Werner Thissen hält Heilige Messe und bittet für „dunkle Episoden“ um Verzeihung

Bad Oldesloe. Technische Defekte sind immer ein Ärgernis. Etwa der Stromausfall in Teilen Bad Oldesloes. Hausmänner wie -frauen beispielsweise sorgen sich dann um die Tiefkühlware im Eisschrank und die Lütten um ihren Spaß mit dem Fernsehprogramm. In der Kapelle des katholischen Kinder- und Jugendhauses St. Josef an der Straße Wendum hat der Stromausfall am Sonnabend zwischen 17 und 18 Uhr nicht für Sorgenfalten, sondern für eine ganz besondere Stimmung gesorgt. Und das, obwohl die Aufregung bei Heimleitung, Kindern, Erziehern und Gästen ohnehin schon groß war.

Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen hatte sich für einen Besuch angemeldet. Mit Pastor Hans Janßen führte er durch die Heilige Messe – im stimmungsvollen Kerzenschein, da eben schon nach den ersten Minuten die künstliche Lampenbeleuchtung an der Kirchendecke erlosch. Rund 100 Besucher strömten kurz zuvor in die kleine Kirche und besetzten nicht nur die Bänke, sondern auch die Notbestuhlung. Vor rund eineinhalb Jahren war der Hamburger Erzbischof zum bis nun letzten Mal in Bad Oldesloe gewesen. An dem Tag, an dem die Ordensfrauen zu ihrem Abschied als Erzieherinnen für die Schützlinge im Kinder- und Jugendheim geehrt wurden.

Anlass des erneuten Besuches des Erzbischofs waren die Feierlichkeiten zum 111-jährigen Bestehen des Heimes St. Josef. Das, wie Werner Thissen in der Messe betonte, viele gute Zeiten, „aber auch dunkle Episoden“ hatte. Episoden, denen der Erzbischof ein sechszeiliges Schuldbekenntnis widmete und in seiner Predigt Gott um Verzeihung bat. 2010 hatten mehrere Ex-Bewohner Vorwürfe gegen einen Kaplan erhoben, der sie in den 50er- und 60er-Jahren sexuell belästigt haben soll (wir berichteten). Es sollte die einzige kritische Andeutung des Abend bleiben.

In der restlichen Zeit sprach der Erzbischof zwischen Lesungen aus der Bibel und Liedern über die Einrichtung, ihre Geschichte, ihre Traditionen: „Es sind in den 111 Jahren Kaiser gestürzt, Diktatoren gefallen und Politiker gekommen und gegangen, das Haus hat sie alle überlebt.“ Anlass zum Dank, wie Thissen mehrfach betonte.

Dann scherzte er mit den Kindern, beispielsweise über den Unterschied zwischen dem Fußballklub Schalke 04 und dem Kinder- und Jugendhaus St. Josef – das aufgrund seines Gründungsjahres den Zusatz 02 im Namen tragen könnte. Ernsthaft wurde er aber, als es um die Bedeutung der Einrichtung geht. „Für Kinder und ihr Wohlergehen müssen wir und immer einsetzen“, sagte er dem Abendblatt.

Derzeit werden im Kinder- und Jugendhaus St. Josef laut Leiterin Birgit Brauer mehr als 100 Schützlinge betreut. Streng katholisch ist die Erziehung im 112. Jahr allerdings nicht mehr. „Wir legen nur Wert darauf, dass unsere Mitarbeiter die christlichen Werte wie Nächstenliebe vorleben“, sagt sie. Gemeinsames Beten, der Besuch der Heiligen Messe, das seien inzwischen lediglich Angebote.

Auch wenn die Religion in den Hintergrund gerückt ist, der Erzbischof war dennoch bei den Kindern der Star. Vor seiner Abfahrt wurde der Geistliche von den Zwergen belagert, die meist sein lilafarbenes Scheitelkäppchen aufsetzen wollten. Kaum war der hohe Besuch samt Haube verschwunden, wurde es übrigens wieder Licht.