10.000 Euro zusammen.

Doch dann nahte der Termin der Sparclub-Auszahlung. Er habe überlegt, wie er das fehlende Geld beschaffen könne, so Z. „Es wäre einfach gewesen, das Auto zu verkaufen“, sagt er, „aber dann hätte ich mich meiner Familie offenbaren müssen.“ Vor Gericht beteuert Z., dass er an jenem 15. November spontan gehandelt habe: „Ich weiß nicht, warum ich zur Polizei gefahren bin.“

Auf der Wache löst er mit seiner Überfall-Version jedenfalls einen Großeinsatz aus. „Acht bis zehn Leute waren an dem Tag damit beschäftigt“, sagt ein Kripo-Beamter als Zeuge. Während Z. seine rechte Wange mit Daumen und Zeigefinger reibt und ins Leere blickt, erzählt der Ermittler, wie er den Tag erlebte. Kollegen hätten am vermeintlichen Tatort, einem belebten Parkplatz in der Innenstadt, vergeblich nach Zeugen gesucht. Er selbst sei nach der Anzeige noch einmal zu Uwe Z. ins Krankenhaus gefahren. „Wir wollten klären, ob der Elektroschocker eingesetzt wurde.“ Doch an Rücken, Armen und am Nacken waren keine Verletzungen zu sehen, auch die Bekleidung wies keinerlei Spuren auf. „Dazu ein tagheller Tatort und viele Passanten: Da musste man zu dem Verdacht kommen, dass einiges nicht stimmen könnte“, so der Fahnder.

Polizisten finden den Geldumschlag versteckt unter dem Rücksitz

Die Polizisten entschließen sich, das Auto von Z. zu durchsuchen. Und tatsächlich: Unter der Rückbank finden sie die 58.000 Euro. „Ein Kollege hat berichtet, dass ein erheblicher Kraftaufwand nötig war, um den Sitz anzuheben“, sagt der Zeuge. Er sei danach erneut zu Uwe Z. in die Klinik gefahren und habe ihn mit dem Vorwurf konfrontiert. Erst dann habe der Finanzbeamte die Tat zugegeben.

Für Verteidiger Scheve ist sein Mandant „ein Mann, der gerade durchs Leben ging und in eine Sache reingeschlittert ist“. Beruflich sei Uwe Z „erledigt“ und auch in seinem privaten Umfeld „hochgradig belastet“. Er traue sich so gut wie gar nicht mehr aus der Wohnung und sei deswegen auch in psychologischer Behandlung. Doch Scheves Vorstoß, das Verfahren wegen all dieser Umstände gegen Auflagen einzustellen, scheitert binnen Sekunden.

„Das kommt überhaupt nicht in Betracht“, sagt Oberamtsanwalt Naujokat bestimmt. An einer Freiheitsstrafe führt für den Vertreter der Anklage kein Weg vorbei. „Das klingt für mich nicht nach Kurzschluss, sondern nach zielgerichtetem Handeln“, meint Naujokat.

Verteidiger weist darauf hin, dass der Verlust des Arbeitsplatzes droht

In seinem Plädoyer, dem der Angeklagte mit vor dem Gesicht gefalteten Händen folgt, fordert Naujokat insgesamt acht Monate auf Bewährung und 2000 Euro Geldstrafe. Für Uwe Z. spreche, dass er strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten sei, ein Geständnis abgelegt und das Geld zurückgezahlt sowie erhebliche dienstrechtliche Konsequenzen zu erwarten habe. Straferschwerend seien der hohe Geldbetrag, der Vertrauensbruch und das zielgerichtete Handeln zu werten.

Auch Verteidiger Henning Scheve sieht die Vorwürfe erfüllt. Er betont aber, dass sein Mandant „sich selbst das nicht erklären kann“. Der Verlust des Arbeitsplatzes sei schon dramatisch genug. „Ich werde keinen Antrag stellen, aber eine Freiheitsstrafe ist nicht angemessen.“

Zum Schluss wiederholt Uwe Z. zum dritten Mal an diesem Vormittag: „Es tut mit unendlich leid, aber ich kann es nicht rückgängig machen.“

Richter Holtkamp folgt schließlich im Wesentlichen der Argumentation der Anklage. „Es ist nur nicht dazu gekommen, dass Sie das gesamte Geld behalten haben, weil die Polizei es so schnell gemerkt hat“, sagt er zum Angeklagten, „und dennoch haben Sie sich den Polizisten erst dann offenbart, als das Geld gefunden worden war.“ Unterm Strich komme er auf die siebenmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Während sich Uwe Z. nach dem Prozess auf dem Gerichtsflur mit seinem Verteidiger darüber austauscht, ob er das Urteil akzeptieren soll, stehen einige Meter weiter ehemalige Sportkameraden beieinander. Sie hatten den Verein im Streit mit dem Angeklagten verlassen und fühlen sich jetzt in ihrer Meinung über ihn bestätigt.

Und Uwe Z.? Vermutlich würde er zwei Mittwochvormittage im November 2012 und 2013 aus seinem Leben streichen. Kann er aber nicht.