Bei historischen Stadtführungen erzählt Gerd-Günter Finck Interessierten etwas über die dunklen Seiten Bad Oldesloes

Bad Oldesloe. „Links und rechts von Ihnen liegen die Toten“ ist kein Satz, den gern hört, wer spätabends im Dunklen in einem Park steht. Für unbeteiligte Beobachter muss es skurril aussehen: 20 Menschen stehen auf dem Ehrenfriedhof in Bad Oldesloe, sie umringen einen Mann mit mittelalterlicher Mütze, der im Schein einer Taschenlampe von den Toten erzählt. Der Mann ist Gerd-Günter Finck, und sollten die unbeteiligten Beobachter nicht erschrocken weggelaufen sein, könnten sie an diesem Abend viel erfahren über die Stadt Bad Oldesloe. Denn Finck arbeitet ehrenamtlich als Stadtführer.

„Ich mache das schon seit zehn Jahren“, sagt Finck. „Angesprochen wurde ich, weil ich mich bei den historischen Open-Air-Theaterstücken engagiert habe.“ Mit Führungen für Kinder hat es angefangen, inzwischen zeigt Finck auch Erwachsenen die Stadt. Eine Mischung aus Theater, Information und Geschichte soll der Rundgang bieten, so steht es in der Beschreibung der Stadtverwaltung Bad Oldesloe, die Teilnahme ist kostenlos. „Dieser Abend ist ein Testlauf“, sagt Finck. „Normalerweise sind die Termine am Nachmittag, aber wir wollten Berufstätigen die Möglichkeit geben, nach der Arbeit teilzunehmen.“ Angemeldet hatten sich vier Personen. Gerechnet hatte Finck mit sechs, weil immer auch Unangemeldete kommen. Am Treffpunkt, dem Gänselieselbrunnen auf dem Oldesloer Marktplatz, warten dann 20 Menschen auf ihn. „Ich bin überrascht, weil es ja doch relativ kalt ist und regnerisch“, sagt Finck.

Der Regen hat pünktlich zur Führung aufgehört. Aber kalt ist es wirklich, deshalb hat jemand eine Thermosflasche dabei, deren Inhalt nach Glühwein riecht. Gerd-Günter Finck verteilt ein Faltblatt. Darauf stehen Daten, etwa „1151: ‚Oldeslo‘ urkundlich erwähnt, Bau einer Kirche“ oder „1618-48: 30-jähriger Krieg mit Plünderungen, Pest und Hexen“. Das Faltblatt gebe es, weil Zahlen nicht hängen blieben, „diese Erfahrung habe ich als Lehrer gemacht.“

Auf dem Markplatz habe früher ein Galgen gestanden, „der Henker hat dort residiert, wo nun die Sparkasse ist. Manche flüstern, dort sei er auch heute noch“, sagt Fink, die Gruppe lacht. „Der Gänselieselbrunnen wurde 1926 von dem Margarine-Fabrikanten Friedrich Bölck gestiftet, er ist 3,70 hoch und aus Terrakotta.“ Bölck sei sehr großzügig gewesen, so habe er 1927 die Oldesloer Massenhochzeit ausgerichtet: Einer seiner Söhne habe geheiratet und Bölck bot seinen Angestellten an, auf seine Kosten ebenfalls an diesem Tag zu heiraten. Dass Bölcks Sohn eine Geliebte seines Vaters heiratete, mag ein weiterer Beweis für dessen Großzügigkeit gewesen sein.

Lediglich die singenden Jugendlichen sind wenig mittelalterlich

Gerd-Günter Finck führt seine Gruppe zur nächsten Station: der Löwen-Apotheke. Hier erfährt die Gruppe, woher der Name Oldesloe kommt. „Die Ableitung stammt von ‚Od‘, einem mystischen Quellenkult, und ‚Loe‘ für Wald“, sagt Finck. Im Kurpark sei 1812 eine Schwefelquelle entdeckt worden, es entstand ein Heilbad und bis 1938 habe es Kurbetrieb gegeben.

Finck läuft voran durch die Gassen, es geht über Kopfsteinpflaster, über die Trave und als gehöre es zur Szenerie läuten Kirchenglocken. Wer die Neonreklame der umliegenden Geschäfte ignoriert, kann sich gut vorstellen, wie es hier einmal gewesen ist. Lediglich die singenden Jugendlichen, die vorbeilaufen, sind wenig mittelalterlich. „Wir können nun entweder über eine Treppe zum Ehrenfriedhof gehen oder, weil es dort sehr dunkel ist, einen Umweg machen“, sagt Finck. Die Gruppe entscheidet sich für die Treppe, und dunkel ist es tatsächlich. Einige der Teilnehmer leuchten den Weg mit dem Licht ihren Handys, Finck steht mit seiner Taschenlampe am Rand und passt auf, dass niemand stolpert. Es geht zwischen Bäumen hindurch zu dem Teil des Friedhofs, auf dem nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg viele gefallene Soldaten beerdigt wurden.

Bei der Granit-Rotunde, die an die Gefallenen erinnern soll, hält Finck an. „Das Tor ist abgeschlossen, weil es immer wieder Vandalismus gegeben hat“, sagt er. „Links und rechts sehen wir ebenfalls Gräber. Es sind hier auch viele Namenlose in einem Massengrab beerdigt“, erzählt Finck.

Bei der Peter-Paul-Kirche gibt es dann wieder etwas Licht von der Straßenlaterne. Gerd-Günter Finck weist auf das gegenüberliegende St. Jürgen-Hospital hin. „Hier dürfen im Alter Menschen wohnen, die schon lange in Bad Oldesloe gelebt haben und sich verdient gemacht haben um die Stadt“, sagt Finck. „Und dort wollen sie später auch wohnen?“, fragt einer der Teilnehmer.

„Hm“, sagt Finck. Tatsächlich ist er sehr engagiert. „Ich habe zwölf Jahre im Oldesloer Verein für Integration und Toleranz FIT gearbeitet und davor war ich sechs Jahre in der Bürgerinitiative Stoltenrieden“, sagt er. Weil er so engagiert ist, wurde er bereits mit der Ehrennadel des Kreises ausgezeichnet, eine Ehrung für Menschen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in herausragender Weise für das Gemeinwohl eingesetzt haben.

Finck erzählt von drei Frauen, die in Oldesloe als Hexen sterben mussten

Auch bei seinen Führungen kümmert er sich ums Gemeinwohl – im Kleinen: Bei den Kinderterminen lässt er die Folterdetails weg. „Auch wenn die Hexenverfolgung Teil der Stadtgeschichte ist: Ich will nicht, dass Elfjährige wegen meiner Führung nicht mehr schlafen können“, sagt er. Erwachsenen aber erzählt er von Anna Heitmann, Gretje Dwenger und Kathrine Faust, die als Hexen sterben mussten und nach denen heute Straßen benannt wurden. Aber Kinder hätte er nachts wohl auch nicht auf den Friedhof geführt.