Er soll laut Anklage Kinder sexuell missbraucht haben. Doch aufgrund widersprüchlicher Zeugenaussagen konnte das Gericht nicht ergründen, was wirklich vorgefallen war

Lübeck . Frederik Josef M., der in sieben Fällen Kinder sexuell missbraucht haben soll, ist vom Landgericht Lübeck freigesprochen worden. „Es spricht viel dafür, dass eine sexuelle Grenzüberschreitung stattgefunden hat“, sagte Richterin Helga von Lukowicz in ihrer Begründung. Das Gericht habe aufgrund widersprüchlicher Aussagen jedoch keine Beweisführung anstellen können, die eine Verurteilung gerechtfertigt hätte: Polizeiprotokolle stimmten teils nicht mit den Zeugenaussagen vor Gericht überein. Auch untereinander waren die Zeugenaussagen in sich widersprüchlich.

Der gebürtige Ahrensburger M. soll, so lautete die Anklage, zwischen 1998 und 2003 drei seiner leiblichen Kinder sowie zwei Töchter einer späteren Lebensgefährtin sexuell missbraucht haben.

Die Staatsanwältin bezog in ihr Plädoyer drei der sieben Taten ein. Die Zeugenaussagen zu den anderen Fällen seien nicht geeignet, M. zu überführen. So ging es der der Anklagevertreterin ausschließlich um Taten, die Madeleine, Tochter von M.s späterer Lebensgefährtin Ruth F., betrafen. Madelaine habe im Alter von zehn Jahren nackt Pornofilme mit M. ansehen müssen. Dabei habe M. sie berührt. Beim Besuch eines Schwimmbads habe der Angeklagte sie zudem aufgefordert, ihn zu berühren. Bei einer dritten Tat soll M. sich in Anwesenheit eines Sohnes und Madeleine selbst befriedigt haben.

Für den ersten Fall forderte die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, für die die zweite und dritte weitere acht und sechs Monate. In der Summe sprach sie sich für ein Jahr und zehn Monate Haft aus, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Die Prognose sei positiv: Die Taten lägen lange zurück und spätere Vorfälle seien nicht bekannt. Als Bewährungsauflage forderte sie 300 Arbeitsstunden.

Strafverteidiger Brand zeigt Widersprüche in den Aussagen auf

Der Verteidiger des Angeklagten, Frank-Eckhard Brand, widersprach der Staatsanwältin. Es sei schwierig, mit juristischen Fällen umzugehen, die lange Zeit zurückliegen. Entweder, man glaube den Zeugen, oder nicht. In diesem Fall gebe es aber keine belastbaren Kernsachverhalte, „es bleiben Dinge offen, die nicht erklärbar sind“. Die Aussagen der Söhne des Angeklagten passen nicht zusammen. Und auch die Ausführungen der Töchter F.s entsprächen in der Konsequenz nicht dem, was zur einer Verurteilung nötig sei. Zudem passe die Aussage der Mutter nicht zu denen ihrer beiden Töchter. Und: Ruth F. habe behauptet, nie mit ihren Kindern über das Geschehene geredet zu haben. „Was ist da gewesen, wenn man darüber nicht spricht?“ Pflichtverteidiger Brand plädierte deshalb für einen Freispruch seines Mandanten.

Auch Richterin von Lukowicz verwies auf widersprüchliche Aussagen, Daten und Details. Madeleine habe durchaus einen traumatisierten Eindruck gemacht. Dies könne man aber auch auf das schlechte Klima in der Familie zurückführen. Oder darauf, dass sie beobachtet habe, wie M. Pornos ansah. Madeleines Aussage barg Schwächen in sich und sei für eine Verurteilung M.s nicht ausreichend.

M. vernahm seinen Freispruch ohne jegliche Regung. Auch der flapsige Spruch Brands, „So, das war’s“, rief keine Reaktion bei ihm hervor. Gekrümmt verließ er den Gerichtssaal.