Vertragsentwurf: Passt Investor nicht, was Politik will, soll Ahrensburg hohe Entschädigung zahlen. Heute Abstimmung

Ahrensburg. Geht die Stadt Ahrensburg beim Verkauf des Lindenhof-Geländes möglicherweise ein hohes finanzielles Risiko ein? Diesen Verdacht nährt der Vertragsentwurf zum Millionendeal zwischen Stadt und den Investoren vom Ahrensburger Planungsbüro Baustudio und der Hochtief Hamburg GmbH. Das Papier, dessen Inhalt heute Abend im nicht öffentlichen Teil der Stadtverordnetenversammlung (ab 19.30 Uhr) in der Reithalle im Marstall diskutiert wird, birgt reichlich Zündstoff. Paragraf 20 des Entwurfs beschäftigt sich mit dem Rücktrittsrecht. Unter Punkt 4 heißt es: „Im Falle eines vom Verkäufer zu vertretenden Rücktritts hat dieser an den Käufer (....) eine Vorkostenerstattung bis zu einer Höhe von 400.000 Euro zu zahlen.“ Das bedeutet im Klartext: Sollten sich Politik und die Investoren nach Ende des geplanten Architektenwettbewerbs nicht auf die Realisierung des Siegerentwurfs einigen können, müsste die Stadt das Geld zahlen.

2934 Quadratmeter Fläche misst das Flurstück 394 am südöstlichen Ende der Innenstadt. Dort, wo zurzeit an Wochentagen bis zu 60 Pendler einen Stellplatz für ihr Auto finden, soll eines Tages ein Neubau unter anderem zur Belebung der Hagener Allee sorgen. Auf rund 10.000 Quadratmeter Fläche sollen Räume für Einzelhandel und Gastronomie im Erdgeschoss entstehen. Arztpraxen und weitere Läden sowie Wohnungen könnten im ersten Stock Platz finden, in den vier darüberliegenden Etagen ausschließlich Wohnungen mit einer Größe zwischen 40 und 110 Quadratmetern, 65 bis 80 Einheiten maximal. Die nötigen Parkplätze würden in einer Tiefgarage geschaffen.

Auf vier Millionen Euro ist der von der Stadt ursprünglich erhoffte Verkaufserlös für das Filetgrundstücks mittlerweile geschrumpft. Laut Vertragsentwurf, der dieser Zeitung vorliegt, soll nun nur noch von einem „vorläufigen Kaufpreis von 3.150.000 Euro ausgegangen werden“. Für den Wegfall der 60Parkplätze leisten die Investoren laut Paragraf 22 einen Ausgleich in Höhe von 50 Euro je Quadratmeter. Daraus ergibt sich eine Gesamtsumme von rund 3,65 Millionen Euro.

Die Parkplätze sind ebenso Knackpunkt in den bisherigen Planungen wie der Zuschnitt der Wohnungen. Erst jüngst hatte der Bau- und Planungsausschuss eine Änderung des Auslobungstextes für einen Architektenwettbewerb beschlossen. Mehr als 50 Prozent der Wohnungen müssen demnach zwei Zimmer haben. Während sich CDU und Grüne auf die Grundzüge der Planung verständigen können, sind WAB und FDP „zögerlich bis ablehnend“. Die SPD lehnt den Verkauf des Grundstücks zum jetzigen Zeitpunkt ab. „Wir sind nicht grundsätzlich dagegen“, sagt Rafael Haase, doch ohne städtebauliches Konzept sei das Vorhaben „Gekrampfe“. Die Stadt benötige angesichts wachsender Pendlerströme zunächst eine Machbarkeitsstudie. Sie müsse analysieren, „wie der Bahnhof und das Umfeld in ein paar Jahren funktionieren sollen“. Vor einem Verkauf des Geländes müsse Ahrensburg „seine Hausaufgaben machen und nicht versuchen, anfallende Lasten auf einen Investor abzuwälzen“.

Jörg Hansen von den Grünen möchte sich über Details zur nicht öffentlichen Sitzung nicht äußern. Aber er sagt: „Wir haben es dem Investor bisher nicht gerade leicht gemacht.“ Für die SPD-Position habe er Verständnis, „doch bis 2020 können wir unmöglich warten.“ Zur Rücktrittsklausel im Vertrag nur so viel von Hansen: „Ahrensburg sollte ein möglichst geringes finanzielles Risiko eingehen.“ Und wie denkt die FDP-Fraktion darüber? Thomas Bellizzi sagt auf Anfrage: „Der Lindenhof ist eines der letzten unbebauten städtischen Grundstücke im Herzen der Stadt. Deshalb ist es wichtig, dass das Gelände städteplanerisch überzeugend entwickelt wird. Ich bezweifle, dass dies noch zusammen mit den aktuellen Projektentwicklern möglich ist.“

Einigkeit besteht im Ahrensburger Stadtparlament darüber, dass der Weg zur Realisierung eines Großprojekts am Lindenhof nur über einen Architektenwettbewerb führt. Hinter vorgehaltener Hand munkeln einige Politiker, ein „Fiasko wie beim CCA an der Klaus-Groth-Straße“ solle unbedingt verhindert werden. Und es gebe „ein gewisses Misstrauen gegenüber Hochtief“ aufgrund negativer Erfahrungen der Stadt Hamburg beim Bau der Elbphilharmonie. Also wurde ein wenig geschraubt an den Machtverhältnissen im Preisgericht, das über den Siegerentwurf entscheiden wird. Bestand es zuvor auf der Fachebene aus vier Architekten und Stadtplanern, je einem Stadtverordneten von SPD und Grünen sowie zwei Vertretern der Investoren, so wird es nun erweitert um je einen Politiker von CDU, WAB und FDP.

Das Motto „mehr Macht der Politik“ dürfte den Investoren dabei ebenso wenig schmecken wie die Tatsache, dass entgegen ursprünglicher Planung der Verkauf des Lindenhof-Areals erst nach Ende eines Architektenwettbewerbs erfolgen soll. Zwar hat sich die Stadt nun bei den Verhandlungen mit Baustudio und Hochtief zusätzliche rechtliche Nischen eingeräumt. Sollten die Stadtverordneten aber schlussendlich den Siegerentwurf nicht zustimmen, könnte Paragraf 20 des Vertragsentwurfs zum Tragen kommen, über den heute Abend abgestimmt werden soll.

Einige Politiker werden sich die Frage stellen, ob sich die Stadt ohne Not dem Druck einer mögliche Vertragsstrafe aussetzen sollte.