Zum Tode der Bargteheider Theaterchefin erinnern sich langjährige Weggefährten an eine besondere Frau, die „Leben in die Bude brachte“

Bargteheide . „Sie war bis zum Schluss immer interessiert an allem und jedem. Ihr war nichts egal, sie hat Leben in die Bude gebracht“, sagt Detlev Buck über Kirsten Martensen. Der berühmte Regisseur („Die Vermessung der Welt“) war mit der Intendantin des Kleinen Theaters in Bargteheide befreundet. Jetzt ist sie, im Alter von 72 Jahren, gestorben.

„Mich trifft das wie ein Hammerschlag“, sagt der Kabarettist Hans Scheibner. Sie sei eine herausragende Gestalt für die Kulturszene gewesen: „Wenn man von ihr Anerkennung bekam, dann hat man sich was drauf eingebildet. Denn sie war mit ganzer Seele Theaterfrau und verstand viel davon.“ Auch Detlev Buck spricht von einem großen Verlust: „Die Lücke im Kulturleben, die sie hinterlässt, kann wahrscheinlich nicht von einem allein geschlossen werden. Höchstens von mehreren, wenn überhaupt“, sagt Buck.

Kirsten Martensens bleibendes Verdienst für die Kultur, ihr Lebenswerk: Das ist das Theater, ein in in der Region einzigartiges Haus. 1991 unterzeichnete sie den Pachtvertrag für das Gebäude, in dem sich ein bis dato eher dörfliches Kino befand. Sie machte ein renommiertes Lichtspielhaus daraus, das Preise gewann. Hinzu kamen eine Kleinkunstbühne und das Kindertheater „Blaue Wolke“, das zu einer regelrechten Talentschmiede wurde.

Schauspieler wie David Kross („Der Vorleser“) oder Philipp Lux, heute Ensemblemitglied am Staatsschauspiel Dresden, standen dort zum ersten Mal auf der Bühne. „Kirsten hat mich als Junge mit ihrer Liebe zum Theater angesteckt. Ich denke mit großer Dankbarkeit an sie und an meine Zeit am Kleinen Theater“, sagt Philipp Lux. „Ihren Töchtern wünsche ich von Herzen Kraft und Halst und trauere mit ihnen.“

Künstler, ob berühmt oder noch unbekannt, fühlten sich in dem von Kirsten Martensen geleiteten Haus wohl – zu ihnen gehörte der in Nienwohld geborene Detlev Buck. Einige seiner Filme, etwa „Knallhart“ von 2006, in dem David Kross die Hauptrolle spielte, feierten im Cinema Paradiso Premiere, dem zum Kleinen Theater gehörenden Kino. „Ich liebe dieses Haus“, sagte Buck einmal. Andere Prominente wie Ben Becker, Konstantin Wecker und Dominique Horwitz kamen zu Gastspielen.

Einer, der seit Jahren immer wieder in Bargteheide auftritt, ist Hans Scheibner. Er schildert, was das Kleine Theater so besonders macht: „Die Atmosphäre ist einfach intimer. Man hat einen direkten Draht zum Publikum, weiß, dass sich die Leute dort wohl fühlen. Wenn man dort auf die Bühne steigt, ist es immer ein bisschen so, als kommt man nach Hause.“

Ähnlich schildert es der Schauspieler Gustav Peter Wöhler („Tatort“), der auch singt und mit seiner Band schon mehrmals in Bargteheide zu Gast war: „Wir haben uns dort immer sehr wohl gefühlt. Der Kaffee wurde noch per Hand aufgebrüht, die Brötchen noch mit der Hand geschmiert.“ Eine ganz besondere Rolle habe dabei Kirsten Martensen gespielt: „Sie hat uns Künstlern mit großer Inbrunst eine Plattform geboten. Wir sind sehr traurig über ihren Tod.“

Auch Hans Scheibner schreibt es der Gründerin zu, dass das Kleine Theater zu so einem besonderen Ort für Künstler wurde. Er bezeichnet sie als regelrechte „Wiedergeburt“ der legendären Friederike Caroline Neuber (1697–1760), die das deutsche Theater maßgeblich prägte und als Schauspielerin unter anderem in Hamburg wirkte. „Für mich war Kirsten Martensen auch so eine Neuber, die für das Theater lebte und dafür kämpfte.“

Scheibner bewundert noch heute, wie sie improvisieren konnte, Regie führte und „nebenher das Theater aufrecht erhielt“, wie er sagt. Bei allem Stress sei sie „immer freundlich“, gewesen. Renate da Costa, die seit 16 Jahren in dem Theater arbeitet, schildert Kirsten Martensens Arbeitsweise so: „Die Dinge wurden gemeinsam entwickelt. Aber sie war häufig die letzte Instanz.“ Kirsten Martensen habe genaue Vorstellungen gehabt „Das musste sie auch. Sonst hätte sie so etwas nicht aufbauen können.“ Büroarbeit sei nicht so ihr Ding gewesen. Dafür aber habe sie regelrecht gesprüht vor Kreativität und Ideen. Aufführungen wie mit der „Blauen Wolke“, etwa das Stück „Momo“, sind ihr in besonderer Erinnerung geblieben.

Wie sie selbst einst zu der bunten Truppe kam, erinnert Renate da Costa noch genau: „Nach dem Tod meines Mannes stand Kirsten vor meiner Tür und sagte: ‚Renate, du musst etwas machen.‘ Seitdem bin ich dabei. Die Arbeit hat mir geholfen, über diese Zeit hinwegzukommen.“ Heute arbeitet Renate da Costa im Büro des Theaters, betreut die Kindergruppen und auch das „Oldie-Kabarett“ – eine der ganz besonderen Erfindungen Kirsten Martensens. Vonseiten dieser Gruppe heißt es: „Wir sind alle fassungslos über den Tod unserer Chefin! Wir machen in jedem Fall in Kirstens Sinne weiter.“

Dass es mit dem Theater weitergehen soll, muss: Alle ehemaligen Weggefährten und Freunde des Theaters betonen das. Etwa der Kabarettist Horst Schroth, der gern privat ins Kleine Theater ging: „Ich fände es sehr schön, wenn das weitergeführt werden kann. Denn es ist einfach ein sehr schönes Theater.“ Stormarns Kreiskulturreferentin Tanja Lütje sagt: Wir sind sehr geschockt über Frau Martensens Tod und hoffen, dass das Theater bestehen bleibt. Denn es ist einzigartig, was dort für den ganzen Kreis auf die Beine gestellt wurde. Gerade was die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Kunst und Kultur anbetrifft.“

Zu Kirsten Martensens langjährigen Freunden und Weggefährten gehört der Autor Jan-Uwe Rogge, der über das Thema Erziehung schreibt. Von Beginn an unterstützte er ihr Projekt und stand einst sogar in der Bar am Tresen, um zu helfen. Er sagt: „Ich wünsche dem Theater alles, alles Gute.“ Zumindest die Rahmenbedingungen seien dazu geeignet, dass es weiter gehen könne. Aber Rogge sagt auch: „Wahrscheinlich braucht man drei Personen, um Kirsten zu ersetzen.“

Kirsten Martensen wird am kommenden Montag in Bargteheide beerdigt. Im Anschluss daran findet im Kleinen Theater eine private Gedenkfeier statt.