Noch bis Sonntag lockt auf der Großen Straße das Oktoberfest. Alles ist sehr bayerisch – sogar die liebevoll ausgesuchte Kleidung der Besucher

Ahrensburg. „O’zapft is’“ ruft der Kapellmeister um Punkt 19 Uhr auf der mit blau-weißen Ranken geschmückten Bühne des Bierzelts. Vergnügte Gäste sitzen an den Biertischen, schunkeln zu Liedern wie „In München steht ein Hofbräuhaus“, prosten sich und der Kapelle zu und erfreuen sich an der kühlen Maß. Die meisten Besucher tragen bajuwarische Traditionsmontur, die Herren Lederhose, die Damen Dirndl. Doch wer sich jetzt in einem Bierzelt auf der Theresienwiese in München wähnt, hat weit gefehlt. Zwar ist Oktober und ja, es ist Oktoberfest. Doch diese Gaudi steigt nicht etwa in München, sondern in Ahrensburg, im Festzelt auf der Großen Straße.

Die Ähnlichkeit ist erstaunlich. Es fehlt an nichts: Das Obergärige fließt in Strömen, bayerische Farben dominieren, die Stimmung ist ausgelassen. Dass das Weißbier auch einem norddeutschen Gaumen mundet, der sonst ein eher herberes Hopfenaroma bevorzugt, ist ja nichts Neues. Doch auch optisch schaut mittlerweile alles nach Süden, viele Gäste tragen bayerische Trachten. So viele, dass ganz normal gekleidete Gäste auffallen.

„Es ist wunderbar, das Oktoberfest ist in Ahrensburg angekommen“, freut sich Axel Teegen, Gastronom im Festzelt. „Vergangenes Jahr hatte es schon gut angefangen, mit der Stimmung“, sagt der Wirt. Allerdings sei der erste Tag noch recht arm gewesen an Dirndln und „Krachledernen“, wie die Lederhosen in Bayern genannt werden. Doch schon einen Tag später habe sich das Bild verändert: „Da war die Trachtendichte bereits deutlich höher“, sagt der Wirt, der in diesem Jahr zum zweiten Mal in Ahrensburg ist. „Die Leute haben gemerkt, dass sie die Kleidung tragen können und sich eine Tracht zugelegt, extra für’s Oktoberfest“. Offenbar können auch Norddeutsche Lederhose.

Einer, der sich in seinem süddeutschen Outfit besonders wohl zu fühlen scheint, ist Reiner Haase. Er trägt eine solche Krachlederne, dazu eine schwarze Lodenjacke und einen passenden feschen Hut, ebenfalls aus Loden.

Haase hat seine Tracht vor einem Jahr während eines Urlaubs in Passau gekauft und freut sich, das gute Stück mal wieder ausführen zu können. „Normalerweise trägt man als gebürtiger Hamburger Jung’ ja eher eine Schiffermütze“, sagt der Delingsdorfer und lacht. In bayerische Schale geworfen hat sich auch die Familie Teegen. Arno, der Bruder des Gastwirts, seine Frau Evelyn und ihre kleine Tochter Adele tragen die Traditionskleidung mit so großer Selbstverständlichkeit, als wäre es für die Nordlichter aus Bad Segeberg Alltagskleidung. Die Drei haben sich die Sachen vor zwei Jahren an der Hamburger Binnenalster gekauft und den Kauf nie bereut. „Wir tragen die Sachen auch auf Mottopartys und Schützenfesten, uns gefällt der Stil“, sagt Evelyn Teegen. Die Routine merkt man ihnen an.

Auch Karoline Mietschke aus Eutin, Daniela Buschmann aus Ahrensburg und Irina Pilgrim aus Wedel gefällt der alpine Trachtenstil. Also sind die Drei heute in bunten Dirndln erschienen. Zwar sind die Kleider bis auf das von Irina Pilgrim bloß geliehen, doch alle fühlen sich in dem Outfit sichtlich wohl. Bisher hat erst Karoline Mietschke die berühmt-berüchtigte Originalversion des Oktoberfestes in München kennengelernt. Damals allerdings trug sie kein Dirndl – ein Anfängerfehler: „Da bin ich richtig aufgefallen, weil fast die einzige war, die ohne Tracht da war.“

Das wollte sich die 27-Jährige in diesem Jahr ersparen. Und die Entscheidung, ein schickes Dirndl anzuziehen war die richtige Wahl. Denn der Wirt hat recht: Das Oktoberfest ist mit allem Drum und Dran in Ahrensburg angekommen – mit Weißbier, blau-weißen Farben und Trachten.