Jule Walkowiak aus Mollhagen ist ein gefragtes Model. Das Abendblatt begleitete die 17-Jährige auf einer Modenschau

Steinburg. Es ist eine Minute nach Mitternacht und inzwischen Sonnabend. Jule Walkowiak aus dem Steinburger Ortsteil Mollhagen hat seit 17 Stunden kein Auge zugemacht. Und wird auch in den kommenden drei Stunden keine Gelegenheit zum Entspannen haben. Hier, im Park Hyatt Hotel Hamburg, soll die Miss Hamburg auf der Modenschau Fashion Night am Abend Kleidung des Designers André Zierke präsentieren. Mit dabei ist auch Marcus Schenkenberg, das bestbezahlte männliche Model der Welt.

Während die 17-Jährige jetzt ihre fünf Outfits anprobiert und noch Proben anstehen, nächtigt der Superstar in einem Frankfurter Luxushotel. Er wird erst am Mittag eingeflogen. Jule ist hellwach. Sie sagt: „Mir macht es Spaß, ich sehe die Sache als Hobby.“ Dass es als Model nicht damit getan ist, ein paar Mal über den Catwalk zu huschen und freundlich in die Kameras zu lächeln, hat die Schülerin schon bald nach ihrer Wahl festgestellt. Die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn durfte sich hinter den Kulissen der Veranstaltung umschauen und begleitete die seit Dezember 2012 amtierende Miss Hamburg einen Tag lang.

Es ist kurz nach neun, als Jule die Augen aufschlägt. Jetzt hat sie Zeit für sich, kann entspannen, die Gedanken schweifen lassen. Den Akku aufladen nennt man das. Denn auch dieser Tag wird für sie ein langer sein: umgeben von einem latenten Stimmengewirr, 20 weiteren Models und einem halben Dutzend Visagisten. Doch noch herrscht Ruhe, auch zweieinhalb Stunden später beim Frühstück. Die Abiturientin verspeist ein Brot mit Lachs, ein Leberwurstbrötchen, einen Obstsalat mit Joghurt sowie ein paar Garnelen. Dazu gibt es frisch gepressten Grapefruitsaft und Tee. „Das Frühstück ist mit das Wichtigste am Tag. Ich ernähre mich schon immer gesund“, sagt Jule. Kalorien zu zählen, das hat sie aber nicht nötig. Gern darf es auch mal ein Burger mit Pommes sein oder auch Schokolade und Kuchen. Ihre 58 Kilogramm bei 1,76 Meter Körpergröße halte sie ebenso wie ihre Maße 88-64-94 und Konfektionsgröße 34 problemlos.

Doch nicht nur der Figur wegen ist die Stormarnerin gefragt. „Sie ist bescheiden, lernt schnell und kann sich sehr gut ausdrücken“, sagt Dierk Behn, Geschäftsführer der Agentur Models Way, bei der Jule unter Vertrag steht. Behn: „Wir knüpfen gerade Kontakte nach Asien. Ich könnte mir vorstellen, dass Jule dort sehr gut ankommt. Sie ist groß und hat markante Gesichtszüge. Das wird dort geliebt.“ Bis zum Abitur im kommenden Jahr begrenzen sich die Auftritte der Schülerin des Kopernikus Gymnasiums Bargteheide jedoch auf den norddeutschen Raum.

Inzwischen haben sich die Models in einem Nebenraum eingefunden, es ist 14 Uhr. Heiko Bott, 42 und ein angesagter Visagist, und sein Team geben den Ton an. Begriffe wie Foundation, Catwoman-Look und dramatisches Augen-Make-up fliegen dem Betrachter nur so um die Ohren. „Stylen ist eine Wissenschaft für sich“, sagt Bott. Der Mann arbeitet noch schneller als er reden kann. Und das ist gut so. Schließlich werden die Schönheiten bis zum Ende des Events mehrmals umgestylt. Jeder Handgriff muss sitzen. Vor Bott liegen Dutzende Bürsten, diverse Haarsprays und mehr als 100 verschiedene Make-up-Töne. Jule, die inzwischen ein schwarzes Versace-Kleid für 349 Euro sowie High-Heels mit zwölf Zentimeter langen Absätzen trägt, wird mithilfe von 15 Produkten fit für das bevorstehende Fotoshooting gemacht. Dafür sitzt sie geschlagene 55 Minuten still und wirkt dabei trotzdem tiefenentspannt. „Sie hat eine sehr schöne und ebene Haut“, sagt Bott. Für ihn ist die Miss Hamburg ein leichter Fall.

Leicht ist es für Jule dieser Tage nur bedingt. Sie muss den Spagat zwischen Schule und Modeldasein bewältigen, schreibt unter der Woche eine Vorabi-Klausur im Fach Deutsch. Deswegen holt sie ihre Unterlagen aus der Tasche hervor, liest 20 Minuten. „Ich kann mich ganz gut auf das Wesentliche konzentrieren“, sagt sie. Dann, um 17.15 Uhr, ist das Büfett eröffnet. Zur Stärkung gibt es Gnocchi und Salat.

Star-Model Schenkenberg erscheint in Badelatschen und Jogginghose

Während Jule noch isst, spaziert plötzlich Star-Model Schenkenberg, 45, herein: in Badelatschen und mit einer Jogginghose sowie rotem T-Shirt bekleidet. Sofort richten sich alle Blicke auf ihn, den 1,93 Meter großen Modellathleten mit Waschbrettbauch und einer Brustmuskulatur wie aus dem Bilderbuch. Verständlich, dass sich zum Beispiel Claudia Schiffer, Naomi Campbell, Cindy Crawford und Kate Moss bei gemeinsamen Shootings an seiner Seite wohlgefühlt haben.

Doch das war gestern. Heute ist Jule. Mit ihr wird er nachher den Laufsteg entern. Dass die TV-Sender nur wegen Schenkenberg gekommen sind, stört die 17-Jährige nicht. Neid ist ihr ein Fremdwort. Auch seine Gage interessiert nicht, Jule bekommt keine. Sie darf sich ein Kleidungsstück aussuchen. „Marcus Schenkenberg hat sich das über die Jahre hart erarbeitet. Das verdient Respekt“, sagt sie.

Aus dem Hintergrund ruft Bott ihren Namen: „Wir müssen jetzt fi-nishen.“ Gemeint sind damit Jules Haare. Zur Laufstegtauglichkeit fehlt noch ein bisschen Spray. Das geht schnell. Es ist 19.15 Uhr, in 45 Minuten werden die 200 Gäste erwartet, darunter Schauspieler Claude-Oliver Rudolph. Spätestens um halb neun soll es losgehen. So steht es im Plan.

Rosalie van Breemen, 47, die Ex-Freundin des französischen Filmstars Alain Delon, läuft auch mit. Sie könnte Jules Mutter sein. Die Anspannung steigt. Ihre Elektro-Zigarette hat die Niederländerin inzwischen gegen eine normale getauscht. Warten ist angesagt, der Zeitplan verschiebt sich. Zur Entspannung gibt es ein Glas Champagner. Ein letztes Mal wird der Ablauf besprochen, dann, um 21.35 Uhr, geht es endlich los: Walkowiak präsentiert sich in Boots, Hotpants, Shirt und Mantel. Viermal ändert sie noch ihr Outfit, verlässt den Laufsteg das letzte Mal um 0.30 Uhr.

Doch Schluss ist jetzt noch lange nicht. Die After-Show-Party ruft. Jule hält bis 2.30 Uhr durch. Dann fällt sie ins Bett. Übrigens allein: Denn zurzeit ist die Miss Hamburg solo.