Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß über Bürgerbeschwerden, anstehende Projekte und finanzielle Gefahren

Großhansdorf. Janhinnerk Voß (parteilos) ist mit 93 Prozent Ja-Stimmen zum dritten Mal zum Bürgermeister von Großhansdorf gewählt worden. Wie vor sechs Jahren hatte der 49-Jährige auch diesmal keinen Gegenkandidaten. Alle Parteien unterstützten ihn, lobten die Zusammenarbeit mit seiner Verwaltung. Das Ergebnis ist dennoch erstaunlich, weil sich Voß bei einigen unter den Einwohnern der 9000-Seelen-Gemeinde strittigen Projekten eindeutig positioniert hatte. Im Gespräch mit dem Abendblatt äußert er sich über seinen Umgang mit Kritik und die Vorhaben in der neuen Amtszeit, die am 1. Mai 2014 beginnt.

Hamburger Abendblatt:

Der Wahlausgang muss Sie hoch erfreuen ...

Janhinnerk Voß:

Ich bin ganz zufrieden.

Nur „ganz zufrieden“?

Voß:

Ich habe ja vier Prozentpunkte gegenüber der vorangegangenen Wahl verloren und wäre zu 100 Prozent zufrieden gewesen, wenn ich das gleiche Ergebnis wie vor sechs Jahren erzielt hätte. Das ist wohl auch eine Frage des eigenen Anspruchs.

Was ist ihr wichtigstes Ziel als Bürgermeister in den kommenden sechs Jahren?

Voß:

Dass das Verhältnis zu den Bürgern gut bleibt und auch der Kontakt zwischen Politik und Verwaltung so positiv bleibt, wie er jetzt ist. Das ist ja keine Selbstverständlichkeit.

Aber es hat ja trotzdem in den vergangenen Jahren Kritik an Ihnen gegeben. Etwa wegen des Baus eines Supermarkts am Eilbergweg, für den einige Bäume gefällt werden mussten.

Voß:

Ja. Da wurden mir Schimpfworte wie „Baumschänder“ entgegengeschleudert und es wurde behauptet, die Verwaltung mache sich überhaupt keine Gedanken über die Natur. Das ist natürlich Blödsinn. Es gibt Ausgleichsmaßnahmen noch und nöcher und Zwänge, denen auch wir unterliegen. Und es gibt den Wunsch nach vernünftigen Einkaufsmöglichkeiten. Gerade ältere Einwohner wollen einkaufen, ohne das Auto benutzen zu müssen. In der vorherigen Struktur hätte das nicht gepasst, zumal Großhansdorf auch ohne die beiden Seniorenresidenzen, in denen etwa 600 Menschen leben, einen recht hohen Altersschnitt hat.

Wie gehen Sie mit solcher Kritik um?

Voß:

Mit sachlicher Kritik setze ich mich natürlich auseinander. Wenn die sehr aggressiv vorgetragen wird, nehme ich das auch mal mit nach Hause. Da bin ich kein abgebrühter Politik-Profi.

Kommt das häufig vor?

Voß:

Es wird zunehmend massiv von Bürgern gefordert und schneller gemeckert. Der Ton hat sich verändert. Es sind immer noch Einzelfälle. Das muss ich klar sagen. Aber die Einzelfälle mehren sich. Das sagen auch Bürgermeisterkollegen in anderen Orten. Aber verglichen mit einem Hamburger Polizisten ist das, was wir uns anhören dürfen, immer noch wenig.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Voß:

Ich denke, das ist ein allgemeines gesellschaftliches Problem. Das stellen wir im Straßenverkehr fest, das stellen wir im Umgang untereinander fest. Ich glaube, das betrifft auch alle Dienstleister. Es werden häufiger die Ellenbogen eingesetzt. Die Leute wollen sich weniger zurückstellen und ihre Bedürfnisse erfüllt sehen.

Meckern eher ältere Einwohner?

Voß:

Ich stelle fest, dass es in Großhansdorf Menschen gibt, die Top-Positionen in Wirtschaft und Verwaltung in Hamburg innehatten und die jetzt ihr Heil darin finden, sich in irgendwelchen Internetforen herumzutreiben oder sich gar nicht zu engagieren. Ich bekomme manchmal auch seitenlange Briefe wegen eines falschen Schildes oder eines falsch parkenden Autos. Da denke ich: Mensch, da ist ja doch viel Zeit vorhanden und ich würde mir wünschen, dass diese Menschen irgendwie den Weg ins Ehrenamt fänden. Mit ihrem enormen Wissen und ihrer Lebenserfahrung wären sie ein Gewinn für jeden Verein.

Dabei brauchen die Gemeinden ehrenamtliches Engagement. Es nimmt aber ab. Sie selbst sind in elf Vereinen tätig.

Voß:

Es ist eine der Aufgaben eines Bürgermeisters, durch Präsenz den ehrenamtlich Tätigen zu danken. Wenn wir die ehrenamtlichen Tätigkeiten unserer Gemeinde hauptamtlich ausführen müssten, wäre Großhansdorf pleite. Wir haben etwa 40 Vereine und Verbände. Ich bin sehr glücklich darüber, dass es noch reichlich Menschen gibt, die sich dort engagieren. Ich befürchte aber, dass wir in zehn Jahren 15 Vereine weniger haben.

Worüber beklagen sich Bürger denn besonders häufig und heftig bei Ihnen?

Voß:

Straßenverkehr und Hunde sind nach wie vor die Themen, die die Bürger am meisten bewegen. Jetzt ist die Kindergartenversorgung auch ein ganz großes Thema, bei dem mitunter sehr vehement vorgegangen wird. Manche Eltern sind schon ziemlich ungehalten, wenn sie für ihr Kind nicht den Platz in ihrer Wunschkita mit Wunschbetreuung zur Wunschzeit bekommen.

Aber es ist doch klar, dass sich die Eltern für die Belange ihrer Kinder einsetzen.

Voß:

Das müssen sie auch. Aber die haben natürlich nicht den Blick auf das Große und Ganze, wie ihn ein Bürgermeister haben muss, der die Bedürfnisse von 9000 Einwohnern berücksichtigen will. Außerdem weiß ich, dass die Eltern, die sich heute über Kindergärten beklagen, sich in vier bis fünf Jahren über die Grundschulversorgung beschweren und weitere fünf Jahre später über die weiterführenden Schulen.

Da steht Ihnen möglicherweise noch einiges ins Haus bei den Zielen, die Sie sich gesetzt haben. Die Entwicklung des Reha-Geländes am Eilbergweg steht ja ganz oben auf der Agenda.

Voß:

Was das Reha-Gelände betrifft gibt es unterschiedliche Interessen. Der Eigentümer will natürlich viel Baumasse haben, der Investor will viel Geld verdienen und die Gemeinde nicht so viel Baumasse zulassen, damit sich die neuen Häuser harmonisch ins Straßenbild einfügen. Beide Seiten müssen sich da angleichen, sonst bringt das nichts. Aber es wird nicht ohne einzelne Baumfällungen abgehen.

Es hält sich auch hartnäckig das Gerücht, dass auf dem Gelände ein neuer Discounter entstehen soll.

Voß:

Die Politik und ich haben mehrfach gesagt, dass dort kein Discounter hinkommen wird. Das stelle ich hier nochmals klar. Allerdings fragen die Schmalenbecker, warum bei ihnen in der Hinsicht nichts passiert. Es gibt auch zahlreiche Investoren, die sofort loslegen würden. Auch Entwürfe. Das Problem ist, dass es sich dort um ein Privatgelände handelt und der Eigentümer bisher keine Veränderung wünscht. Dennoch werden sich die Gemeindevertretung und der Bürgermeister mit dem Thema beschäftigen.

Sie wollen laut eines Flyers, den Sie vor der Wahl verteilen ließen, auch die Schulen ausbauen.

Voß:

Wir haben ein Schulzentrum, das in den 70er-Jahren errichtet wurde. Es instand zu setzen, mit Wärmeisolierung, hinreichendem Brandschutz, Amokalarm und so weiter auszustatten, wird in den kommenden Jahren Millionen Euro kosten. Ein weiteres Thema ist die Inklusion, also die Beschulung behinderter Kinder, die Umbauten erfordert. Ich halte Inklusion für den richtigen Schritt, muss aber deutlich die Landesregierung kritisieren. Sie will die Inklusion und deshalb sollte sie sie nach dem so genannten Konnexitätsprinzip auch bezahlen. Das will Kiel aber nicht. Jetzt müssen wir als Schulträger diesen Wunsch des Landes umsetzen. Das ärgert mich. Überhaupt wird in der Bildungspolitik immer nur gefragt, was Schüler, Eltern und Lehrer wollen, nicht aber, was der Schulträger will. Wir müssen aufpassen, dass uns das nicht in den finanziellen Abgrund zieht.

Das klingt dramatisch.

Voß:

Die Gemeinde muss sparsam sein, um weiter einen ausgeglichenen Haushalt auszuweisen. Da müssen wir sehr vorsichtig sein. Und bei der Kinderbetreuung wird der Bedarf immer höher, vor allem steigen die Personalkosten. Das wird uns Probleme bereiten.

Gibt es denn Überlegungen, die Einnahmeseite zu verbessern?

Voß:

Wir glauben, dass wir zusehen müssen, dass die Ausgaben nicht steigen. Keiner will die Steuern erhöhen. Wenn wir künftig Straßen ausbauen, werden wir aber den Bürger mit zur Kasse bitten. Das ist eine landesgesetzliche Vorschrift, die wir erfüllen müssen. Dabei handelt es sich um so genannte Ausbaubeiträge. Denn der Wert der Häuser und Grundstücke steigt ja dann, selbst wenn nur die Straßenlaternen ausgetauscht werden. Wir sind aber eine der letzten Kommunen, in der diese Regelung greift. Das ist ein unangenehmes Thema, das regelmäßig zu Auseinandersetzungen führt.

Ist die Straßenerneuerung ein bedeutendes Thema in Großhansdorf?

Voß:

Nein, wir haben unsere Straßen in den 90er-Jahren erneuert und Schäden durch Frost regelmäßig ausgebessert. Unsere Verkehrsprobleme entstehen weniger in Großhansdorf als in Siek und Ahrensburg. Durch die Ausweisung der Gewerbegebiete drängt immer mehr Verkehr über den Ostring. Um dann den Ostring zu umfahren, kommt immer mehr Verkehr nach Großhansdorf. Wir wünschen uns, dass Verkehrskonzepte in Ahrensburg und Siek auch mit uns abgestimmt werden.

Gibt es Überlegungen, mehr Gewerbe in Großhansdorf anzusiedeln?

Voß:

Große Betriebe können wir in Großhansdorf nicht unterbringen. Wir haben uns eher den Bereich Gesundheit auf die Fahnen geschrieben wie medizinische Dienstleistungen oder Rehabilitationseinrichtungen.