Eine Glosse von Evelyn Fresemann

Meine Mutter war eine hilfsbereite und gütige Frau. Aus meiner Jugendzeit weiß ich, dass aus der Nachbarschaft oft Leute zu uns kamen, denen sie ein paar Eier, etwas Milch oder Backpulver geliehen hat. Die Nachbarn gingen dankbar zurück nach Hause. Ob meine Mutter die ausgeliehenen Zutaten jemals zurückbekommen hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Seit Jahren haben wir in unserem Garten einen kleinen Teich mit munteren und flinken Goldfischen, die sich dort wohlfühlen und auch gut vermehren. Im Oktober wird abgefischt, und die Goldfische kommen in ihr Winterquartier in ein großes Aquarium im Keller.

Unser Nachbar, der sich einen neuen Teich im Garten angelegt hatte, fragte mich vor einigen Wochen: „Kann ich von Ihnen ein paar Fische ausleihen? Es soll nur für die Sommermonate sein, weil wir so viele Mücken haben.“ Ich muss gestutzt haben. „Also“, sagte der Nachbar weiter, „ich gebe Ihnen dafür Kartoffeln, Tomaten und Gurken aus meinem Garten.“ Nun, das war ein Handel! Flugs fischte mein Mann ein paar Goldfische heraus, reichte sie über den Zaun – und der Nachbar war glücklich. Fische verleihen für ein paar Kartoffeln!

Zum Winter bekommen wir die ausgeliehenen Fische wieder zurück – wenn sie bis dahin nicht der Fischreiher, der seit ein paar Tagen zu sehen ist, aus dem Teich geholt hat. Und die Kartoffeln vom Nachbarn schmecken wirklich hervorragend.