Spaziergängerin macht im Wald in Großhansdorf eine unheimliche Entdeckung. Polizei interessiert sich nicht dafür

Großhansdorf. Ein toter Vogel ist grundsätzlich nichts Außergewöhnliches – auch dann nicht, wenn sein Körper dicht an einem Waldpfad liegt. Eigentlich. Im Fall einer toten Taube im Waldstück am Großhansdorfer Waldreiterweg sieht die Geschichte anders aus. Einiges am Leichnam und am Fundort des Tieres wirft Rätsel auf.

Es ist Freitagnachmittag. Lena R. (Name geändert) läuft von der Hansdorfer Landstraße aus in das Waldstück an der LungenClinic. Den Vogel, der wenige Meter vom Waldreiterweg entfernt im Laub liegt, bemerkt sie sofort. Dass etwas an dem toten Tier merkwürdig ist, das wird ihr allerdings erst auf dem Rückweg klar. Lena R. entschließt sich, umzukehren und einen zweiten, genaueren Blick auf den Vogel zu werfen. Ja, die Taube, die vor ihr im Laub liegt, ist bis auf eine feine Blutspur am Rücken schneeweiß.

Weltweit gibt es rund 300 unterschiedliche Taubenarten, vier davon sind in Schleswig-Holstein heimisch, sagt Ingo Ludwichowski vom Nabu-Landesverband. Eines haben sie – Ringel-, Türken-, Hohl- und Haustaube – gemeinsam: Ihr Gefieder ist bunt, grau oder beigefarben. Weiße Tauben aber gibt es in dieser Region nicht.

Der Vogel, der Lena R. zu Füßen liegt, ist auch nicht, wie etwa bei Brieftauben üblich, mit einem Ring am Fuß markiert. Der Fundort des Vogels gibt weitere Rätsel auf: „Es gab überhaupt keine Kampfspuren, weder am Tier noch im Wald.“, sagt Lena R. Und die Flügel hätten eng am Körper angelegen, ebenso das Gefieder.

Lena R. fasst sich ein Herz, dreht den toten Vogel auf den Rücken – und erschrickt. Der Brustkorb der Taube ist aufgebrochen. Deshalb entschließt sie sich, den Körper genauer zu untersuchen. Mit zwei Stöckchen öffnet sie den Brustkorb noch etwas weiter. Bei der genaueren Betrachtung stellt sie fest, dass das Herz fehlt, zudem ist der Körper „fast blutleer“, wie sie später berichten wird. „Kein anders Tier hätte so getötet“, sagt sie.

Haben Menschen den Vogel umgebracht und seinen Körper im Wald liegen gelassen? Tieropfer spielen etwa bei satanistischen Riten eine große Rolle. Insbesondere weiße Tiere seien sehr beliebt, heißt es in einschlägigen Internetforen.

Lena R. ruft die Polizei an, meldet den Vorfall bei der Großhansdorfer Wache. „Der Beamte hat am Telefon eingeräumt, dass der Vorfall merkwürdig ist, hat aber auch gesagt, dass er nichts unternehmen könne“, sagt Lena R. Aber die junge Frau will nicht lockerlassen. „Es geht mir um den Tierschutz. Hier wurde ein Tier gequält und brutal getötet“, sagt sie.

Die Polizei bestätigt auf Abendblatt-Anfrage den Vorfall. Es sei, so sagt ein Polizist der Großhansdorfer Wache, ein Einzelfall. Auch Monika Ehlers, Sprecherin des Tierschutzvereins Großhansdorf-Ahrensburg, sind vergleichbare Tiertötungen im Grünen der Waldgemeinde bislang nicht bekannt. Vor Jahren hätten Unbekannte vergiftete Wurstköder ausgelegt, sagt sie. „Aber das ist eine ganz andere Geschichte.“ Wie auch Lena R. empört sich Monika Ehlers über die Brutalität, mit der die Taube sterben musste. „Mir ist es wichtig, dass der Fall bekannt wird“, sagt Lena R., „die Spaziergänger sollten sensibilisiert sein und die Augen offen halten.“

Die Tötung eines Wirbeltieres ohne Betäubung und entsprechende Fähigkeiten ist übrigens nicht erlaubt. So sieht es Paragraf 4 des Tierschutzgesetzes vor. Auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz stehen bis zu drei Jahre Haft. Die Polizisten haben das Tier konfisziert. –Genauer untersucht werden soll es offenbar nicht.

Eine Untersuchung wäre laut Experte Ingo Ludwichowski allerdings sinnvoll, um der Tötungsabsicht auf die Spur zu kommen. „Es könnte auch sein, dass die Taube ein Giftköder ist“, sagt der Nabu-Sprecher. In Schleswig-Holstein, auch im Kreis Stormarn, sei es in den vergangenen Jahren häufiger vorgekommen, dass Tiere ausgelegt wurden, um etwa Füchse, Raben oder andere Greifvögel anzulocken und zu töten. Dabei sei es üblich, den Brustkorb zu öffnen, um das Gift ins innere Fleisch zu injizieren. Dahinter steckten meist Jäger, die ihre tierischen Konkurrenten ausschalten wollten. Manchmal opfern laut Ingo Ludwichowski auch Taubenzüchter einen ihrer Schützlinge, um einen Raubvogel, etwa einen Habicht auszuschalten, der sonst mehrere Tauben töten könnte. Die Täter agierten allerdings im Verborgenen und legten die Köder tief im Wald aus. Deswegen sei der Fundort der weißen Taube aus Großhansdorf untypisch für die Fälle.