Wegen des langen Winters nahmen die Tiere weniger Nahrung auf. Auch Hechte, Barsche, Zander und Brassen gehen beim Abfischen am Herrenteich ins Netz

Reinfeld . Schmale Rinnsale winden sich durch den Schlick am freigelegten Boden des Reinfelder Herrenteichs. Ein paar Enten strampeln eifrig gegen die Strömung des Wassers aus der Heilsau an, das sich vor einem Wehr an der Uferpromenade in einem einzigen Bach sammelt, dort aber jetzt nicht gestaut wird. Wer genau hinschaut, sieht an der Oberfläche Fische zappeln. Einige liegen sogar zu beiden Seiten der Rinnsale im Schlick.

Mehrere Hundert Menschen beim Reinfelder Traditions-Fest dabei

„Durch den Neubau der Uferpromenade sind die Flachwasserzonen jetzt zu groß“, erklärt Alfred Wenskus den Grund für den Landgang der Teichbewohner. Helfer stapfen in Gummistiefeln heran und werfen die Fische zurück in fließendes Wasser, mit dem sie durch das „Mönch“ genannte Ablaufwerk unter der Promenade zum Fischhaus am Karpfenplatz schwimmen. Dort warten weitere Freunde des 61 Jahre alten Mannes mit Keschern auf sie. Denn Wenskus betreibt die Reinfelder Teichwirtschaft, die das Gewässer wie stets zu dieser Jahreszeit abfischt.

Für Reinfeld ist das ein Ereignis. Auf dem Karpfenplatz der Karpfenstadt ist eine kleine Kirmes aufgebaut, ein Musikzug spielt. „Das Abfischen ist hier ein Fest mit Tradition“, sagt Dirk Litzenroth, der selbst aus Reinfeld kommt und mit seinem dreijährigen Sohn Mattis Ole unter den mehreren Hundert Besuchern ist, die an diesem Sonntag zum Herrenteich gekommen sind.

Vor dem Fischerhaus drängen sich Besucher, um den Fang zu begutachten. „Boa, ist der groß“, schallt eine Kinderstimme über die Köpfe. Gemeint ist einer der bis zu 20 Kilogramm schweren Karpfen, die aus dem Kescher auf einen Holztisch vor dem kleinen Ziegelbau glitschen, wo sie weitere Helfer sortieren. Denn neben den Fischen, die Reinfeld seinen Beinamen gaben, sind auch viele Hechte, Barsche, Zander und Brassen darunter, die auf Wasserwannen verteilt werden. Und auch ungezählte kleine Barsche und Karpfen von vielleicht fünf bis sieben Zentimetern Länge. „Die kommen wieder zurück in den Herrenteich“, weiß Jürgen Schlüke, ein 50 Jahre alter Angler aus Westerwede.

Fischadler und Kormorane machen der Teichwirtschaft den Fang streitig

„Das ist wie ein Familientag“, freut sich Alfred Wenskus über die Unterstützung. „Ohne diese freiwillige Hilfe wäre das Abfischen nicht möglich.“ Fischwirt Ronny Schneider ist sogar aus der Oberpfalz angereist, um seinen Stormarner Berufs-Kollegen zu unterstützen. Wenig später geht Wenskus in sein Fischgeschäft, das direkt an der Anlage steht, und macht auf ein Foto aufmerksam, das dort an der Wand hängt. Es zeigt einen Adler, der sich im Sturzflug einen Fisch aus dem Herrenteich schnappt. „Wir verlieren durch Vogelfraß rund zwei Tonnen Fisch pro Jahr“, sagt Wenskus. Vor allem seien es die unter Naturschutz stehenden Kormorane, die seinen Fang verkleinerten.

Aber immerhin ist die Qualität sehr gut. Jedenfalls legt dies Wenskus’ Frau Annegret dar: „Speiseeis darf laut Gesetz 100.000 Keime haben, unsere Karpfen haben jeweils nur 5000.“ Dafür sind die Fische dieses Jahr leichter. „Im Schnitt wiegen sie 300 Gramm weniger“, sagt Alfred Wenskus, dessen Betrieb auch alle anderen Reinfelder Teiche außer dem Neuhöfer Teich abfischt. Ein Grund dafür sei der lange Winter gewesen, ein weiterer der heiße Sommer, der zu einer Wasserstoffarmut geführt habe und damit dazu, dass die Fische weniger gefressen hätten.

Dann geht Wenskus zu seinen Helfern, schlägt ihnen anerkennend auf die Schultern. Ein älterer Herr mit Plastiktüte kommt dazu. Kurz darauf flutschen zwei frisch abgefangene Karpfen dort hinein. Mit dem Abfischen beginnt auch der Verkauf an Restaurants, an andere Händler und Käufer vor Ort.